Brandenburger Schulen: Unterrichten für lau in der Coronakrise
Die Schulen in Brandenburg öffnen ab Montag schrittweise wieder. Einige Lehrer fühlen sich mit den Herausforderungen überfordert - und es gibt Unsicherheiten bei den Verträgen.
Potsdam - Sie will ihre Schüler nicht im Stich lassen. Jetzt, wo durch die Coronakrise alles anders ist, nicht gelernt werden kann wie sonst, trotzdem Prüfungen anstehen. Deswegen arbeitet die junge Lehrerin derzeit ohne Bezahlung, schickt den Schülern eines Gymnasiums im Landkreis Barnim aus dem Homeoffice Aufgaben zu, korrigiert sie – in ihrer Freizeit, wenn man so will ehrenamtlich. Die Frau, die ihren Namen nicht in der Zeitung lesen möchte, hat seit Längerem eine volle Stelle an dem Gymnasium, ist ungefähr für 200 Schüler zuständig. Unter anderem betreut sie eine Lerngruppe in Deutsch, die bald den mittleren Schulabschluss für die zehnte Klasse absolvieren soll. Anders als in Berlin finden in Brandenburg die Prüfungen statt. Start ist im Fach Deutsch am 13. Mai.
Das Problem: Die Lehrerin ist über das Vertretungsbudget angestellt. Diese Verträge laufen in der Regel sechs Wochen, werden dann verlängert. „Mein letzter Vertrag lief am 29. März ab“, schildert die Lehrerin. Trotz Einsatzes ihres Schulleiters habe das staatliche Schulamt Frankfurt (Oder) den Vertrag nicht weitergeführt. Zu dieser Zeit war die Präsenzpflicht in der Schule bereits für die Lehrer aufgehoben. „Wir waren allerdings angewiesen worden, den Unterricht in Rahmen von Aufgaben, die den Schülern zugänglich gemacht wurden, sicherzustellen“, sagt sie. „Des Weiteren sollten die Lernenden selbstverständlich im Fall von Fragen engmaschig durch E-Mails begleitet werden, die Aufgaben sollten auch kommentiert und korrigiert werden“, schildert sie. Allein für das Erstellen der Aufgaben benötige sie sieben Stunden am Tag. Sie habe einfach weitergemacht, auch ohne Vertrag, für ihre Schüler.
Gewerkschaft: „Wir brauchen die Vertretungslehrer"
Am Montag sollen nun die zehnten Klassen wieder in der Schule unterrichtet werden. Aber im Fall des Barnimer Gymnasiums nicht von der Lehrkraft, die sie seit Monaten betreut, sondern von einer anderen Lehrerin, die nicht über das Vertretungsbudget bezahlt wird. „Diese Kollegin hat aber bereits ein volles Stundenkontingent“, sagt die Vertretungslehrerin. Wie die Betreuung der Schüler in Coronazeiten abgedeckt, der Stufenplan umgesetzt werden soll, sei ihr ein Rätsel. „Die Lehrkräfte sind komplett überfordert“, meint sie. Denn für den Plan gelten strenge Abstands- und Hygieneregeln, deren Umsetzung den Unterricht zu einer logistischen Herausforderung werden lassen.
Auch der Landeschef der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), Günther Fuchs sagt deshalb: „Wir brauchen die Vertretungslehrer. In dieser Situation die Verträge nicht zu verlängern, ist ein Fehler.“ Denn auch ohne Corona sei die Ausstattung der Schulen mit Personal nicht rosig. Nun komme erschwerend hinzu, dass ein Teil des Lehrkörpers, dazu gehören viele Ältere, zur Corona-Risikogruppe zählen.
Sorgen wegen der Hygiene
Das Bildungsministerium gibt am Freitag (24.04.2020) teilweise Entwarnung und macht damit auch der Lehrerin aus dem Barnim Hoffnung: Bedarfe – aufgrund des Parallelbetriebes von Präsenzunterricht, Homeschooling und Notfallbetreuung vor Ort – werden die staatlichen Schulämter neben dem Bestandspersonal nun auch wieder durch Einstellungen im Rahmen der Vertretungsbudgets decken, teilt Ministeriumssprecherin Ulrike Grönefeld auf Anfrage mit.
„Der Neuabschluss von Verträgen ist bereits seit 20. April wieder erfolgt, weitere Vertragsabschlüsse sind in der Vorbereitung und die Anzahl der Neuabschlüsse wird in den kommenden Wochen ansteigen“, so Grönefeld. In der Regel würden die Vertretungslehrkräfte dann in den Schulen im Präsenzunterricht eingesetzt. Über den konkreten Einsatz der Lehrkräfte müssten die Schulleiter entscheiden, so dass auch eine Tätigkeit im Homeschooling unter Nutzung der besonderen Kompetenzen mit digitalen Beschulungsformen von Vertretungslehrkräften möglich sei. Insgesamt gehe man davon aus, „dass eine hinreichende Personalausstattung für den Unterricht abgesichert werden kann“, so Grönefeld.
Aber nicht nur die Frage, ob das Personal ausreicht, bereitet GEW-Chef Fuchs Sorgen. „Die Pandemie spiegelt die Versäumnisse der Vergangenheit wider“, sagt Fuchs. Das betreffe zum Beispiel die bisherigen Hygienestandards an manchen Schulen. Ausreichend Seife, saubere Sanitäranlagen. „Da wurde früher kaum darauf geachtet“, sagt er. „Wenn man das ernst genommen hätte, hätte manche Schule geschlossen werden müssen.“ Ein weiteres Problem sieht er in den Klassengrößen. „Es ist normiert, wie groß ein Zwinger für einen Schäferhund sein muss, aber wenn es um Normen in den Schulen geht, fehlen oft verbindliche Regelungen“, beklagt Fuchs. Dementsprechend seien vielfach auch in Brandenburg die Klassen zu groß, um pädagogisch gut arbeiten zu können. Nach den neuen Abstandsregeln müssen nun Gruppen geteilt werden. Etwas, was sich Fuchs auch ohne Corona und aus anderen Gründen schon viel früher gewünscht hätte.
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