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Gut vernetzt. Bei Protesten des Vereins Zukunft Heimat in Cottbus redeten vor allem Mitglieder der AfD und von Pegida. Nur knapp die Hälfte der Beiträge stammt vom Verein selbst, dessen Mitglieder teils auch bei der AfD sind.
© Carsten Koall/dpa

Rechtsextremismus in Cottbus: „Latent antisemitische Weltbilder“

Wer steckt hinter dem Verein Zukunft Heimat, der in Cottbus gegen die Asylpolitik protestiert? Eine Potsdamer Forschungsstelle hat das untersucht.

Potsdam – Keine bloße Asylkritik, sondern klare Tendenz zum Rechtsextremismus: Bei den Protestveranstaltungen des Vereins Zukunft Heimat in Cottbus sei von einer „rechtsextremen Kampagne“ im Rahmen einer breiten „flüchtlingsfeindlichen Protestbewegung auszugehen“. Zu dieser Einschätzung kommt zumindest die Emil Julius Gumbel Forschungsstelle des Moses Mendelssohn Zentrums für europäisch-jüdische Studien in Potsdam. Für eine Studie wurden die Redebeiträge bei den Veranstaltungen des Vereins in den Jahren 2017 und 2018 analysiert, die nach den Gewaltvorfällen zwischen Deutschen und Flüchtlingen Anfang des Jahres großen Zulauf hatten und teils mehr als 1000 Demonstranten anzogen. Die Einschätzung der Forscher: Der Verein ist nicht so harmlos, die Versammlungen sind nicht so spontan, wie es scheinen mag – sondern folgen einer ausgefeilten Choreografie.

„In der öffentlichen Wahrnehmung erscheinen die Demonstrationen von Zukunft Heimat überwiegend als relativ spontane, anlassbezogene Proteste aus der Mitte der Cottbuser Gesellschaft“, heißt es in der 16-seitigen Studie mit dem Titel „Die Sprache der ,Asylkritik’“. Bei der Auswertung der politischen Selbstverortung der Redner trete hingegen die Bedeutung klar strukturierter, ideologisch geprägter Organisationen und Netzwerke für das Demonstrationsgeschehen klar in den Vordergrund. Zu den Akteursgruppen bei den Veranstaltungen gehörten neben Mitgliedern von Zukunft Heimat AfD, Pegida, rechtsextreme Dienstleister und Organisationen wie Ein Prozent und Identitäre Bewegung, andere asylfeindliche Institutionen wie Bürgerforum Südbrandenburg sowie Einzelpersonen. Von den 69 untersuchten Wortbeiträgen stammten 27 (39 Prozent) von Zukunft Heimat selbst. „Der primäre politische Partner von Zukunft Heimat ist die AfD“, schreiben die Potsdamer Forscher. AfD-Politiker hätten bei Kundgebungen 17 Mal das Wort ergriffen. Auch darüber hinaus bestehe eine enge Verbindung. So sei Marian von Stürmer aus Lübbenau, Mitglied des AfD-Landesvorstands, mehrfach als Ordner aufgetreten. Zukunft-Heimat-Gründer Christoph Berndt, Mediziner an der Berliner Charité, ist AfD-Mitglied. Dieser Schulterschluss, heißt es in der Untersuchung, wirke sich für die Partei „vermutlich werbend, jedenfalls aber nicht nachteilig aus“. So wurde die AfD im Wahlkreis Cottbus/Spree-Neiße mit 26,8 Prozent zur stärksten Kraft bei der Bundestagswahl 2017.

Viel Pegida, wenige Mütter und Väter aus Cottbus

Der zweite enge Partner mit zehn Auftritten ist laut Studie Pegida. Unterstützung habe der im August 2015 in Golßen (Dahme-Spreewald) gegründete Verein auch durch die rechtsextreme Agentur Ein Prozent erfahren, die auf ihrer Webseite für die Demonstrationsreihe warb.

Nur sieben Reden seien von Personen gehalten worden, die sich als Mütter, Väter, Bürger oder Bürgerrechtler präsentierten. Diese Auftritte, vermuten die Forscher, sollten dem Anliegen der Bewegung „Legitimität und Authenzität“ verleihen und zeigen, dass der Golßener Verein die Anliegen der Cottbuser vertrete. Bezüglich der Charakterisierung der Flüchtlinge falle die durchweg negative, verallgemeinernde Darstellungsweise auf. Flüchtlinge würden als gefährlich und kriminell präsentiert, die Existenz von Fluchtgründen werde weitgehend negiert. Gerne würden dabei für Flüchtlinge in ironisierender Weise die Worte „Fachkräfte“, „Kulturbereicherer“ und „Schutzsuchende“ verwendet.

Auch die Eliten gelten als "voksfremd"

Neben den Flüchtlingen seien auch die Eliten volksfremd, bedrohlich und kriminell. Mit der Behauptung, die Politik der Eliten diene dem „Austausch“ des Volkes, sei in Reden und auf Transparaten ein Bild mobilisiert worden, das auf rechtsextreme Kampagnen „gegen den Volkstod“ verweise. „Derartige Vorstellungen lassen mindestens latent antisemitische Weltbilder erkennen“, schreibt die Forschungsstelle.

Fazit der Wissenschaftler: Die „Sprache der Asylkritik“ von Zukunft Heimat weise erhebliche Schnittstellen zu rechtsextremen Ideologien und Denkweisen auf. In den Reden werde ein radikal ehtnischer Begriff von Volk und Nation vertreten und ein rassistisches Feindbild „Flüchtling“ mobilisiert. Mit dem unterstellten „Austausch“ des Volkes werde ein eindeutig rechtsextremes Motiv verwendet, das offen für antisemitische Verschwörungsmythen sei. Zu beachten sei, dass Zukunft Heimat eine Strategie gewaltfreien Protests bewerbe und „sich zumindest taktisch von extralegaler Gewaltanwendung abwendet“. 

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Keine Beobachtung

Der Verfassungsschutz in Brandenburg befasst sich schon seit geraumer Zeit mit dem Verein Zukunft Heimat, prüft fortlaufend, ob die Gruppe offiziell beobachtet werden muss. Trotz entsprechender Forderungen etwa der Grünen im Landtag ist das bislang nicht der Fall. Nach einer erneuten, von der Spitze des Innenministeriums angeordneten Untersuchung im Frühjahr bleibt es nach PNN-Informationen vorerst dabei. Es lägen keine gerichtsfesten tatsächlichen Anhaltspunkte vor, dass bei dem Verein zielgerichtete Bestrebungen zur Überwindung der freiheitlich demokratischen Grundordnung hinwirken. Dennoch, so heißt es aus der Verfassungsschutzabteilung des Ministeriums, nehme die nachweisbar rechtsextremistische Szene an den Demonstrationen von Zukunft Heimat teil. (axf)

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