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Mitarbeiter des Klinikums "Ernst von Bergmann" auf der Covid-Station.
© Andreas Klaer

Bergmann-Klinikum in Potsdam: Tariflohn kommt erst in einigen Wochen

Potsdams Stadtverordnete haben die Tarifrückkehr des kommunalen Klinikums zum 1. Juni beschlossen. Doch bis zur Zahlung höherer Gehälter dauert es noch - und die Interimschefs warnen vor einer finanziellen Schieflage.

Potsdam - Das kommunale Klinikum „Ernst von Bergmann“ wird nicht ab dem 1. Juni Tariflöhne an die Mitarbeiter des Krankenhauses und der Tochtergesellschaften auszahlen. Die Anpassung der Gehälter werde jedoch rückwirkend erfolgen, teilte das Klinikum auf PNN-Anfrage mit. „Wir garantieren den 1. Juni als Tag der Anpassung“, so die Interimschefs Tim Steckel und Hans-Ulrich Schmidt. Ausgezahlt werde „nach Abschluss der nötigen Vorbereitungsmaßnahmen, die jedoch einige Wochen in Anspruch nehmen werden“, so das Klinikum.

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Potsdams Stadtverordnete hatten am 6. Mai die Rückkehr des Klinikums in den Kommunalen Arbeitgeberverband (KAV) und somit die Tarifrückkehr zum 1. Juni 2020 beschlossen. Die Gewerkschaft Verdi forderte am Freitag, der Beschluss müsse jetzt umgehend umgesetzt werden. Doch bislang habe das Klinikum nicht einmal die KAV-Mitgliedschaft beantragt.

Dies bestätigte das Klinikum auf PNN-Anfrage. Man befinde sich in der technischen Umsetzung des Stadtverordnetenbeschlusses, die Geschäftsführung werde nach Weisungen des Gesellschafters – also des Oberbürgermeisters der Stadt Potsdam – voraussichtlich in der nächsten Präsidiumssitzung des Kommunalen Arbeitgeberverbandes die Mitgliedschaft beantragen. Derzeit laufe ein mit Oberbürgermeister Mike Schubert (SPD) abgestimmter Prüfprozess, der „unter anderem gesellschafts- und insolvenzrechtliche Fragestellungen“ beinhalte. Erste Ergebnisse dieses Prüfprozesses seien in der nichtöffentlichen Sitzung des Hauptausschusses am 27. Mai vorgestellt worden.

Klinikum "Ernst von Bergmann" in Potsdam.
Klinikum "Ernst von Bergmann" in Potsdam.
© Andreas Klaer

In dieser Sitzung hatten die Interimschefs vor einer Finanzkrise des Klinikums gewarnt, wenn der Beschluss zur Tarifrückkehr so umgesetzt wird und es keine oder nur eine geringe Kompensation aus der Stadtkasse dafür gibt. Die erhöhten Lohnkosten könnten nach einer Risikobetrachtung dazu führen, dass das Bergmann bis zum Jahr 2024 ein Defizit in Höhe von 34,4 Millionen Euro anhäuft, sollen die Interimschefs Steckel und Schmid die Stadtverordneten im Ausschuss gewarnt haben. Wenn der bereits bekannte Investitionsbedarf des Krankenhauses dennoch erfüllt werden solle, habe das kommunale Klinikum einen Zuschussbedarf von fast 70 Millionen Euro für die nächsten fünf Jahre, sollen die Geschäftsführer den Kommunalpolitikern vorgerechnet haben.

Zahlen aus der Gewinnrücklage? 

Nach PNN-Informationen soll Potsdams Kämmerer Burkhard Exner (SPD) bereits im Vorfeld faktisch ausgeschlossen haben, dass das Bergmann Geld aus der Stadtkasse bekommt. Es könne maximal eine Bürgschaft geben. Die SPD-Fraktion soll diesen Kurs von Exner unterstützen und von den Interimschefs einen Sanierungsplan für das Klinikum fordern. Außerdem verweisen SPD und Linke auf die Gewinnrücklage des Bergmann-Konzerns. Diese lag nach dem Geschäftsbericht des Klinikums Ende 2018 bei rund 50 Millionen Euro. Von diesem Geld sollen die Mehrkosten bezahlt werden, so die Meinung einiger Stadtverordneter. Andere befürchten einen Verschleiß des Hauses, es könne von Banken abhängig werden und nicht mehr investieren.

Das Klinikum teilte zu seinen Erwartungen an die Stadt am Freitag auf PNN-Anfrage mit: „Wir bauen darauf, dass die Stadt sich ihrer Verantwortung als Gesellschafter des Klinikums bewusst ist und zu ihrer Zusage steht, für die möglichen Folgen aus ihrer Entscheidung einzustehen.“

Tim Steckel (l.) und Hans-Ulrich Schmidt, Interims-Geschäftsführer des Klinikum "Ernst von Bergmann".
Tim Steckel (l.) und Hans-Ulrich Schmidt, Interims-Geschäftsführer des Klinikum "Ernst von Bergmann".
© Sören Stache / dpa

Klar ist: Die Interimschefs des Klinikums sind der Meinung, dass der Konzern eine Rückkehr in den Tarif zeitgleich für alle Mitarbeiter von Mutterhaus Klinikum und Tochtergesellschaften, so wie er jetzt Beschlusslage ist, ohne große Risiken für Insolvenzen von Tochtergesellschaften und Arbeitsplatzabbau wirtschaftlich nicht leisten könne. Alle für die Umsetzung nötigen Entscheidungen treffen Steckel und Schmid daher auf Weisung des Gesellschafters – und damit nicht in eigener Verantwortung, sondern als Ausführende. Die Verantwortung tragen die Stadtverordneten mit ihren Beschlüssen und der Gesellschafter.

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Das Klinikum wollte schon unter Führung des nunmehr wegen des Corona-Ausbruchs beurlaubten Geschäftsführers Steffen Grebner eine Tarifrückkehr maximal im Stufenplan – also zunächst für die Pflegedienstmitarbeiter, dann für andere, sowie keinen Tariflohn in den Tochtergesellschaften.

Dass jetzt doch ein Tariflohn-Stufenplan zum Zuge kommen könnte, schließt die Stadt jedoch aus. „Dies wäre eine Abweichung vom Beschluss der Stadtverordnetenversammlung“, teilte die Stadt am Freitag auf PNN-Anfrage mit. Geändert werden könne dies nur durch einen erneuten Beschluss der Stadtverordnetenversammlung und eine darauffolgende Gesellschafterweisung, so Stadtsprecher Jan Brunzlow. Die Geschäftsführer hätten dennoch „die Pflicht, auf wirtschaftliche Auswirkungen und Risiken hinzuweisen“.

"Niemand soll weniger verdienen"

Offen lässt die Klinikumführung derzeit, unter welchen Rahmenbedingungen die Tarifrückkehr erfolgen soll. Verdi fordert hier die Aufnahme von Verhandlungen für einen Überleitungstarifvertrag und eine Sicherstellung, dass die Betriebszugehörigkeiten der Mitarbeiter angerechnet werden sollen und sie nicht wie Neueinstellungen behandelt würden. Das Klinikum teilte dazu mit: „Nach Abschluss des Klärungs- und Abstimmungsprozesses werden wir beurteilen können, ob und gegebenenfalls in welcher Form einheitliche Überleitungsregelungen und spezifische Regelungen für Tochtergesellschaften erforderlich sind.“

Man habe den Mitarbeitern eine klare Zusage gegeben: „Niemand soll weniger verdienen als heute.“ Doch bevor die Verhandlungen nicht beendet sind, ist für die meisten Beschäftigten nicht klar, in welche Vergütungsgruppe sie eingestuft werden. Das Klinikum wies die Angabe von Verdi, dass die nicht-ärztlichen Beschäftigten jetzt zehn bis 40 Prozent weniger als Tariflohn verdienen, als „in der pauschalen Form nicht korrekt“ zurück. Noch nicht klar ist laut Klinikum, wie viele Mitarbeiter dann Tariflohn bekommen. Das müsse der „Klärungs- und Abstimmungsprozess“ zeigen.

Hier ein Überblick über den Konzern und die Zahl der Mitarbeiter:

Die Angaben machte das Klinikum auf PNN-Anfrage am 29. Mai 2020. Für die ersten sechs – also die Muttergesellschaft und die 100-prozentigen Tochtergesellschaften – gilt der Tariflohn-Beschluss.

  • Klinikum Ernst von Bergmann gGmbH (aktive Mitarbeiter 2.380)
  • Servicegesellschaft am Klinikum Ernst von Bergmann mbH (aktive Mitarbeiter 490)
  • Cateringgesellschaft am Klinikum Ernst von Bergmann mbH (aktive Mitarbeiter 54)
  • Diagnostik Ernst von Bergmann GmbH (aktive Mitarbeiter 105)
  • Poliklinik Ernst von Bergmann GmbH (aktive Mitarbeiter 164)
  • Ernst von Bergmann Sozial gGmbH (aktive Mitarbeiter 53)
  • Medizinisches Versorgungszentrum GmbH (aktive Mitarbeiter 31)
  • Klinikum Westbrandenburg GmbH, Standort Potsdam (aktive Mitarbeiter 239)
  • Klinik Ernst von Bergmann Bad Belzig (aktive Mitarbeiter 280)
  • MVZ Bad Belzig (aktive Mitarbeiter 23)
  • Lausitz Klinik Forst (aktive Mitarbeiter 292)
  • Lausitz MVZ Forst (aktive Mitarbeiter 41)

Das Klinikum wies Berichte zurück, wonach außerplanmäßig Verträge nicht verlängert würden. Insgesamt würden von April bis zum 1. September 91 befristete Verträge in der ganzen Klinikgruppe enden. 53 davon seien im April ausgelaufen, dabei handele es sich vor allem um studentische Aushilfen und Praktikanten, die das Klinikum in der Corona-Zeit unterstützt hätten. Im Juni sollen acht Verträge auslaufen. Grundsätzlich gelte, dass Gesundheits- und Krankenpflege-Mitarbeiter unbefristet eingestellt würden.

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