Autohersteller meldet Änderungen an: Eine Milliarde Baukosten für Tesla in Grünheide
Tesla hat Änderungen für die Autofabrik in Grünheide angemeldet, abgespeckt werden die Pläne aber nicht. Auch eine Teststrecke soll entstehen.
Es ist ein Antragsformular wie bei jedem Einfamilienhaus, nur dass der Titel in diesem Fall so lautet: „Tesla Gigafactory Berlin-Brandenburg Errichtung eines Automobilwerkes.“ Seit Donnerstag ist auch der Bauantrag für das Milliardenprojekt des US-Elektroautobauers Elon Musk mit dem Einverständnis von Tesla von den Behörden im Internet veröffentlicht, was weit über die gesetzlichen Verpflichtungen in Deutschland hinausgeht. Es geht um insgesamt über 4000 Seiten, Genehmigungsanträge, die Umweltverträglichkeitsprüfung, diverse Gutachten, Baupläne und Zeichnungen, die einen Einblick erlauben, was im Rekordtempo in Grünheide am östlichen Berliner Ring entsteht. Ein Überblick.
Eine Milliarde Baukosten
Die Gigafabrik wird nicht abgespeckt. Trotz der Umplanungen ändert sich an der Kapazität nichts, in der „ersten Ausbaustufe“ sollen schon 500 000 Autos der Modellreihe Y pro Jahr vom Band rollen. Die Baukosten werden im Antrag mit 677 Millionen Euro brutto beziffert, davon 86 Millionen Euro für Architekten- und Ingenieurleistungen und 17,2 Millionen Euro für Gutachten und Beratung. Für die Maschinen sind weitere 300 Millionen Euro kalkuliert. Es bleibt auch beim verkündeten Starttermin: „Die Inbetriebnahme der Anlage ist im Juli 2021 vorgesehen.“ Um das zu schaffen, will Tesla auf eigenes Risiko mit dem Rohbau beginnen, noch vor der Hauptgenehmigung.
Der Konzern hat eine Zulassung für den vorzeitigen Baubeginn für die „kompletten Gebäudehüllen“ und aller Fundament- und Gründungsarbeiten beantragt. In diesem Extra-Schreiben (§8a) heißt es: „Die Realisierung des Projektes steht unter erheblichem Zeitdruck.“ Ursprünglich war vorgesehen, dass diese Arbeiten bereits „im Juni“ aufgenommen werden sollten. Mit der Fabrik sollen 12 000 Arbeitsplätze entstehen. Am Anfang werden es 6523 sein, darunter 1634 Frauen, die an Werktagen im Drei–Schichten-System arbeiten, 24-Stunden-Betrieb, an Wochenenden und an Feiertagen sind zwei Schichten geplant.
Neues Design plus Klappertest
Das Design, die Grundkonfiguration der „GF 4“, wurde noch einmal verändert. Geplant sind nun zwei Produktionshallen aus Stahlbeton, die statt 24 Meter 15 Meter hoch sind. Mit den Fließbändern in einer Ebene sollen Abläufe effizienter werden. In der Südwest-Haupthalle (289 000 Quadratmeter Bruttogeschossfläche) werden das Presswerk für die Bleche der Karosserie, die Lackiererei, die Gießerei (Aluguss), der Karosseriebau und die Endmontage untergebracht. In der Südost- Halle (27 000 Quadratmeter BGF) erfolgt die Montage der Antriebe (Drive Unit). Dazwischen sind weitere Gebäude geplant, etwa die Sprinklerzentrale oder die Werkfeuerwehr, die allein 165 Mitarbeiter haben wird.
Der neue Antrag war auch deshalb notwendig, weil für Teile der Fabrik wegen des Sandbodens Pfahlgründungen gebraucht werden, die im Antrag vom Dezember 2019 noch nicht enthalten waren, und zwar für die Gießerei und das Presswerk. Tesla hat ein Gutachten beigelegt, wonach es keine Negativwirkungen für das Grundwasser hätte, nicht einmal, wenn für die gesamte Fabrik 10 000 bis 15 000 Betonpfeiler in den Boden gerammt würden – nun werden es deutlich weniger.
Neu ist, dass auf dem Gelände für die Endkontrolle eine Teststrecke entsteht, „eine Bodenwellen, Quietsch- und Klappergeräusche–Strecke“. Dort sollen dann 1429 Fahrzeuge pro Tag auf 50km/h „beschleunigt und schnell abgebremst, „um jegliches Quietschen oder Klappern des Fahrzeuges zu erkennen“. Qualitätsprobleme, wie sie Tesla jetzt in den USA hat, sollen bei der vierten Gigafabrik (GF4) von vornherein vermieden werden.
Energie und Wasser
Die neue Fabrik wird deutlich weniger Energie und Wasser verbrauchen als noch Ende 2019 vorgesehen, was eine Genehmigung erleichtert. Möglich wird dies vor allem, weil auf eine Vor-Ort-Fertigung von Kunststoffteilen verzichtet wird, die nun angeliefert werden. Auch eine Montage von Batterie-Einheiten fällt weg, eine eigene Batteriezellenproduktion war nie geplant. Die Fabrik benötigt laut Antrag nun statt 372 nur noch 233 Kubikmeter Wasser pro Stunde, das sind im Jahr 1,4 Millionen Kubikmeter pro Jahr, die der örtliche Zweckverband liefern kann. Erstaunlich ist für einen Konzern mit der Energiewende als „Mission“, dass laut Formular zur „Einhaltung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes“) bisher keine Solarkollektoren vorgesehen sind. Tesla versichert aber, dass auf den Dächern Photovoltaikanlagen definitiv installiert werden.
40 Hektar mehr Wald wird gerodet
Um das erste Baufeld freizumachen, waren auf dem 300-Hektar-Areal mit Kiefernwald unmittelbar an der Autobahn 92 Hektar gerodet worden. Nun sollen insgesamt 190 Hektar gefällt werden, 40 Hektar mehr als geplant, für die der Konzern weit über das verpflichtende Maß hinaus Ausgleichsleistungen übernimmt. Für die Umsiedlung geschützter Arten hat Tesla südlich des Fabrikgeländes ein 4,9 Hektar großes Ersatzhabitat geschaffen, wobei bisher nur sechs Waldameisenvölker und eine Zauneidechse gefunden und umgesiedelt wurden. Für die für Herbst geplanten Rodungen wird gerade erfasst, welche geschützten Tiere dort leben.
Eigener Zugshuttle nach Erkner?
Zur Verkehrsanbindung gibt es parallel separate Planungen und Verfahren. Nach dem Antrag kommen zunächst 70 Prozent der Belegschaft mit dem Pkw, knapp 3000 Parkplätze sind geplant. 755 Lkw sollen täglich Material anliefern. Tesla plant weiter eine Verlegung des Bahnhofes Fangschleuse nach Westen, damit die Mitarbeiter aus dem R1 aussteigen und direkt im Werk sind. Da die Realisierung dieses Vorhabens langwierig ist, sind zunächst Bus-Shuttle vorgesehen. Tesla setzt dem Vernehmen nach nun auf eine ungewöhnliche Idee: Auf dem Fabrikgelände gibt es bereits ein bisher totes Gleis, das mit der viel befahrenen Ost-West-Eisenbahnstrecke Berlin-Frankfurt/Oder verbunden ist. Der Konzern lässt prüfen, ob ein Tesla-Shuttle-Zug direkt vom Werkgelände zum Bahnhof Erkner pendeln kann.
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