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Er packt zu. Für Erik Abramovs Gegner wird es auf der Matte ungemütlich.
© Gerhard Pohl

Potsdamer Talente: Judoka Erik Abramov: Kuschelig kräftig

Erik Abramov ist Potsdamer Judo-Schwergewicht mit sanftem Gemüt, gutem Gefühl und glänzender Perspektive. Der 19-Jährige hat Weltklasse-Format im Nachwuchsbereich erreicht. Bis dahin bremste er sich aber oft selbst aus.

Potsdam - Äußerlichkeiten können schnell einen falschen Eindruck vermitteln. Erik Abramov ist ein gutes Beispiel dafür. Der Potsdamer mit den kurzen lockigen Haaren und dem dunklen Vollbart misst 1,91 Meter, bringt dank stahlharter Muskulatur deutlich über 100 Kilogramm auf die Waage. „Wenn man ihm auf der Straße begegnet, könnte man denken: Oh, ganz fieser Typ, ein richtiger Brecher“, sagt Mario Schendel. Aber der Schein trügt. „Erik ist ein herzensguter Mensch, unglaublich sozial, super erzogen, sehr zuvorkommend.“ Alles andere als fies. Bei der Bundesliga-Teampräsentation des UJKC Potsdam wurde Abramov daher „unser großer Kuschelbär – mit Monsterkräften“ genannt. Denn auf der Matte weiß der 19-Jährige seinen athletischen Körper herausragend einzusetzen. Er zählt zu den größten deutschen Judo-Talenten. „Erik“, urteilt UJKC-Cheftrainer Schendel, „hat das Potenzial einer der besten Schwergewichtler der Welt zu werden.“

Im Juniorenbereich hat er sich bereits Richtung Spitze gearbeitet. Vorige Saison wurde Erik Abramov, der in der Gewichtsklasse plus 100 antritt, zunächst Vize-Europameister der U21-Alterswertung und kurz danach noch Dritter der U21-Weltmeisterschaft. Letztere fand auf den Bahamas statt. „War schon schön da“, sagt er grinsend. „Aber es war auch echt schwierig, nicht in ein Urlaubsfeeling zu verfallen.“ Ihm gelang es letztlich auf bronzene Weise, den Fokus auf seinem eigentlichen Reisegrund zu wahren.

„Er war zu nett, nicht positiv arrogant genug“

Und so schaffte der mehrfache Deutsche Nachwuchsmeister im Jahr 2018 international den persönlichen Durchbruch. „Er könnte auch schon längst noch weiter sein“, meint Mario Schendel. Doch sei sein Gemüt in der Vergangenheit durchaus ein Hindernis gewesen. „Erik hat sich lange Zeit gern unterschätzt und Gegner stärker geredet als sie waren. Da hat er dann gegen Leute verloren, die hätte er bei seinen Qualitäten eigentlich aus dem Anzug reißen müssen“, erinnert sich der Coach. „Er war zu nett, nicht positiv arrogant genug.“ Erik Abramov nickt. Der Blick wieder knuffig wie von einem Teddy. „Ich weiß. Ich bin nicht der Typ, der sich in den Vordergrund drängt, sondern halte mich lieber zurück und komme dann von dort nach vorne, wenn es wichtig ist“, erklärt er sein Naturell. Wenngleich das Mitglied der Bundespolizei-Sportfördergruppe sowie Schendel betonen, dass er inzwischen schon deutlich selbstbewusster zu Werke gehe.

Doch stets mit Respekt. „Das ist eben Judo, ein Sport, der verbindet. Fairer Umgang miteinander ist ganz wichtig“, sagt der gebürtige Potsdamer, dessen Eltern aus Aserbaidschan stammen. Viele seiner Verwandten waren im Kampfsport aktiv, seinem älteren Bruder folgte Erik Abramov mit Beginn der Grundschulzeit zum UJKC. „Judo hilft mir, mich auszupowern. Ich mag es, davon erschöpft ins Bett zu fallen“, sagt er. Ruhig und sanft fügt er hinzu: „Es ist auch schön, dabei die eigene Entwicklung zu merken. Sportlich und menschlich.“

Er muss Balanceakt beim Zunehmen meistern

Wenn sich der Träger des schwarzen Gürtels im Wettkampf duelliert, dann ist seine größte Stärke zugleich seine Schwäche. „Er hat ein unglaubliches Gefühl für Judo, spürt die Situationen instinktiv und schaut, was sich ergibt“, beschreibt Schendel. „Allerdings bringt dich das als Trainer auch manchmal zur Verzweiflung, denn das kann nicht der generelle Weg sein. Er sollte eher mit einem Plan in den Kampf gehen, strukturierter sein.“ Daran werde gearbeitet. Genauso am Gewicht. Vergangene Saison wog Abramov 110 Kilo. Inzwischen sind es schon 118. Stückweise versucht er, schwerer zu werden, um es der Konkurrenz schwerer zu machen. Ein herausfordernder Balanceakt. „Ich muss zunehmen. Aber nur an Muskelmasse und nicht, indem ich eine Plauze bekomme. Außerdem muss ich es hinkriegen, trotz mehr Gewicht nicht an Schnelligkeit und Kondition zu verlieren.“

Das sind bereits Vorbereitungen auf den nächsten Schritt. Diese Saison noch darf der Ex-Sportschüler in der U21 mitmischen, danach wartet der anspruchsvolle Übergang zu den Männern. Olympia 2020 in Tokio ist noch kein konkretes Thema, die Sommerspiele vier Jahre später in Paris allerdings schon. Nun sei laut Trainer Schendel aber erst einmal die Aufgabe für Abramov, „sich bei den Junioren richtig zu belohnen“. Auch sein einst so hemmend zurückhaltender Schützling sagt mit gewachsenem Selbstvertrauen: „Eine Goldmedaille bei der EM oder WM möchte ich dieses Jahr holen. Die Möglichkeiten dafür habe ich. Jetzt heißt es nur noch: umsetzen.“ Für die Gegner von Erik Abramov soll es nicht kuschelig gemütlich werden.

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