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Das Hotel Mercure soll stehenbleiben.
© A. Klaer

Kompromiss im Streit um Potsdams Mitte: Mercure soll bleiben, Fachhochschule und Staudenhof sollen fallen

Oberbürgermeister Jann Jakobs ringt mit der Rathauskooperation und Opposition um einen Kompromiss zur Potsdamer Mitte. Doch was wird dann aus dem Bürgerbegehren?

Potsdam - Im Konflikt um das Herz der Stadt könnte eine versöhnliche Lösung gefunden werden. Nach PNN-Recherchen soll bei der heutigen Stadtverordnetenversammlung eine Art Deal zur Potsdamer Mitte abgeschlossen werden – einvernehmlich und von einer breiten Mehrheit. Demnach sollen Fachhochschule und Staudenhof-Wohnblock fallen, das Mercure aber stehenbleiben. Die PNN geben Antworten auf die wichtigsten Fragen.

Wie stehen die Einigungschancen?

Offenbar gut. Nach PNN-Informationen finden seit einigen Tagen hinter den Kulissen Absprachen statt, weil Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) für sein Kompensationsangebot zur Mitte möglichst auch die Stimmen der Linken haben will – und nicht nur die der Rathauskooperation aus SPD/CDU/ANW und Grünen. Angesichts der vielen Unterschriften für das Bürgerbegehren wird Jakobs vorschlagen, auf den Grundstücken von Fachhochschule (FH) und Staudenhof vor allem Sozialwohnungen unterzubringen – und das sollen auch die Linken mittragen. Damit hofft er den in den vergangenen Monaten immer erbitterter geführten Streit zur Entwicklung der Flächen rund um den Alten Markt zu befrieden.

Die Linken jedenfalls haben inzwischen ihre Forderungen in entsprechende Änderungsanträge für die heutige Sitzung des Stadtparlaments formuliert, wie Linke-Fraktionschef Hans-Jürgen Scharfenberg am Dienstag auf PNN-Anfrage sagte. Unter anderem solle kenntlich gemacht werden, dass die Stadt keine Bemühungen mehr zum Kauf des Mercure mit dem Ziel des Abrisses unternimmt. Die Hotel-Frage solle „künftigen Generationen vorbehalten werden“, so ein Formulierungsvorschlag der Linken. Eine andere Situation entstehe nur dann, wenn der jetzige Eigentümer das Hotel nicht mehr im derzeitigen Zustand weiterbetreiben wolle, schränkte Scharfenberg ein.

Im Klartext: Sollte der Eigentümer, die französische Holding FDM Management, irgendwann doch einmal der Stadt das derzeit noch völlig intakte Haus anbieten oder es umwidmen wollen, könnten noch Gespräche stattfinden, auch zu einem Abriss. Zugleich würden die beschlossenen Sanierungsziele für den Lustgarten – inklusive dessen ohnehin geplanter Umgestaltung, langfristig ohne Hotel – erhalten bleiben. Mündlich hat Oberbürgermeister Jakobs zuletzt bereits zugesagt, das Mercure-Hotel solle „erst mal“ stehen bleiben. In seinem vorgelegten Mitte-Paket findet sich zu diesem Punkt aber noch keine genaue Formulierung. Scharfenberg sagte den PNN, die Forderungen der Linken seien Kompromissvorschläge: „Auch wir bewegen uns.“ So sei für die Linke unter gewissen Umständen ein Abriss des Staudenhofs denkbar – aber nur, wenn mindestens die gleiche Kapazität an Sozialwohnungen entstehe und der Nachweis geführt werde, „dass die wirtschaftlichen Vorteile eines Neubaus gegenüber einer Sanierung überwiegen“. Auch diese Bedingung wolle er in dem Kompensationsangebot festschreiben lassen, sagte Scharfenberg.

Zugleich verzichtet die Linke auf die Forderung nach einem vollständigen Erhalt des maroden Gebäudes der FH. Hier soll einzig geprüft werden, ob und wie Teile der FH erhalten und mit einer öffentlichen Funktion versehen werden können. Hier hatte die Stadt schon in der Vergangenheit abgewinkt. Zugleich wollen die Linken explizit eine Privilegierung für das Angebot von Potsdamer Genossenschaften erreichen, eins der zwei neuen Wohn- und Geschäftskarrees anstelle der FH zu bauen. Geprüft werden soll, ob die Investoren für diese Gebäude auf dem einstigen Stadtgrundriss auch ein Erbbaurecht erhalten können – oder ob die Stadt wirklich ihre Flächen an dieser Stelle der Potsdamer Mitte verkaufen muss. Offiziell wollte am Dienstag noch niemand eine Einigung bestätigen, auch weil wegen der komplexen wie emotionalen Problematik ein Scheitern der Gespräche in letzter Sekunde nicht ausgeschlossen wird. Denn Jakobs muss eben auch auf Befindlichkeiten in der Rathauskooperation achten. Hinter vorgehaltener Hand hieß es aus der Kooperation aber wohlwollend, einige Forderungen der Linken seien durchaus bedenkenswert. Nach dem Scheitern der Gespräche zum Hotel-Kauf gebe es an dieser Stelle ohnehin kaum Spielraum in den kommenden Jahren. Zuletzt noch hatten Pläne für Aufsehen gesorgt, wonach die kommunale Bauholding Pro Potsdam im Fall eines Verkaufs als Hotel-Betreiber fungieren sollte.

Was wird mit dem Bürgerbegehren?

Auslöser für die Bemühungen von Jakobs um eine gütliche Lösung ist auch das von knapp 15 000 Potsdamern unterschriebene Bürgerbegehren zum Erhalt von DDR-Bauten mit Hilfe eines Verkaufsstopps für Mitte-Grundstücke. Dieses Begehren will die Stadtverwaltung heute als unzulässig erklären lassen, ein Bürgerentscheid zu einem von der Stadt vehement abgelehnten Verkaufsstopp wäre dann nicht mehr möglich. Die Initiatoren des Begehrens versuchen jetzt allerdings den Druck zu erhöhen: Die Initiative „Potsdamer Mitte neu denken“ veröffentlichte am Dienstag die Kurzzusammenfassung eines von ihr in Auftrag gegebenen Rechtsgutachtens. Das Begehren sei demnach entgegen der Auffassung von Oberbürgermeister Jakobs rechtskonform, heißt es in der Expertise des Potsdamer Baurechtlers Christian-W. Otto, der als Professor das Fachgebiet Bau-, Planungs- und Umweltrecht an der Technischen Universität Berlin leitet. Er war einer der Beteiligten am 2007 erschienenen Bericht des Baujuristen Ulrich Battis, der den Potsdamer Bau- und Denkmalbehörden ein verheerendes Zeugnis ausgestellt hatte.

In seiner neuen Expertise für die Initiative kommt Baurechtler Otto nun zu dem Schluss: Die Einwände der Stadt gegen das Begehren „beruhen auf unzutreffenden, teilweise sinnenstellenden Unterstellungen“. Wie berichtet sollen die Stadtverordneten heute die Sicht von Jakobs und des Rechtsamts absegnen, dass das Bürgerbegehren aus mehreren Gründen unzulässig sei. Unter anderem fehle ein ausreichender Deckungsvorschlag für die entstehenden Folgekosten, so ein Argument. Ebenso verstoße das geforderte Veräußerungsverbot gegen das im Sanierungsgebiet Potsdamer Mitte geltende Gebot zur Privatisierung, erklärte das Rathaus, das sich ebenso externen Rechtsbeistand geholt hatte (PNN berichteten). Laut der Zusammenfassung seines Gutachtens sieht Baurechtler Otto diese und andere Bedenken als nicht stichhaltig an. Wie der Baujurist aber zu diesen Einschätzungen kommt, geht aus der Zusammenfassung des Gutachtens aber nicht hervor.

Die komplette Expertise will die Initiative erst am Donnerstag vorstellen. Es gehe nur erst einmal darum, dass die Stadtverordneten die Unzulässigkeit des Bürgerbegehrens ablehnten, hieß es aus der Initiative zur Begründung. Kühl reagierten Vertreter der Rathauskooperation. SPD-Fraktionschef Pete Heuer sagte, er halte die Auffassung der Verwaltung für derzeit glaubwürdig, solange nicht andere Argumente detailliert bekannt gemacht würden. „Am Donnerstag ist es zu spät“, so Heuer. Denn laut Kommunalverfassung müsse über Bürgerbegehren unverzüglich entschieden werden. CDU/ANW-Fraktionschef Matthias Finken sprach von „Effekthascherei“ und „Hinhaltetaktik“.

Update 14. September, 16.58 Uhr: Die Stadtverordneten haben abgestimmt: Das Begehren ist nicht zulässig >>

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