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Fachhochschule und Stadtschloss. Der markante DDR-Bau soll abgerissen werden, die neue Bürgerinitiative will ihn – und den Kontrast – erhalten.
© Andreas Klaer

Historische Mitte in Potsdam: Das kann nicht weg

Nebeneinander statt Gegeneinander: Die neue Bürgerinitiative „Potsdamer Mitte neu denken“ will keine weitere Annäherung an den historischen Stadtgrundriss. Die DDR-Moderne soll bleiben.

Potsdam - In der Debatte um das Gesicht der Potsdamer Mitte und die Stadtentwicklung gibt es einen neuen Mitspieler: Die Initiative „Potsdamer Mitte neu denken“. Initiatoren sind Architekten wie Günter zur Nieden, außerdem Kunsthistoriker, Architekturjournalisten und Vertreter der vor einigen Jahren ins Leben gerufenen „Metropolar“-Initiative, die sich der Würdigung der Architektur der Ostmoderne verschrieben hat. Das Netzwerk hat sich im Februar zusammengefunden, sagt Sprecher André Tomczak. Das erklärte Ziel: die von den Stadtverordneten vor 25 Jahren beschlossene Annäherung an den historischen Stadtgrundriss wieder zur Debatte zu stellen.

„Wir wollen letztlich den Nachweis erbringen, dass der behutsame Teil dieser Annäherung abgeschlossen ist“, sagt Tomczak, der selbst Kunsthistoriker ist und sich auch bei der Kulturlobby, einem Netzwerk von Potsdamer Kreativen und Musikern, engagiert. „Alles, was jetzt kommt, bedeutet im Prinzip Kahlschlagsanierung.“

Bewusstsein für Potenziale schaffen

Das ist eine klare Ansage in Bezug beispielsweise auf die Fachhochschule am Alten Markt, die bereits dem Abriss geweiht ist – aber auch eine Stellungnahme in der Diskussion um die Zukunft des Lustgartens, wo die Stadt bekanntlich langfristig den Abriss des Hotels „Mercure“ anstrebt – auch wenn bislang noch unklar ist, mit welchem Geld er geschehen soll, denn das Hotel gehört der Stadt bislang nicht. Man wolle eine Diskussion über die bereits gefallenen politischen Entscheidungen, dort öffentliche Flächen für die Privatisierung freizugeben, erklärt Tomczak: „Wir wollen ein Bewusstsein schaffen für die Potenziale, die da verschwinden sollen.“

Die neue Initiative positioniert sich damit auch als Gegenstimme zur Bürgerinitiative „Mitteschön“, die sich für den historischen Stadtgrundriss starkmacht und beispielsweise den Wiederaufbau der Garnisonkirche befürwortet – und wagt sich auf ein Potsdamer Schlachtfeld der Meinungen, bei dem die Fronten so verhärtet sind, dass eine sachliche Auseinandersetzung oft kaum noch möglich scheint – wie im Fall Wiederaufbau der Garnisonkirche. Zu welch ergebnislosen Stellungskämpfen es dabei immer wieder kommt, war zuletzt beim Bürgerdialog zur Zukunft der Plantage zu beobachten. Ein sachlicher Austausch scheiterte schon beim ersten Treffen, der Dialog wird nun erstmal hinter verschlossenen Türen als Mediation zwischen den einzelnen Initiativen geführt.

Keine Annäherung an historisches Stadtgebiet

Wie „Mitte neu denken“ diese Situation aufbrechen oder die Frontenbildung umgehen will? „Wir wollen gar nicht mit fertigen Entwürfen oder Gestaltungsideen reingehen, sondern ein Bewusstsein dafür schaffen, welches Potenzial noch da ist an öffentlichen Flächen“, erklärt Sprecher Tomczak. Es gehe darum, die Situation in Potsdam bewusst zu machen.

Auf ihrer Internetseite stellen die Aktivisten ihre Anliegen übersichtlich dar. Die geplante historisierende Annäherung an das im Zweiten Weltkrieg zum Teil zerstörte Stadtbild – von den Stadtverordneten beschlossen und unter anderem im sogenannten Leitbautenkonzept festgehalten – lehnen sie ab, weil sie das „für nicht zukunftsfähig“ halten, sowohl in Struktur, Stadtgrundriss als auch in der Formensprache. Die wechselvolle Geschichte der Stadt müsse mit allen Brüchen sichtbar bleiben, fordert die Initiative stattdessen: „Potsdam soll eine Stadt sein, die zu ihrer Geschichte steht und die alle Epochen, die sie städtebaulich geprägt haben, einbezieht und weiterdenkt.“

Aus dieser Position heraus wünscht sich die Initiative „einen behutsamen Umgang mit allen baulichen Zeugnissen“ – aus der Vorkriegszeit, aber auch der Nachkriegszeit und der Nachwendezeit. Das „Nebeneinander von Tradition und Nachkriegsmoderne“ sei kein Nachteil, sondern „die Voraussetzung für den fruchtbaren Dialog“.

Symposium am 5. September

Um diesen Dialog ins Rollen zu bringen, plant die Initiative ein Symposium am 5. September, wie Sprecher Tomczak erklärt. Dann soll es beispielsweise Vorträge und thematische Führungen zur Nachkriegsmoderne geben. In Sachen Stadtentwicklung soll aber auch der Blick auf andere Städte geworfen werden. Momentan treffen sich die Initiativ-Mitglieder regelmäßig alle zwei Wochen.

Fünf Innenstadtbereiche hält die Initiative für besonders wichtig: Das Areal rund um den Staudenhof mit der Fachhochschule, den Lustgarten, die Plantage am ehemaligen Standort der Garnisonkirche an der Breiten Straße, das Zentrum Süd rund um die Burgstraße und das Gebiet rund um die Neustädter Havelbucht – der Brauhausberg mit dem ehemaligen Terrassenrestaurant „Minsk“, auf dem derzeit das neue Schwimmbad gebaut wird, fehlt dagegen.

Am Alten Markt plädiert die Initiative klar für den Erhalt der Fachhochschule: Im Kontrast mit dem historisierenden Landtagsschloss sei dort „ein zeitgemäßer städtischer Raum zwischen moderner Struktur und Barock“ entstanden – das müsse weitergestaltet werden. Es biete sich die Chance, „die lebendige Zentrumsfunktion eines öffentlichen innerstädtischen Bildungs- und Kulturzentrums auszubauen“: Innen- und Außenräume für Dialog und Beteiligung, Wissensvermittlung, kreative Produktion und Präsentation könnten dort entstehen, schlägt die Initiative vor.

Neue Käufer stehen schon in den Startlöchern

Im Rathaus und beim Sanierungsträger der städtischen Pro Potsdam wird man solche Überlegungen nicht gern hören: Aus den Grundstücksverkäufen in der Potsdamer Mitte rechnet der Sanierungsträger schon ab diesem Jahr mit Einnahmen in Millionenhöhe. Wie berichtet ist der Abriss der Fachhochschule seit Langem geplant – verschoben wurde er bisher nur, weil das Land mit den Fachhochschul-Neubauten am Campus Pappelallee nicht so schnell vorankam wie ursprünglich vorgesehen.

Wie berichtet will der Sanierungsträger Anfang September mit der Ausschreibung erster Grundstücke in der Friedrich-Ebert-Straße beginnen – und auf der Immobilienmesse Expo Real in München mögliche Käufer dafür werben. Diese stünden schon in den Startlöchern, hieß es. Auch die Bürgerinitiative „Mitteschön“ hatte sich schon zu Wort gemeldet und für das Areal zwischen Friedrich-Ebert-Straße und Altem Markt unlängst die möglichst originalgetreue Rekonstruktion des Ensembles gefordert. Mitteschön spricht sich für eine Gestaltungssatzung mit klaren Vorgaben für künftige Investoren aus.

So scheint eine Debatte, die bereits von der Stadtpolitik Festgelegtes noch einmal infrage stellt, gar umdreht, eher unwahrscheinlich. Doch aussichtslos, das wissen allein die „Mitteschön“-Streiter gut, ist Bürgerengagement in Potsdam nie.

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