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Die Mitarbeiter des Bergmann-Klinikums erhalten bald mehr Geld.
© Andreas Klaer
Update

Mehr Geld und Corona-Prämie: Bergmann-Klinikum zahlt ab 1. Juni wieder nach Tarif

Ab dem 1. Juni sollen die Mitarbeiter des Potsdamer Bergmann-Klinikums besser bezahlt werden. Zudem wurde eine Corona-Prämie beschlossen. Oberbürgermeister Schubert spricht von finanzieller Herausforderung.

Potsdam - Die Mitarbeiter des Klinikums "Ernst von Bergmann" sollen nach einem Vorstoß von drei Potsdamer Stadtverordnetenfraktionen besser bezahlt werden. Wie berichtet hat sich diese Woche die rot-grün-rote Rathauskooperation darauf verständigt, die Forderungen des Bürgerbegehrens für tarifgerechte Löhne ab dem 1. Juni und bessere Arbeitsbedingungen zu übernehmen - dazu kommen 900.000 Euro extra für eine 500-Euro-Extraprämie für alle Angestellten in der Coronakrise

Ihren Vorstoß stellten die Bündnispartner am Donnerstag vor Journalisten vor, mehrfach war dabei von einem Paradigmenwechsel die Rede – bekanntlich hatte das Klinikum und andere ostdeutsche Krankenhäuser die Tarifbindung 2006 fallen gelassen. 

Ein Vorstoß mit Signalwirkung

Insofern habe der Vorstoß auch Signalwirkung über Potsdam hinaus, sagte Verdi-Gewerkschaftssekretär Torsten Schulz bei der Pressekonferenz: "Wir finden, die Entscheidung der Stadtverordneten kommt zum genau richtigen Zeitpunkt. Wir erwarten, dass Geschäftsführung und Kommunaler Arbeitgeberverband nun zügig das Gespräch mit uns suchen, um den Überleitungsprozess zu gestalten." Betriebsratsvorsitzende Sabine Bülth sagte, sie hätte sich von der Politik schon vor Jahren solch eine Entscheidung gewünscht. 

Derzeit bestehen nach Angaben der Gewerkschaft Verdi in der Bergmann-Klinikgruppe Haustarifverträge mit unterschiedlicher Qualität. Bis zu 40 Prozent würden manche Beschäftigte unter Tarif bezahlt werden, hieß es. Die Stadt hatte bereits mit Kosten in Höhe von knapp 13 Millionen Euro pro Jahr kalkuliert – die das Klinikum nicht allein schultern wird können. Daher werde es „städtische Zuführungen im größeren Rahmen“ geben müssen, sagte etwa SPD-Fraktionschef Daniel Keller

Nachtragshaushalt wegen Coronakrise

Zur Frage, warum das erst jetzt möglich sei, verwies er auf die seit der letzten Kommunalwahl veränderten Mehrheitsverhältnisse im Stadtparlament - zuvor hatten SPD, CDU und Grüne über Jahre die Stadt regiert. Wie man das im Haushalt der Stadt darstellt, werde man im Herbst beraten, sagte Grünen-Fraktionsvorsitzende Janny Arrmbruster – dann muss die Stadt wegen sinkender Steuereinnahmen im Zuge der Coronakrise voraussichtlich einen Nachtragshaushalt auflegen. 

Dabei setze man auch darauf, dass im Zuge der Krise die Krankenhausfinanzierung in Deutschland neu geregelt werde, sagte Linke-Fraktionschef Stefan Wollenberg. Keller wiederum sagte auf Nachfrage, die 900 000 Euro Bonusszahlung werde aus „finanzwirksamen Haushaltsrücklagen“ der Stadt bezahlt. Verdi-Mann Schulz lobte, es würden nun auch "verbindliche Regelungen zur Personalbesetzung im Krankenhaus" geschaffen - wie schon lange von der Gewerkschaft gefordert, die allerdings nur zehn Prozent der Klinikbeschäftigten als Mitglieder führt. 

Vorschlag soll Anfang Mai beschlossen werden

Der Vorschlag soll von den drei Fraktionen am 6. Mai in der Stadtverordnetenversammlung, in der sie eine Mehrheit haben, beschlossen werden. Auch andere Fraktionen könnten sich noch beteiligen, so Wollenberg. Laut Antrag sollen schon zum 1. Juni 2020 die Arbeitsbedingungen des Tarifvertrages des öffentlichen Dienstes für alle Beschäftigten der klinischen Bereiche wie auch in jenen Tochterunternehmen gelten, bei denen die Stadt Potsdam alleiniger Gesellschafter ist. Auch eine Einsatzprämie für besondere Arbeitsbedingungen während der Corona-Pandemie von 500 Euro soll an die Klinikbeschäftigten gezahlt werden. „Als öffentlicher Träger setzen wir somit ein Zeichen in Richtung Tarifbindung“, sagte SPD-Fraktionschef Keller. Die unbefriedigenden Arbeitsbedingungen hätten die Mitarbeiter seit Jahren unter anderem mit Demonstrationen an den Pranger gestellt, hieß es von Verdi. Die Entscheidung komme zum richtigen Zeitpunkt. 

Klares Zeichen gesetzt

Das Klinikum war in den vergangenen Wochen wegen einer Häufung von Corona-Infektionen in die Kritik geraten. Seit 1. April gilt ein Aufnahmestopp für neue Patienten außer Notfällen. Am vergangenen Wochenende räumte die Geschäftsführung des Klinikums erstmals Fehler ein. Bei der Klinikgruppe Ernst von Bergmann arbeiten insgesamt knapp 4500 Beschäftigte, etwa 2300 Mitarbeiter arbeiten im Klinikbereich, weitere 2200 Beschäftigte in den neun Tochtergesellschaften. Auch jenseits der Aufarbeitung des Coronaaussbruchs ist der Vorstoß auch ein klares Zeichen für die Zeit nach der Ära von Klinikumschef Steffen Grebner, der über Jahre auch die ohne Tarifbindung erfolgte Bezahlung am Klinikum vor allem aus finanziellen Gründen verteidigt hatte. 

Grebner wurde wie auch die medizinische Geschäftsführerin Dorothea Fischer von Potsdams Oberbürgermeister Mike Schubert (SPD) beurlaubt. Das teilte der Rathauschef am späten Donnerstagnachmittag mit. Zur geplanten Tarifrückkehr des Klinikums sagte Schubert, dies werde auch für die Stadt eine große finanzielle Herausforderung. „Man kann diese Entscheidung als Stadt treffen.“ Es gehe aber um Gesamtkosten in Höhe von 13,7 Millionen Euro. Allerdings komme nun die wirtschaftliche Zusatzbelastung durch die Schließung und die Coronakrise hinzu. Gleichwohl wisse er, dass sich die rot-grün-rote Rathauskooperation diesen Beschluss nicht leicht gemacht habe. 

Indes zeigten sich die Initiatoren des Bürgerbegehrens zum Klinikum erleichtert. In einem Twitter-Tweet hieß es in Richtung der Rathauskooperation: "Na endlich habt ihr es verstanden, hat aber auch ein wenig gedauert! Wir freuen uns, aber den Weg haben andere bereitet! Trotzdem schön, dass ihr nun zustimmt. Hoffentlich erinnert ihr Euch nach Corona noch daran!" (mit dpa)

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