Potsdamer Stadtentwicklung: Kleingärten in Gefahr
Räumung, Verkauf, Klagen wegen Nachzahlungen: Mehrere Potsdamer Gartenvereine sind in ihrer Existenz bedroht. Meist, weil Investoren auf den Parzellen Wohnungen bauen wollen.
Potsdamer Kleingärtner müssen sich auf ein unruhiges Jahr einstellen. Nicht nur, dass ihr Dachverband wie berichtet in finanziellen Nöten steckt und am 28. März seine Mitglieder über Beitragserhöhungen abstimmen müssen. Mehrere Kleinkartensparten sind in ihrer Existenz bedroht – trotz des noch gültigen Kleingartensicherungskonzepts der Stadt, das den Fortbestand der Gärten sichern soll. Die PNN schildern vier Beispiele:
SPARTE ANGERGRUND
In der Sackgasse stecken die Kleingärtner der Sparte Angergrund in der Babelsberger Dieselstraße: Der Eigentümer, die Berliner Immobilienfirma Tamax, hat ihnen eine Frist bis 15. März gesetzt. Bis dahin können sie die rund 30 Gärten freiwillig räumen. Sonst, so heißt es in dem Brief, den die Gärtner Mitte dieser Woche erhalten haben und der den PNN vorliegt, bleibe der Tamax „nichts anderes übrig, als ihren berechtigten Herausgabeanspruch gegen Sie zeitnah gerichtlich geltend zu machen“. Sprich: Sollten einige Gärtner nicht freiwillig gehen, wird die Tamax sie herausklagen.
Die Firma hat die Flächen 2014 gekauft. 2017 hat sie ein Gerichtsurteil erwirkt, demzufolge der Kreisverband Potsdam der Garten- und Siedlerfreunde (VGS) nicht rechtmäßiger Zwischenpächter der Fläche ist. Es war nicht die erste Entscheidung dieser Art. Das Gericht argumentierte, dass der VGS nicht der Rechtsnachfolger des DDR-Kleingartenverbandes sei.
Je nach Planung handelt es sich um bis zu 500 Wohnungen
Das erklärte Ziel der Tamax ist es, auf dem Gelände zu bauen. Die Pläne dafür liegen schon in der Schublade, ein Entwurf liegt den PNN vor. Dieser beinhaltet mehrere Wohnblöcke und eine Seniorenresidenz. Je nach Planung handle es sich um bis zu 500 Wohnungen, investieren will die Firma einen dreistelligen Millionenbetrag. Tamax-Chef Kai-Uwe Tank argumentiert mit einer Abwägung zwischen „einigen wenigen Privilegierten“, den Kleingärtnern, auf der einen und vielen potenziellen Bewohnern auf der anderen Seite. Auf dem angespannten Markt könne neuer Wohnraum geschaffen und der Standort Babelsberg nachhaltig weitergedacht und aufgewertet werden. „Wir sind der Meinung, dass die positiven Effekte einer solchen Entwicklung eindeutig überwiegen und dem Interesse breiter Potsdamer Bevölkerungsschichten entsprechen“, so Tank. Früher oder später könne sich eine „politische Willensbildung in diese Richtung einstellen“.
Die Planungshoheit liegt aber bei der Stadt – und deren Kleingartenentwicklungskonzept sieht einen dauerhaften Erhalt als Kleingärten vor. Die Baulandentwicklung sei, so eine Stadtsprecherin, „zum gegenwärtigen Zeitpunkt reine Spekulation, denn einen Bebauungsplan für das Areal gibt es nicht“. Für die Gärtner, die ihre Parzellen nun räumen sollen, ändert das derzeit aber nichts.
HANS-SACHS-STRASSE
Die Kolonie an der Hans-Sachs-Straße steht derzeit im Portal „Ebay-Kleinanzeigen“ zum Verkauf – was diverse Fragen aufwirft. Die Eigentümer, nach PNN-Informationen ein Paar aus Berlin, wollen das Gelände nun für 650 000 Euro verkaufen. Auch ein separater Parzellenverkauf sei möglich, für je 35 000 Euro. Alle Unterpachtverträge seien, unter anderem wegen rechtswidriger Bebauung der Gärten, gekündigt und bei Gericht rechtsanhängig, heißt es in der Anzeige.
Doch stimmt diese Begründung? Fakt ist, dass es zwischen Eigentümern und dem ansässigen Kleingartenverein schon seit längerem Streit gibt. Bereits im Dezember hatte die Stadtverwaltung auf PNN-Anfrage bestätigt, dass „verschiedenste privatrechtliche Streitigkeiten zwischen den Eignern der Flächen und den Nutzern der Gartenparzellen geführt werden“. Es habe mehrere Ortsbesichtigungen geben, um die Lage zu befrieden. Hierbei hätten sich die von der Eigentümerseite „behaupteten flächendeckenden Missstände und Vorwürfe nicht bestätigt“, so die Stadtverwaltung damals. Vielmehr entspreche die Mitte der 1980er-Jahre errichtete Anlage „im Wesentlichen“ den damals erteilten Genehmigungen. Einzig zwei Lauben seien ohne Genehmigung und zu hoch errichtet worden – diese müssten zurückgebaut werden. In einem Fall sei dazu ein Widerspruch anhängig, teilte die Stadt aktuell mit.
Die Eigentümer bieten auch das "Plantagenhaus" zum Kauf an
Angesichts der bemerkenswerten Begründung für den Verkauf der Kleingärten wird die Offerte genau beobachtet. Allerdings sehe man, da das Areal als Kleingartenanlage eingetragen sei, bei einem Eigentümerwechsel keine Bedenken, sagte ein VGS-Sprecher. Zugleich betonte er entgegen dem Anzeigentext: „Es gibt gültige Verträge zur Nutzung der Gärten.“
Noch etwas verwundert an dem Gartenangebot – es steht nicht allein. Der gleiche Anbieter verkauft in einer weiteren Anzeige bei Ebay Gartenland in Potsdam-West und dazu den sanierungsbedürftigen Gebäudekomplex des ehemaligen Forsthauses „Plantagenhaus“ in der Heinrich-Mann-Allee 93 – im Gesamtpaket für 1,5 Millionen Euro. Das denkmalgeschützte Gebäude hatte das Land veräußert (PNN berichteten). Das Eigentümerpaar – darunter ein früherer Eishockeyspieler aus Berlin – war am Freitag nicht zu erreichen, hatte sich zu Pressefragen aber auch in der Vergangenheit nicht geäußert.
SPARTE SÜD-WEST
Die Zukunft der Kleingartensparte Süd-West ist nach jahrelangen Auseinandersetzungen geklärt: Zwei Drittel der 120 Gärten am Horstweg werden erhalten, auf einem Drittel möchte der Eigentümer, die Firma „Wohnen in den Obstgärten“ bauen. Einen Fünfgeschosser mit 100 Wohnungen plant Unternehmenschef Alfons König. Grundlage für diesen Kompromiss, den die Stadtverordneten Ende Januar abgesegnet hatten, war auch hier ein Gerichtsurteil, demzufolge der VGS keinen rechtmäßigen Pachtvertrag hat.
Kleingartenverband hat den Verein Süd-West verklagt
Doch diese Woche erhielt der Verein Süd-West Post: Der VGS hat ihn verklagt und fordert Mitgliedsbeiträge und Pachtzahlungen in Höhe von 8500 Euro für das Jahr 2017 nach. „Dabei haben wir bereits Pacht an Alfons König bezahlt“, sagt der Vereinsvorsitzende, Alexander Schulze. Das Schreiben erhielt er wenige Tage nach dem Brief des VGS, in dem er die Mitglieder über seine desolate Finanzlage informiert. „Der VGS scheint mit allen Mitteln zu versuchen, jeden Cent einzutreiben“, so Schulze. Sein Verein überlege nun seinerseits, den VGS zu verklagen und die „unrechtmäßig eingezogene Pacht und Mitgliedsbeiträge der letzten zehn, 15 Jahre zurückzufordern“.
SPARTE KLEIN-SANSSOUCI
Durch eine Enteignung des Eigentümers wollte die Stadt 2015 den Erhalt der Kleingartensparte Klein-Sanssouci in der Lennéstraße sichern. Dem konnte der Besitzer entgehen: Er wies einen Pachtvertrag mit dem neu gegründeten Kleingartenverein Lennégärten vor, dessen „kleingärtnerische Gemeinnützigkeit“ die Stadt 2017 anerkannte. Pikant ist aber, dass der Verein bisher nur wenige Mitglieder hat, wie eine Stadtsprecherin auf Anfrage bestätigt – darunter auch der Eigentümer selbst, bisher aber keine Kleingärtner. „Das ist eine ungewöhnliche Konstellation, aber nicht verboten“, so die Sprecherin. Für die Gärtner des früheren Vereins Klein-Sanssouci ist eindeutig, dass der Eigentümer durch einen „Scheinverein“ in „offensichtlicher Weise das Bundeskleingartengesetz umgehen will“. (mit pee)
- bbbbbb
- Brandenburg neu entdecken
- Charlottenburg-Wilmersdorf
- Content Management Systeme
- Das wird ein ganz heißes Eisen
- Deutscher Filmpreis
- Die schönsten Radtouren in Berlin und Brandenburg
- Diversity
- Friedrichshain-Kreuzberg
- Lichtenberg
- Nachhaltigkeit
- Neukölln
- Pankow
- Reinickendorf
- Schweden
- Spandau
- Steglitz-Zehlendorf
- Tempelhof-Schöneberg
- VERERBEN & STIFTEN 2022
- Zukunft der Mobilität