Umstrittenes Großprojekt in Potsdam: Neue Risiken für kleineres Krampnitz
Weitere Verzögerungen für das geplante Stadtviertel könnten höhere Wärmekosten für Bewohner bedeuten - weil sonst Fördermittel verfallen. Das wurde am Mittwochabend beim digitalen Krampnitzforum bekannt.
Potsdam - Mit neuen Planungen für mehr Umweltschutz, genossenschaftliches Wohnen und sogar Sozialwohnungen wollen die Bauverwaltung und die kommunalen Unternehmen Stadtwerke und Pro Potsdam beim umstrittenen Großprojekt Krampnitz für mehr Zustimmung sorgen. Das wurde am Mittwochabend beim öffentlichen Digitalforum für Krampnitz und einem Pressegespräch im Vorfeld deutlich. Allerdings zeigte sich auch, welche Risiken für das Projekt bestehen – gerade bei weiteren Verzögerungen, die auch durch angekündigte Klagen drohen. Die PNN geben einen Überblick.
Bergviertel mit Sozialwohnungen
In Krampnitz sollen nun auch im ersten Bauabschnitt für das neue Viertel zumindest rund 180 Sozialwohnungen entstehen. Diese sollen laut Pro-Potsdam-Chef Bert Nicke im sogenannten Bergviertel mit Hilfe von Genossenschaften errichtet werden. Die nötigen Grundstücke sollen zum Festpreis mit Konzeptvergabe verkauft werden – wie zum Beispiel auch in der Potsdamer Mitte geschehen. Im ersten Bauabschnitt sollen in Krampnitz bis zu 5000 Menschen leben, für mehr muss die Stadt Potsdam erst erfolgreich die Planungen für die umstrittene Tramtrasse zwischen Jungfernsee und der Ex-Kaserne beenden, wogegen allerdings Anrainer klagen wollen. Bisher hatte die Stadtverwaltung für den ersten Bauabschnitt, in dem vor allem der Konzern Deutsche Wohnen marode Bestandsbauten sanieren und zu Wohnungen umbauen will, geförderte Sozialwohnungen erst für die Zeit ab 2029 in Aussicht gestellt. Das hatte für viel Kritik gesorgt.
Konkret sollen laut Nicke im Bergviertel 605 Wohnungen entstehen, 30 Prozent davon öffentlich gefördert. In dem Areal befinden sich derzeit markante Zweigeschosser, die durch Geschosswohnungsbau und Reihenhäuser ergänzt werden sollen. Auch mehrere Gewerbebauten, eine Kita sowie zwei größere Quartiersgaragen für die Fahrzeuge der neuen Bewohner sind vorgesehen – am Konzept, dass möglichst kein Auto im öffentlichen Straßenraum parken soll, wolle man auch in diesem Teil von Krampnitz ganz ausdrücklich festhalten, so Nicke. Den so angepassten Masterplan für den Bergviertel-Kiez wolle man den Stadtverordneten im August vorlegen, hieß es. Geplant sei ein Interessensbekundungsverfahren, um möglichst eine Bietergemeinschaft von Genossenschaften zu finden, die den Stadtteil aus einer Hand entwickeln will – und somit auch die großen Garagen errichten müsste. Unter anderem die Wohnungsbaugenossenschaft (WBG) „Karl Marx“ und 1956 hatten bereits im März 2019 ihr Interesse am Bau von bis zu 500 Wohnungen in Krampnitz erklärt.
Millionen für den Artenschutz
Als Beitrag zur Wiedergewinnung von derzeit noch ruinösen Ex-Militärflächen lobte Pro-Potsdam-Chef Nicke das Großvorhaben auf dem ehemaligen Kasernengelände. Alte Ölfässer, Munitionsreste und auch Asbest habe man schon entfernt. Auch werde man rund 30 Hektar Wald neu pflanzen, als Ausgleich für das Abholzen in Krampnitz. Die Flächen für das Aufforsten lägen dabei aber nicht in Potsdam, hier sei dafür laut Nicke auch gar kein Platz – sondern im Landkreis Dahme-Spreewald und in der Lausitz. Zugleich stellte Nicke die Pläne für Ersatzquartiere für Fledermäuse vor, aber auch die schon begonnene Umsiedlung von dutzenden Waldameisenhaufen in den Königswald. Ferner seien bereits 650 Zauneidechsen gefangen und bei der ehemaligen Deponie Golm ausgesetzt worden. Für diese Maßnahmen im Natur- und Artenschutz inklusive Aufforstung nannte die Pro Potsdam am Mittwoch ein Gesamtvolumen von 14 Millionen Euro, 2,4 Millionen Euro seien schon geflossen.
Risiko Wärmepreise
In die Reihe der Krampnitz-Skeptiker hatten sich zuletzt auch Natur- und Umweltschützer gestellt. So demonstrierte der Potsdamer Ableger von Fridays for Future am Mittwoch vor dem Stadthaus für mehr Klimaschutzbemühungen in Zusammenhang mit den Plänen. Der Bund für Umwelt- und Naturschutz Deutschland (BUND) hat wegen seiner Zweifel an den offiziellen Klimaversprechungen sogar eine Klage in Aussicht gestellt. Allerdings sagte Eckhard Veil, der Chef der kommunalen Stadtwerke-Tochter Energie und Wasser Potsdam (EWP), das Ziel bleibe weiterhin die Energie für Krampnitz bis 2045 ohne fossile Brennstoffe zu erzeugen. Helfen sollen ein neuartiges und besonders effizientes Niedrigtemperaturnetz im Boden, aber auch der Einsatz von Solar- oder Geothermie. Auch wolle man drei Blockheizkraftwerke mit Biogas betreiben – was noch dazu für grünen Strom und Fördermittel über das Erneuerbare Energiengesetz (EEG) sorgen könne.
Zugleich stellte Veil dar, wie negativ sich weitere Verzögerungen auf die Pläne auswirken könnten. So sei die Systematik bei der EEG-Förderung so, dass jeder Monat an Zeitverzug bei den Blockkraftwerken weniger Fördermittel bedeute – was sich wiederum negativ auf die künftigen Wärmepreise in Krampnitz auswirke. Ähnliche Folgen werde ein langsamerer Bevölkerungszuwachs in Krampnitz haben: Werde der Stadtteil also auf nur 5000 Einwohner begrenzt, werde sich das negativ auf die Wärmepreise auswirken. Genaue Zahlen nannte Veil auch auf Nachfrage noch nicht, dies könne man heute noch nicht kommunizieren. Allerdings sei man hier in Konkurrenz mit anderen Anbietern – und man wolle natürlich nicht, dass Krampnitz wegen solcher hohen Nebenkosten am Ende nur ein Quartier für Wohlhabende werde. Nicke wiederum sagte, man könne auf neue Fördermittel und den technischen Fortschritt hoffen - derzeit sei er auch er mit dem Energiekonzept noch nicht hundertprozentig zufrieden. Zugleich warnte er, schon jetzt sei mit einem Doppelten des Durchschnittswärmepreises in Potsdam zu rechnen. Veil wiederum warnte, auch andere Fördermittelprogramme für Klimaschutz seien zeitlich nur noch begrenzt abrufbar.
Auch vor dem Hintergrund solcher Unwägbarkeiten hatte Oberbürgermeister Mike Schubert (SPD) dem Projekt parallel zu den laufenden Arbeiten jetzt einen Stresstest verordnet, wofür nun eine externe Beraterfirma gesucht wird. EWP-Mann Veil erklärte, er hoffe, dass damit kein Zeitverzug verbunden sei. Pro-Potsdam-Chef Nicke wiederum sagt, bei einem so großen Projekt könne ein Blick von außen „nicht schaden“ – obwohl man eigentlich gut aufgestellt sei.
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