Coronakrise in Brandenburg: Schulen bereiten sich auf Wiederöffnung vor
Ein Stückchen Normalität soll ab Montag wieder in die Brandenburger Schulen einziehen. Schrittweise können die Klassen wieder am Unterricht teilnehmen - unter schwierigen Bedingungen.
Potsdam - Am Montag kehren in Brandenburg die ersten Schüler während der Coronakrise wieder in ihre Schulen zurück. Von Normalität kann angesichts der eingeschränkten Möglichkeiten keine Rede sein. Von Schülern wie Lehrern wird auch in den nächsten Wochen viel Improvisationstalent und Energie verlangt. Ein Überblick.
Was sagt das RKI zu den Schulöffnungen?
Welche Rolle Kinder als Krankheitsüberträger in der Covid-19-Pandemie spielen, darüber gibt es noch wenig gesicherte Informationen. Zwar haben „Kinder häufiger als Erwachsene einen milden oder asymptomatischen Verlauf“, schreibt das Robert Koch-Institut dazu in einem jüngst veröffentlichten „Epidemiologischen Bulletin“, in dem es „Überlegungen, Entscheidungsgrundlagen und Voraussetzungen“ zur „Wiedereröffnung von Bildungseinrichtungen“ darlegt. Aber die aktuell „nur wenigen vorliegenden Daten“ sprechen dafür, dass sie genauso empfänglich für Covid-19 sind wie Erwachsene: 7,4 Prozent der Kinder unter zehn Jahren, die Kontakt mit einem Covid-19-Patienten hatten, infizierten sich, 7,9 Prozent sind es gemittelt über aller Altersgruppen.
Die Autoren geben Hinweise zu notwendigen Hygienemaßnahmen an die Verantwortlichen. Zwar sei unter Anwendung dieser Regeln eine schrittweise und altersadaptierte Öffnung der Betreuungs- und Bildungseinrichtungen „aus fachlicher Sicht vertretbar“. Es sei aber „zu erwarten, dass es durch die bevorstehende Wiedereröffnung und andere Deeskalationsmaßnahmen mit den damit verbundenen zunehmenden Kontakten aller Wahrscheinlichkeit nach zu einer Zunahme von Covid-19-Infektionen kommen wird.“ Komme es trotz der begleitendem Maßnahmen zu „Ausbrüchen oder einer relevanten Zunahme von Infektionen, die im Zusammenhang mit Übertragungen innerhalb von Schulen stehen, sollte, in enger Abstimmung mit den zuständigen örtlichen Gesundheitsbehörden, eine zeitweise (gegebenenfalls partielle) Schließung der Betreuungs- und Bildungseinrichtungen erfolgen“, raten die Experten schon jetzt.
Wer geht am Montag in Brandenburg wieder zur Schule?
Am 27. April beginnen die Abschlussklassen der Jahrgangsstufe 10 der Ober- und Gesamtschulen, Gymnasien und Förderschulen mit Blick auf die Prüfungen am Ende der Jahrgangsstufe 10 sowie für die Prüfungsvorbereitung mehrerer Bildungsgänge der Oberstufenzentren. Gleichzeitig bekräftigte das Ministerium, dass die Prüfungen zum Mittleren Schulabschluss anders als in Berlin in vollem Umfang stattfinden. Die Prüfungen starten am 13. Mai mit der Prüfung in Deutsch, am 25. Mai folgt Mathematik und am 27. Mai Englisch. Die Abiturprüfungen haben bereits am Montag begonnen.
Welche Klassen folgen danach?
Ab dem 4. Mai werden die Jahrgangsstufe 6 der Grundschulen und Förderschulen, die Jahrgangsstufe 9 der Ober- und Gesamtschule, des Gymnasiums und der Förderschulen sowie die Jahrgangsstufe 11 des Gymnasiums und die Jahrgangsstufe 12 der Gesamtschule wieder mit dem Unterricht beginnen. Ab dem 11. Mai sollen dann auch die Jahrgangsstufe 5 der Grund- und Förderschulen wieder ein regelmäßiges Unterrichtsangebot erhalten.
Was ist mit Schülern der anderen Klassen?
Schüler, die die Schulen noch nicht besuchen können, werden weiterhin von ihren Lehrern über unterschiedliche Wege mit Aufgaben versorgt, so das Ministerium. Zwischen Lehrkraft und Schülern soll es ein regelmäßiges Feedback über die an der Schule vorhandenen Lernmanagementsysteme wie zum Beispiel die Schulcloud geben. Für Kinder, die durch Homeschooling nicht gut erreicht werden, können die Schulen ab 4. Mai ein Präsenz-Angebot an Grundschulen und in der Sekundarstufe I anbieten. Die Auswahl treffen die Lehrkräfte. „Die Lehrer haben in der Regel einen sehr guten Überblick, welche ihrer Schüler sie nicht gut über das Homeschooling erreichen“, sagt die Sprecherin des Bildungsministeriums, Ulrike Grönefeld, auf Anfrage. Diesen Kindern und ihren Eltern werde vorrangig die Teilnahme an einem pädagogischen Präsenzangebot gemacht.
Wie organisieren die Schulen den Start? Welche Vorgaben gibt es?
Für die Schulleiter ist die Organisation des Unterrichts eine immense Herausforderung – zumal vielerorts parallel Abiturprüfungen stattfinden. Für die Wiederaufnahme des Unterrichts gelten strenge Abstands- und Hygieneregeln. Eine Lerngruppe soll möglichst immer in demselben Raum unterrichtet werden. Jeder Schüler sollen einen festen, eigenen Arbeitsplatz haben, der von keinem anderen genutzt wird. Die Sitzordnung ist so zu gestalten, dass ein Abstand von 1,50 Meter in jeder Phase des Unterrichts eingehalten wird. Gruppentische, -unterricht und -arbeit sind untersagt. „Unterrichtsbeginn, Pausenzeiten und Essenzeiten sind durch geeignete Maßnahmen wie zum Beispiel unterschiedliche Zeiten und getrennte Raum- und Schulhofaufteilungen so festzulegen, dass die verschiedenen Lerngruppen nicht in Kontakt kommen“, heißt es in der Mitteilung des Ministeriums. Zudem müssen die Schulen Lernsituationen, Lerngruppen und zugeordnete Lehrkräfte dokumentieren. Um die Abstandsregeln einhalten zu können, werden an den Grundschulen die Gruppen in der Regel auf zwei Räume verteilt. An den weiterführenden Schulen wird es überwiegend ein Wechselmodell geben: Montags, mittwochs und freitags besucht die eine Hälfte die Schule, dienstags und donnerstags die andere Hälfte. Nach einer Woche wird getauscht. Zudem weist das Ministerium auf weitere Hygieneregeln hin, die eingehalten werden müssten. Wenn der Mindestabstand aufgrund der Umstände nicht verlässlich eingehalten werden kann, wie zum Beispiel im öffentlichen Personennah- und Schülerverkehr, müssen die Schüler einen Mund- und Nasenschutz tragen. Auch auf die korrekte Hust- und Niesetikette und regelmäßiges, gründliches Händewaschen mit Wasser und Seife müsse geachtet werden. Das Berühren des Gesichts gelte es zu vermeiden. Zudem gilt ein Ausleih- und Tauschverbot von Gegenständen und Essen mit anderen Personen.
Gilt in den Schulen Mundschutzpflicht?
Zum Teil. Schon im Informationsschreiben an die Schulen am Mittwoch habe man vorsorglich darauf hingewiesen, dass dort, wo ein Mindestabstand von 1,50 Metern nicht eingehalten werden kann, wie zum Beispiel im öffentlichen Personennah- und Schülerverkehr, das Tragen eines Mund- und Nasen-Schutzes angeraten sei, so Ministeriumssprecherin Grönefeld. In der neuen Brandenburger Hygieneverordnung, die ab 27. April gilt, ist es Pflicht. „Dort steht auch, dass die Speisenausteilung durch Personen mit Mund-Nasen-Schutz, Haarhaube, Schutzkittel und Handschuhen erfolgen soll“, so Grönefeld.
Ist das mit dem vorhandenen Lehrpersonal zu schaffen?
Bildungsministerin Britta Ernst (SPD) hatte am Donnerstag erklärt: „Wir wissen, dass es für alle Beteiligten eine große Herausforderung ist. Wir sind aber sicher, dass diese für alle ungewöhnliche Situation bei einer guten Zusammenarbeit aller zu meistern ist.“ Ihre Sprecherin Ulrike Grönfeld ergänzt nun am Freitag auf Anfrage: „Wir gehen derzeit davon aus, dass eine hinreichende Personalausstattung für den Unterricht abgesichert werden kann.“ Auftretende Bedarfe – aufgrund des Parallelbetriebes von Präsenzunterricht, Homeschooling und Notfallbetreuung vor Ort – werden die staatlichen Schulämter neben dem Bestandspersonal nun auch wieder durch Einstellungen im Rahmen der Vertretungsbudgets decken.
Gibt es Kritik am Vorgehen des Bildungsministeriums?
Zumindest eine gewisse Skepsis, ob der Plan so funktionieren kann. Der Landeschef der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), Günther Fuchs, sprach am Freitag von einer Gratwanderung, die Schulen schrittweise wieder zu öffnen. „Der Schutz der Gesundheit muss weiterhin absoluten Vorrang vor der schnellen Wiedereröffnung haben.“ Wenn die notwendigen organisatorischen und materiellen Voraussetzungen nicht gewährleistet seien, dürften die Schulen auch schrittweise nicht wiedereröffnet werden.