DDR-Moderne in Potsdam: Krimi im Rathaus: Entscheidung zum Minsk fällt im Juni
Nach heftiger Debatte hat der Hauptausschuss mit knapper Mehrheit dem Minsk eine Galgenfrist bis Juni verschafft. Bei der Entscheidung über Abriss oder Erhalt könnte die Fraktion "Die Andere" das Zünglein an der Waage sein.
Potsdam - Nach einer einstündigen Redeschlacht im Hauptausschuss haben die Befürworter des ehemaligen Terrassenrestaurants Minsk die Galgenfrist für den DDR-Bau verlängert. Mit den Stimmen von Linken, Grünen, Bürgerbündnis/FDP und Die Andere stimmten am Mittwochabend acht Stadtverordnete für den Vorschlag, das Thema zunächst in der kommenden Woche im Bauausschuss weiter zu behandeln – und explizit keinen Beschluss im Hauptausschuss zu fällen. Dagegen stimmten die Fraktionen von SPD und CDU – allerdings hatten diese zu wenige Stimmen, auch weil sich der SPD-Stadtverordnete Uwe Adler enthielt. Auch die AfD positionierte sich in keine Richtung.
Damit kann eine abschließende Entscheidung zum Minsk nicht – wie von der Rathausspitze gewollt – in der nächsten Stadtverordnetenversammlung Anfang Mai fallen. Denn bis dahin tagt kein weiterer Hauptausschuss, wie Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) am Mittwoch explizit feststellte. Daher wird eine finale Entscheidung nun erst im Juni getroffen. Bei dem Votum geht es darum, ob ein öffentlich bisher unbekannter Investor von den Stadtwerken für 27 Millionen Euro drei große Baugrundstücke für neue Wohnungen auf dem Brauhausberg kaufen kann – unter der Bedingung, dass das Minsk fällt. Eigentlich hatten die kommunalen Stadtwerke, denen die Flächen inklusive Minsk gehören, eine Vergabe im April angestrebt.
Noch längst nicht alles geklärt
Wie groß der Diskussionsbedarf aber noch ist, zeigte die Debatte, die doch öffentlich geführt wurde. Denn gleich zu Beginn der Sitzung machte Jakobs den überraschenden Vorschlag, dass der Tagesordnungspunkt nun doch nicht hinter verschlossenen Türen behandelt werden müsse, wie zunächst geplant.
Als das geklärt war, stellte Linke-Fraktionschef Hans-Jürgen Scharfenberg seinen Ansatz zur Rettung des DDR-Baus vor: Die Vergabe der Grundstücke dürfe nur einzeln erfolgen. „Eine sinnvolle öffentliche Nutzung und der Erhalt dieses architektonischen Unikats würden sich lohnen – und es gibt Leute in Potsdam, die die Kraft und die Ideen dafür hätten.“ Zugleich präzisierten die Grünen ihren weitergehenden Antrag für eine Neuauflage des gesamten Verfahrens. Demnach sollen die Baugrundstücke noch einmal neu ausgeschrieben und wie am Alten Markt nach dem besten Nutzungskonzept vergeben werden, mit gedeckelten Mieten von 12 Euro pro Quadratmeter. Zugleich soll der Erhalt des Minsk festgeschrieben werden, Mehreinnahmen aus den Verkäufen der Grundstücke könnten sogar für dessen Sanierung eingesetzt werden, so die Grünen-Stadtverordnete Saskia Hüneke.
Die Andere könnte das Zünglein an der Waage sein
Dem widersprach die Rathausspitze. Baudezernent Bernd Rubelt (parteilos) sagte, die Planungen für den Brauhausberg liefen seit 2012 und hätten schon 300 000 Euro gekostet. Ein neues Verfahren würde mindestens eineinhalb Jahre dauern – was die Grünen mehrfach anzweifelten. Kämmerer Burkhard Exner (SPD) verwies auf die gestiegenen Kosten für das Schwimmbad blu, die sich schon auf 41 Millionen Euro summieren würden – und noch lägen nicht einmal alle Rechnungen vor. Die 27 Millionen seien daher zur Refinanzierung notwendig. Zudem könne man mit dem Geld auch etwa das Kiezbad am Stern für bis zu drei Millionen Euro sanieren. Diese Rechnung wiederum zog Scharfenberg in Zweifel – schließlich habe die Stadt einst maximal mit sechs Millionen Euro aus den Grundstücksverkäufen gerechnet.
Arndt Sändig (Die Andere) sagte, die rein wirtschaftliche Betrachtungsweise überzeuge ihn nicht – zumal die Stadtspitze früher darüber nachgedacht habe, dass Hotel Mercure für einen Millionenbetrag zu kaufen und abzureißen. Wolfhard Kirsch vom Bürgerbündnis bemerkte, wenn man die Grundstückslose auf dem Brauhausberg kleiner schneide, würden sich auch mehr Erlöse erreichen lassen. Allerdings habe er sich zum Minsk noch nicht entschieden, sagte er auf PNN-Nachfrage. Seine Fraktion gilt angesichts der knappen Mehrheitsverhältnisse als Zünglein an der Waage.
Schon im Vorfeld hatten vor allem die Gegner des Minsk-Erhalts in den vergangenen Tagen sich in diversen Medien geäußert. „Wer das Minsk schon immer gewollt hat, der hätte es nicht verfallen lassen dürfen. Die haben alle zugeguckt und zwar seit Mitte der 1990er Jahre“, ließ Stadtwerkechef Horst Müller-Zinsius die Hörer von Deutschlandfunk Kultur in Bezug auf die Stadtpolitik wissen.
„Die Leute können nicht verstehen, dass Potsdam am Brauhausberg Geld verschenken will“
Wiederum teilte CDU-Fraktionschef Matthias Finken im sozialen Netzwerk Facebook mit, „jeder Verzicht auf mögliche Einnahmen hieße doch für die Stadt, mögliche Mittel auszuschlagen, die wir dringend an anderer Stelle benötigen“ – seien es neue Gehwege, sanierungsbedürftige Sportanlagen oder fehlende soziale Einrichtungen. SPD-Fraktionschef Pete Heuer sagte wiederum bei Potsdam TV, die Potsdamer hätten nach der Wende mit den Füßen gegen das Minsk gestimmt und seien nicht mehr hingegangen. „Diese Art von Gastronomie war offensichtlich nicht mehr wirtschaftlich zu betreiben.“ Mit dem 2012 bei einer Bürgerbefragung festgelegten Standort für das neue Schwimmbad blu sei auch das frühere Gesamtensemble am Brauhausberg unwiederbringlich verändert worden. Kein Rolle spiele für die SPD, dass es um einen weiteren DDR-Bau gehe, der nun weichen solle. Stattdessen müsse man „den Mut und die Kraft haben, jedes Gebäude einzeln zu betrachten“ – also nach Funktionalität und Nutzen. So sei er etwa auch gegen den Abriss des funktionsfähigen Hotels Mercure gewesen, argumentierte Heuer. Genauso sei er nun dagegen, mehrere Millionen Euro zur Subventionierung eines nicht funktionierenden Gebäudes auszugeben.
Den finanziellen Aspekt nannte in der Debatte auch CDU-Fraktionschef Matthias Finken als entscheidend: „Die Leute im ländlichen Raum können nicht verstehen, dass Potsdam am Brauhausberg Geld verschenken will.“ Dagegen mahnte Grünen-Fraktionschef Peter Schüler, es gebe eben mehr als die Verkaufsoption – nämlich die Neuauflage des Verfahrens. Es handele sich um eine Entscheidung, „die diesen Stadtteil für die nächsten hundert Jahre prägen wird“, so Schüler. Da könne man sich eine Verzögerung durchaus erlauben. Zumindest die konnten die Befürworter des „Minsk“ mit der knapp beschlossenen Vertagung auch erreichen.
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