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Kann jetzt weg. Nach dem Gerichtsurteil zum Bürgerbegehren steht einem Abriss der alten Fachhochschule (l.) und der Ausschreibung der Grundstücke für eine Neubebauung nichts mehr im Wege. Selbst eine Berufung beim Oberverwaltungsgericht hätte wohl keine aufschiebende Wirkung.
© Sebastian Gabsch

Bürgerbegehren zur Potsdamer Mitte ist unzulässig: Die Suggestion des Unmöglichen

Das Bürgerbegehren zur Potsdamer Mitte ist laut Gericht unzulässig, weil es an den Realitäten vorbeigeht. Das alte Fachhochschulgebäude am Alten Markt kann nun abgerissen werden.

Potsdam - Die letzte Hürde für die weitere Entwicklung der Potsdamer Mitte ist genommen. Das Verwaltungsgericht Potsdam lehnte am Donnerstag eine Klage der Bürgerinitiative „Potsdamer Mitte neu denken“ ab, das im vergangenen Jahr durchgeführte und von den Stadtverordneten letztlich abgelehnte Bürgerbegehren doch zuzulassen. Damit ist der Weg für den geplanten Abriss der Fachhochschule (FH) am Alten Markt im Herbst dieses Jahres ebenso frei wie die Ausschreibung der ersten Grundstücke, die dann in historischer Stadtstruktur und teils auch mit historischen Fassaden neu bebaut werden sollen. „Das bestätigt unsere Sichtweise und die Entscheidung durch die Stadtverordnetenversammlung“, sagte Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD). Die Bürgerinitiative hingegen zeigte sich enttäuscht. Ob man beim Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg Berufung einlege, werde man aber erst entscheiden, wenn die schriftliche Urteilsbegründung vorliege, sagte BI-Sprecher André Tomczak.

Allzu viel spricht allerdings nicht dafür, dass sie es tut. Zum einen riskiert die Initiative weitere Gerichtskosten – schon für diese Verhandlung werden nach Berechnungen des städtischen Rechtsamtes fast 3000 Euro fällig. Viel schwerer dürften jedoch die Argumente des Gerichts wiegen, das in seiner Urteilsbegründung die einzelnen Punkte des von der BI ersonnenen Fragenkomplexes ebenso akribisch wie gnadenlos zerpflückte.

Fragestellung erfüllt relevante Bedingungen nicht

Zentraler Punkt der Verhandlung war, ob die Form der Fragestellung die in der Kommunalverfassung festgeschriebenen Voraussetzungen für ein Bürgerbegehren erfüllt oder nicht. Die Antwort fiel eindeutig aus: Sie tut es in praktisch keiner der relevanten Bedingungen. Für ein erfolgreiches Bürgerbegehren sei es nötig, dass den Unterzeichnern klar sei, worüber genau sie abstimmen, sagte der Vorsitzende Richter Volker Deppe. Dafür seien aber die Fragen viel zu unbestimmt formuliert. Den Bürgern sei stattdessen suggeriert worden, sie könnten mit ihrer Stimme den geplanten Abriss der FH, des Staudenhof-Wohnblocks und des Mercure-Hotels verhindern. Dies sei aber schon aus rechtlichen Gründen gar nicht möglich, sagte Deppe zur Begründung.

Bereits während der Verhandlung waren die zahlreichen Beschlüsse der Stadtverordnetenversammlung zur Entwicklung der Potsdamer Mitte zur Sprache gekommen, die zurück bis 1990 reichen, bis zum Grundsatzbeschluss zur behutsamen Wiederannäherung an den historischen Stadtgrundriss, auf dem seitdem alle Entwicklungen aufbauen. Das Ansinnen des Begehrens stehe im Widerspruch zu diesen Beschlüssen, sagte der Richter.

Bürgerbegehren erwecke den Eindruck, dass Verkauf der Mitte-Grundstücke noch abgewendet werden können

Zudem sei bei den Bürgern fälschlicherweise die Vorstellung geweckt worden, sie könnten einen Verkauf der Mitte-Grundstücke noch abwenden. Dem stünden aber ebenfalls „erhebliche rechtliche Hindernisse entgegen“, so Deppe. Gleiches gelte für vom Land etwa für den FH-Abriss zugesagte Fördermittel. Das Bürgerbegehren erwecke den Eindruck, dass dieses Geld stattdessen für den Erhalt der DDR-Gebäude auf dem Areal verwendet werden könnte. Dies sei aber unmöglich, weil Fördermittel zweckgebunden seien und nicht für dem eigentlichen Sanierungsziel entgegenstehende Vorhaben eingesetzt werden dürften. Schließlich fehle in dem Bürgerbegehren auch ein ausreichender Kostendeckungsvorschlag für die von der Initiative formulierten Ziele. So hätten die Bürger etwa darauf hingewiesen werden müssen, dass bei einer weiteren Nutzung beispielsweise der FH an dem Gebäude dringender Sanierungsbedarf bestehe, sagte der Richter.

Die Stadtverwaltung reagierte erleichtert und schlug gegenüber der BI versöhnliche Töne an. Das Bürgerbegehren habe eine Menge bewirkt, sagte Stadtplanungschef Andreas Goetzmann. Wesentliche Teile des im vergangenen Herbst von den Stadtverordneten beschlossenen Kompromisses zur Mitte wären ohne das Begehren nicht möglich gewesen.

Mindestens 15 Prozent Sozialwohnungen sind geplant

Wie berichtet hatten sich die Stadtverordneten darauf verständigt, die Pläne für den Kauf und Abriss des Mercure-Hotels auf Eis zu legen. Zudem soll das Grundstück des Staudenhof-Wohnblocks nicht verkauft, sondern von der Eigentümerin Pro Potsdam selbst entwickelt werden – als Karree in historischer Stadtstruktur, überwiegend mit Sozialwohnungen. Auch in den beiden Karrees, die anstelle der FH entstehen sollen, will man Bieter bevorzugen, die preisgünstigen Wohnraum schaffen: Mindestens 15 Prozent Sozialwohnungen sind geplant.

Auch Linke-Fraktionschef Hans-Jürgen Scharfenberg verwies gestern auf diesen Kompromiss, an dem die Linke maßgeblich beteiligt war. Zwar bedauere er, dass das Bürgerbegehren eine solche rechtliche Bewertung gefunden habe, sagte er den PNN. Das Urteil zeige aber auch, wie wichtig es gewesen sei, den Kompromiss zu schließen, in dem sich „wesentliche Anliegen“ des Begehrens wiederfänden. Weniger versöhnlich gab sich SPD-Fraktionschef Pete Heuer. Die Initiatoren des Begehrens hätten „mit der trickreichen und unklaren Abfassung des Wortlauts“ der Demokratie „einen Bärendienst erwiesen“, sagte er. Spätestens seit der Eröffnung des Palais Barberini sei klar, dass der Wiederaufbau der Potsdamer Mitte von vielen Potsdamern nicht nur akzeptiert, sondern geliebt werde.

Erfreut reagierte der kommunale Sanierungsträger, der die Entwicklung der Mitte im Auftrag der Stadt koordiniert. Das Urteil sei „ein wichtiger Meilenstein“ für die weiteren Planungen, so eine Sprecherin. Man werde nun „zeitnah“ das Interessenbekundungsverfahren starten, bei dem über die Vergabe der Grundstücke des sogenannten Blocks III entschieden wird. Um dieses dem Alten Markt zugewandte Karree wollen sich auch mehrere Genossenschaften bewerben.

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Grämen muss sich die Initiative "Potsdamer Mitte neu denken" nicht, sie hat trotzdem viel erreicht. Ein Kommentar >>

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