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Update

AfD-Parteitag in Rangsdorf: Kalbitz: AfD will regieren

Brandenburgs AfD hat Chancen, nach der Landtagswahl 2019 ihre Fraktion im Potsdamer Parlament auf mehr als zwanzig Abgeordnete zu verdoppeln. Und dann? Opposition reicht AfD-Chef Kalbitz nicht mehr. 

Es ist eine Kampfansage. Brandenburgs AfD will in Brandenburg regieren. Dieses Ziel hat AfD-Chef Andreas Kalbitz acht Monate vor der Landtagswahl am 1. September klar öffentlich formuliert. Auf einem AfD-Parteitag in Rangsdorf, auf dem die Partei am Wochenende ihre Liste für die Landtagswahl aufstellt, sagte Kalbitz, der zum Flügel um Björn Höcke in der Bundespartei gehört, vor rund 300 Mitgliedern: "Ich bin zuversichtlich, dass wir nicht nur eine starke und effektive Opposition bilden werden. Wir haben mehr vor, wir wollen und wir müssen Verantwortung übernehmen". 

Kalbitz erhielt stehende Ovationen

Der Wahlkampf werde hart und schmutzig, denn für Rot-Rot gehe es um alles. Ein Viertel der Menschen in Brandenburg glaube an die AfD. "Das ist eine enorme Verantwortung", so Kalbitz. Die Bewerbungsrede des Partei- und Fraktionschefs, der auch Spitzenkandidat der AfD werden will, erhielt stehende Ovationen. Die Partei liegt in Umfragen seit September 2018 gleichauf mit der SPD, die in Brandenburg seit 1990 den Ministerpräsidenten stellt.    

Um die 40 Listenplätze, die die AfD besetzen will, gibt es einen Run von 87 Bewerbern. Kalbitz verwies in seiner Rede auf einen Qualitätssprung, auf die gesellschaftliche Verankerung, die die AfD in Brandenburg inzwischen erreicht habe. Die Listenaufstellung zeige, "wie groß in Brandenburg die Bereitschaft ist, für die AfD Gesicht zu zeigen", sagte er.

Aktuell hat die Fraktion neun Abgeordnete

Nach Umfragen liegt die Partei bei 20 bis 23 Prozent, somit sie Chancen auf 20 bis 23 Abgeordnete hätte, die über die Liste ins Parlament einziehen. Aktuell zählt die AfD-Fraktion im Brandenburger Landtag - nach zwei Austritten wegen des Rechtsrucks - neun Abgeordnete. 

Was sind das für Männer und Frauen, die für die AfD in den Landtag wollen? Da sind zunächst vor allem sieben bisherige Landtagsabgeordnete, die erneut antreten wollen. Unter den 87 Kandidaten waren unter anderem eine Tierärztin, Landwirte, einige Selbstständige, ein Dozent, ein Bundespolizist, ein Rechtsanwalt, ein Fleischermeister, ein Prüfer des Rechnungshofes, ein Manager, ein Journalist der "Jungen Freiheit" und der "Preußischen Allgemeinen", ein Burschenschaftler, eine Erzieherin, die im Landesleternrat aktiv ist, eine Hauptstadtrepräsentantin des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt, ein Makler, ein früherer NVA-Offizier und einige, die aus politischen Gründen zu DDR-Zeiten im Gefängnis saßen. 

Sie präsentieren sich als nationale Wertkonservative

Das Spektrum ist teils anders, teils breiter als in anderen Parteien. Es sind wenige Politologen, kaum Menschen aus dem öffentlichen Dienst dabei und auffällig wenige Frauen. Fast alle präsentierten sich in den Vorstellungsreden als nationale Wertkonservative,  gegen weitere Zuwanderung, für rigorose Abschiebungen krimineller Flüchtlinge.

Doch mit dabei ist aber auch Leyla Bilge, die einst mit ihrer kurdischen Familie in den 1980er Jahren nach Deutschland kam und 2018 zwei rechte "Frauen-Märsche" vor dem Kanzleramt in Berlin organisiert hatte. Sie sei eine "stolze Deutsche", sagte Bilge, die sich als "erfahrene und kämpferische Aktivistin" bezeichnete. Es gebe eine "tödliche Toleranz" gegenüber dem Islam, der nicht zu Deutschland gehöre. "Der Osten ist der neue Sturm der AfD."  Für den Auftritt erhielt sie frenetischen Beifall.

Oder auch Marianne Spring-Räumschüssel, die AfD-Chefin und Fraktionsvorsitzende im Stadtparlament von Cottbus, wo die AfD nach einer Umfrage inzwischen mit 30 Prozent stärkste Kraft ist. "Ich komme aus der Widerstandshochburg." Sie werde im Wahlkampf die SPD-Direktkandidatin, Wissenschaftsministerin Martina Münch jagen, selbst das Mandat gewinnen. Nach der Wahl werde man die Siegeshymne anstimmen: "We are the Champions". 

Gegen ihn läuft ein Parteiausschlussverfahren

Ein Gradmesser, ob und wie sich die Partei zu rechtsextremen Entgleisungen abgrenzt, ist ein Landtags-Bewerber aus dem Barnim: Marcel Donsch, der Vorsitzende der AfD in Panketal, lange Vize-Kreischef, will in den Landtag. Gegen ihn läuft, wie diese Zeitung aus Parteikreisen erfuhr, ein Parteiausschlussverfahren wegen einer Nähe zu Rechtsextremen. Er hatte eine Demonstration in Bernau organisiert, auf der AFD und NPD gemeinsam auftraten. In einem sozialen Netzwerk hatte er einen rechtsextremen Adlerschwingen-Post, der Gaulands Vogelschiss-Aussage zur NS-Zeit verteidigte ("Also zurück Ihr roten Ratten in Eure Löcher.") gelikt. In einem Videoclip zu seiner Bewerbung sagt Donsch: "Ich sehe die AfD als Schwert unseres Volkes". In seiner Rede ging Donsch zunächst nicht darauf ein, wurde dann aber nach dem Ausschlussverfahren gefragt. Seine Antwort: "Wenn man Mut zur Wahrheit wörtlich nimmt, wie man bei Herrn Höcke sieht, scheinen Parteiausschlussverfahren in dieser Partei Normalität geworden zu sein." Er erntete massive Buhrufe, als einziger Kandidat. Donsch selbst sagte dazu am Sonntag dieser Zeitung: Sein Facebook-Account sei gehackt und von Unbekannten missbraucht worden. Und eine gemeinsame Veranstaltung von AfD und NPD habe es in Bernau nie gegeben, also gemeinsam organisiert, mit gemeinsamen Rednern. Dass es NPD-Teilnehmer auf der Demo gegeben habe, könne er nicht ausschließen. 

Bis Sonntag will die AfD auf dem Parteitag ihre Landesliste aufstellen.
Bis Sonntag will die AfD auf dem Parteitag ihre Landesliste aufstellen.
© Thorsten Metzner

Einer wie Donsch, das geht offenbar selbst dem Landesvorstand unter Kalbitz zu weit, was auch taktische Gründe haben mag: Den anderen Parteien sollen keine Steilvorlagen geliefert werden, einen Anti-Nazi-Wahlkampf gegen die AfD zu führen. Gleichzeitig will die AfD, wie Kalbitz weiter auch auf die Straße setzen. "Ich sehe die AfD  nicht als reine Parlamentspartei", sagte auch Vizepartei und -Fraktionschefin Birgit Bessin unter Jubel im Saal. "Ich setze auf unsere selbständigen Bürgerbewegungen. Ich stehe zu Pegida. Ich stehe zu Zukunft Heimat in Cottbus, die maßgeblichen Anteil hat, dass der Süden stark geworden ist." Der friedliche Widerstand müsse durchs ganze Land ziehen.

"Wir sind die brandenburgische Befreiungsarmee"

Genau diesen Schulterschluss demonstrierte dann Christoph Berndt, der Sprecher von "Zukunft Heimat", der seinen Eintritt in die AfD und seine Kandidatur für den Landtag  so begründete: "Wir dürfen die Parlamente nicht den Deutschlandabschaffern überlassen." Der natürliche Bündnispartner der AfD seien die patriotischen Bürgerbewegungen. Dieses erfolgreiche Brandenburger Kooperationsmodell müsse ausgeweitet werden. Auch er gehörte zu denen, die gefeiert wurden und wohl einen sicheren Listenplatz holen werden.

Da war von der Demut nichts zu spüren

Axel Fachtan, ein Rechtsanwalt, schlug ähnlich radikale Töne an: "Wir sind die brandenburgische Befreiungsarmee. Lasst uns den 1.September zum Tag der Befreiung machen!" Der liege nicht in der Vergangenheit, nicht 1945, sondern in der Zukunft. Und Lion Edler, ein ehemaliger Sprecher der Landtagsfraktion, brüllte ins Mikro: Man brauche in Brandenburg einen Nothelikopter, "um neun irre Minister ins Irrenhaus zu transportieren." Da war von der Demut, die Gauland noch am Morgen angemahnt hatte, nichts zu spüren. Abstrus auch der Auftritt eines Herrn Stein, der dem Saal ernsthaft erklärte, dass die deutsche Fahne falsch herum sei, weil "das Gelb für den Sonnenaufgang und das Schwarz für die Erde" stehe. "Das zeigt auch spirituell, welchen Weg wir gehen müssen." 

Hohloch: "Alles Deutsche aus Lehrplänen entfernt"

Der Potsdamer AfD-Stadtsprecher Herbert Heider, der ebenfalls in den Landtag will, stellte sich in gelber Weste auf die Bühne, nach dem Vorbild der Proteste in Frankreich. "Wenn es in Potsdam die ersten Dieselfahrverbote gibt, ziehe ich die gelbe Weste nicht mehr aus", sagte Heider. Man müsse Merkel aus dem Amt jagen.

Ein anderer Potsdamer, der Berliner Lehrer Dennis Hohloch, zuletzt AfD-Kandidat bei der Oberbürgermeisterwahl in der Landeshauptstadt, warf der Bildungspolitik im Land vor, "alles Deutsche und Identitätsstiftende aus den Lehrplänen zu entfernen." Er ist auch Landeschef der Jungen Alternativen, des Jugendverbandes. Auf Nachfrage sagte er, dass er bereit sei, zur nächsten Oberbürgermeisterwahl in der Landeshauptstadt - die ist 2026 - wieder zu kandidieren. "Natürlich würde ich in meiner Heimatstadt erneut als OB-Kandidat antreten."  

Gauland mahnte zu "Demut"

Am Morgen hatte Alexander Gauland, der Bundeschef und Ehrenvorsitzende der Brandenburger AfD seinen Heimatverband eindringlich auf innere Geschlossenheit ein geschworen, um die nächste Landtagswahl 2019 klar zu gewinnen. "Seid einig, seit einig, seid einig!", rief Gauland. "Am 1. September läuten wir den Wechsel ein - und gehen als stärkste Kraft in den Landtag."  Früher habe man in Hinterzimmern gesagt, heute finde die AfD kaum Säle, die groß genug sind. Gleichzeitig mahnte er zu "Demut", sprach von einem "schwierigen Jahr". 

"Das Märchen vom Klimawandel glauben wir nicht"

In seiner Rede, einem Rundumschlag, griff er die gesamte politische Konkurrenz an - Kanzlerin Merkel, auch wegen der Flüchtlingspolitik, die rot-rote Landesregierung unter Ministerpräsident Dietmar Woidke, aber auch CDU und Grüne. Der SPD-Filz von 30 Jahren in Brandenburg werde im Herbst beendet, sagte Gauland und auch das: "Das Märchen vom menschengemachten Klimawandel glauben wir nicht." Das sei pure Ideologie. Es gebe Klimawandel, habe immer Klimawandel gegeben, schon in der Eiszeit.

Insgesamt müssen 29 000 Stimmen ausgezählt werden

Die Abstimmung über die gesamte AfD-Liste für den Landtag, die über die Reihenfolge entscheidet, ist für Sonntag angesetzt. Allein die Auszählung der rund 29 000 Stimmen wird einige Stunden dauern. Wer die meisten davon bekommt, wird Spitzenkandidat. Das kann, vielleicht, Kalbitz sein.  

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