Oberbürgermeisterwahl: Ein Tag mit AfD-Kandidat Dennis Hohloch
Wer sind die Frauen und Männer, die Potsdam regieren wollen – und was treibt sie an? Wo sind ihre Stärken und Schwächen? Wie leben sie im Alltag? Die PNN haben alle sechs Oberbürgermeister-Kandidaten einen Tag lang begleitet. Heute: Dennis Hohloch (AfD).
Janus. Ganz unweigerlich kommt einem bei Dennis Hohloch der römische Gott mit den zwei Gesichtern in den Sinn. Da ist einerseits der stramme AfDler, der die altbekannten Parolen gegen Flüchtlinge austeilt – und die Krawalle und Ausschreitungen in Chemnitz verteidigt. „Man darf in Chemnitz nicht Ursache und Wirkung verwechseln“, sagt der Oberbürgermeisterkandidat der AfD. In der sächsischen Stadt sei schließlich ein „Mensch abgeschlachtet“ worden – von Tatverdächtigen, „die vor 2015 nicht in unserem Land waren“. Daher wäre er, wenn er Zeit gehabt hätte, auch im sogenannten Trauermarsch mitmarschiert – Seite an Seite mit Neonazis. Es gebe halt „immer welche, die ausscheren“, sagt Hohloch lapidar. Chemnitz sei eine Folge der „unmöglichen offenen Grenzpolitik“ der Bundesregierung.
Es gibt aber auch den anderen Dennis Hohloch, einen freundlichen, gebildeten 29-jährigen Lehrer, herzlich im Umgang mit seinen Schülern – auch mit ausländischen. Mit warmem Blick und freundlichem Hallo begrüßt er einen vietnamesischen Schüler. „Das ist ein ruhiger, netter Junge, der lernt superschnell.“ Beliebt ist er in seiner Schule in Spandau, das merkt man bereits, als sein Auto auf dem Schulhof vorfährt. „Hallo, Herr Hohloch!“, ruft eine Gruppe Kinder ihm fröhlich zu, darunter auch ein Mädchen mit Kopftuch. Der Angesprochene grüßt ebenso fröhlich zurück.
Ein Mann, zwei Seiten
Dienstagmorgen, 6 Uhr, Waldstadt II. Hohloch öffnet, noch etwas müde, aber gut gelaunt, seine Wohnungstür. „Mehr als vier, fünf Stunden Schlaf bekomme ich nicht“, sagt er entschuldigend. Die Parteiarbeit nehme neben dem Unterricht eben viel Zeit in Anspruch. Die Stullen für den Tag werden bereits abends vorbereitet, gefrühstückt wird im Auto. Heute geht’s etwas früher los, eine neue Baustelle in Berlin. Mit Tram und Bus „brauche ich zwei Stunden“, daher komme das nicht infrage. Hohloch unterrichtet an einer Grundschule in Spandau, doch eigentlich ist er Gymnasiallehrer für Geografie und Geschichte.
Nicht allen Eltern gefällt das. Beschwerden einzelner gebe es immer wieder, dass ein Mann mit AfD-Parteibuch Kinder unterrichte, noch dazu Geschichte vermittle. Ein Problem sieht er darin nicht. „Parteipolitik“, sagt er, „hat im Unterricht nichts zu suchen“. Schon gar nicht im Geschichtsunterricht. Der habe einen „streng wissenschaftlichen Anspruch“. Den scheint er auch zu erfüllen. Auffälligkeiten gebe es bei Hohloch keine, heißt es auf Nachfrage aus Schulkreisen. Wegen der Qualität des Unterrichts habe sich noch niemand beschwert, zudem achte man auf die Einhaltung der Neutralitätspflicht. Doch auch der Schulleitung passt die Parteizugehörigkeit Hohlochs nicht. Er sei gefragt worden, wie er seine AfD-Mitgliedschaft mit seinem Berufsethos vereinbaren könne, erzählt er. „Ich habe dann gefragt, ob diese Frage auch Lehrern mit einem Linke-Parteibuch gestellt wurde“, sagt er sichtlich amüsiert. Danach sei das Gespräch beendet gewesen. Hohloch ist rhetorisch gewandt, nicht umsonst schult er Parteikollegen in ganz Brandenburg im Umgang mit Sprache und Argumentation.
Hohloch ist ein Kirchen-Fan
Den Wunsch, Lehrer zu werden, habe er schon früh gehabt, sagt Hohloch. Geboren im Wendejahr 1989 in Potsdam als Sohn eines Kochs und einer Kitaerzieherin, wächst Hohloch in Drewitz auf, zur Schule geht er in der heutigen Stadtteilschule in der Oskar-Meßter-Straße. Schon als Schüler habe er anderen Nachhilfeunterricht gegeben, in Biologie und Chemie, erzählt Hohloch. Aber es ist die Geschichte, die ihn mehr interessiert. Vor allem Kirchengeschichte hat es ihm angetan. „In jedem Urlaub muss ich mir die Kirchen angucken“, sagt er. Die Kathedrale in Ljubljana, der Dom St. Nikolaus, hat ihm zuletzt besonders gut gefallen, in Potsdam ist seine Lieblingskirche die Friedenskirche, gefolgt von der Nikolai- und der St.-Peter-und-Paul-Kirche.
Mit 19 beginnt Hohloch ein Studium an der Universität Greifswald, Geschichte und Geografie auf Lehramt. Nach einer ersten Station als Aushilfslehrer an der Stadtteilschule in Drewitz geht Hohloch zunächst an ein Gymnasium in Berlin-Steglitz. Weil man seinen Vertrag dort nicht verlängert, wechselt er nach Spandau. Dass er dort auch Flüchtlingskinder unterrichtet, ist für ihn kein Widerspruch zur Parteilinie. „Wir haben die Pflicht, diese Kinder zu beschulen“, sagt er. Auch müssten die Flüchtlinge zunächst versorgt werden, „aber wenn der Krieg in ihrem Land vorbei ist, müssen sie auch konsequent abgeschoben werden“.
Eigentlich ist es kaum zu glauben, aber Hohlochs erster politischer Hafen ist die SPD. Wegen Gerhard Schröder sei er damals eingetreten, erzählt er. Die umstrittene Agenda 2010, mit der der damalige Bundeskanzler zu Beginn der 2000er-Jahre das Sozialsystem und den Arbeitsmarkt reformiert hatte, habe er gut gefunden. 2013 tritt er wieder aus. Die Ausrichtung der Partei gefällt ihm nicht. Als Beispiel nennt er die Weigerung der Jusos, sich an einem „Deutschlandfest“ zu beteiligen – für eine solche „antideutsche“ Haltung hat Hohloch nichts übrig. Heimat sei ihm wichtig, betont er.
Erst SPD, dann AfD
Eine neue politische findet er Anfang 2014 in der AfD, die damals noch vor allem als eurokritisch wahrgenommen wird. Ihm liege viel an Freundschaften über Landesgrenzen hinweg, sagt Hohloch. „Wir Europäer sollten ein starkes Band haben.“ Die EU-Verwaltung in Brüssel aber sei ein „Moloch, eine weltfremde Blase“, in der Nichtstuer „unfassbar viel Geld verdienen“, das alles sei eine einzige „Verprassung von Steuermitteln“. Schon an der Uni hat er sich mit dem Thema beschäftigt: Der Titel seiner Abschlussarbeit: „Der Weg in die Haftungsunion. Bilanzen der ,Eurorettungsmaßnahmen’ für den Raum des Eurowährungsgebietes“. Die Eurokritik sei es gewesen, die ihn angesprochen haben, sagt Hohloch. Später dann seien gesellschaftspolitische Themen und die Flüchtlingskrise hinzugekommen. „Ich bin von Natur aus ein konservativer Mensch“, erklärt er. Und zwar in einem Maße, „dass die CDU nicht mehr infrage kam“.
Bei einem Potsdamer AfD-Stammtisch trifft Hohloch auf Gleichgesinnte, darunter wie er selbst auch Abtrünnige aus anderen Parteien. „Da saßen vielleicht sechs, sieben Leute“, sagt er. „Einer kam von der FDP, einer von der Linken und einer von der CDU.“ Bereits beim zweiten Stammtisch wird der junge Mann gefragt, ob er für die Stadtverordnetenversammlung kandidieren will. Er lässt sich breitschlagen. Er werde ohnehin nicht gewählt, wird ihm versichert. Es kommt anders, 2014 zieht er mit zwei Mitstreitern ins Stadtparlament ein, einer davon, Lothar Wellmann, hat sich inzwischen der CDU angeschlossen, weil ihm die AfD zu rechts geworden ist.
Hohloch findet das nicht. Dabei entbehrt es nicht einer gewissen Ironie, dass seine Freundin selbst die Tochter eines Einwanderers ist: Mary Khans Vater kam Ende der 1980er-Jahre aus Pakistan nach Deutschland – auf der Flucht vor radikalen Moslems, sagt Hohloch. Zahid Khan trommelt heute auf Kundgebungen gegen Salafisten und tritt als Islamkritiker in Erscheinung. Einen „selbst ernannten Propheten“ nennt ihn die „Frankfurter Rundschau“. Seine Tochter Mary ist in der AfD aktiv, in Hessen, wo jetzt Landtagswahlen anstehen. Die 24-Jährige ist AfD-Chefin in Rodgau im Landkreis Offenbach und unterstützt Hohloch bei seiner Bewerbung um den Chefsessel im Potsdamer Rathaus. An diesem Dienstagnachmittag holt Mary Khan ihren Freund zu Hause ab. Sie kommt mit einem AfD-Mobil, einem parteiblau lackierten Mini, darauf die Parole „Die Richtung stimmt“. Für Hohlochs Wahlkampf wird der Wagen allerdings nicht gebraucht, die Landtagsfraktion hat ihn gemietet. Khan und Hohloch liefern den Mini im Landtagsschloss ab, in den Fraktionsräumen gibt es ein kurzes Hallo nebst Knuddeleien mit den Anwesenden, darunter dem als strammen AfD-Rechtsaußen geltenden Fraktions- und Landeschef Andreas Kalbitz. Dass dieser Verbindungen zu neonazistischen und rechtsextremistischen Verbindungen pflegt, stört Hohloch offenbar nicht. „Kalbitz unterstützt meinen Wahlkampf“, sagt er lediglich. Eine klare Abgrenzung zum äußersten rechten Parteiflügel vermeidet er.
Hochloch erwägt Kandidatur bei der Landtagswahl
Wohl auch aus Kalkül. Es ist nämlich gut möglich, dass Hohloch in einem Jahr selbst eines der Parlamentsbüros belegt. Eine Kandidatur bei der Landtagswahl 2019 sei durchaus vorstellbar, sagt er – wenn es mit der Wahl zum Oberbürgermeister nicht klappen sollte.
Strebsam und ehrgeizig – so wird Hohloch auch von einem engen Freund beschrieben, einem, der nicht mit den Ansichten der AfD konform geht. Seinen Namen will er darum auch lieber nicht in der Zeitung lesen, weil es sein könnte, dass sein Arbeitgeber eine Freundschaft mit einem AfD-Politiker nicht so gern sieht. Die beiden kennen sich seit Kindertagen, sind zusammen in Potsdam um die Häuser gezogen. Hohloch sei ein „sehr offener Mensch, einer, der auf Menschen zugeht und auf Partys nie alleine herumsitzt“, beschreibt ihn der Freund. Dass Hohloch nach ganz rechts außen abdriftet, glaubt er nicht. Seine Freunde und seine Familie seien „gute Anker“, die ihn „erden“ würden. Über Politik reden die beiden allerdings selten – aus gutem Grund.
Zwischen zehn und 16 Prozent der Stimmen rechnet sich Hohloch bei der Wahl aus. Damit es möglichst viele werden, hat sich nun auch Potsdams AfD entschieden, Plakate mit dem Konterfei ihres Kandidaten aufzuhängen. Ursprünglich wollte man darauf verzichten, nicht zuletzt aus Angst vor Vandalismus. Man habe aber festgestellt, dass viele Wähler gar nicht wüssten, dass die AfD einen eigenen Kandidaten zur OB-Wahl aufgestellt habe, sagt Hohloch.
Einnehmend kann er sein, sagt sein Freund. Und rhetorisch so überzeugend, dass das jeweilige Gegenüber sich trotz anderer Anschauungen „mit plausiblen Begründungen“ konfrontiert sieht.
17.15 Uhr, Waldstadt II, der Platz vor dem Waldstadt-Center. Mit Menschen, die andere Anschauungen vertreten, muss Hohloch an seinem Wahlkampfstand kaum rechnen. Die Waldstadt ist eine der AfD-Hochburgen Potsdams. Mit den Stimmen aus seinem Kiez hat es Hohloch 2014 auch ins Stadtparlament geschafft.
Der kleine Wahlkampfstand wird von zwei Polizeiwagen beschützt, aber Störer bleiben heute aus. „Ja, die Ecke hier ist echt in Ordnung“, sagt ein Mann auf einem motorisierten Dreirad, dessen Front ein „Preussen“-Aufkleber ziert. „Nur weil man ein bisschen Ordnung in Deutschland will, ist man doch noch kein Nazi“, ereifert sich eine Frau. Von „Freifahrtscheinen für Ausländer“ spricht sie, ein Mann sekundiert, in Deutschland werde „mit zweierlei Maß gemessen“. Hohloch ist jetzt in seinem Element. „So isses, so isses“, pflichtet er den Anwesenden eifrig bei. Wie er denn seine Ziele als Oberbürgermeister verwirklichen wolle, fragt ihn ein Mann. Schließlich werde die Stadtverordnetenversammlung doch von anderen Parteien dominiert. Hohlochs Replik ist wohl durchdacht. In diesem Falle, sagt er, wäre das AfD-Wählerpotenzial in Potsdam so groß, dass die Partei auch die Kommunalwahl im Frühjahr gewinnen würde.
Dass das so kommt, glaubt auch Hohloch nicht. „Potsdam ist für uns kein leichtes Pflaster.“
Das nächste Kandidaten-Porträt erscheint am Donnerstag: Martina Trauth (parteilos für Die Linke). Reihenfolge und Autoren haben wir per Los bestimmt