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SPD, CDU und Grüne haben sich auf eine Koalition für Brandenburg geeinigt.
© Patrick Pleul/dpa

Pläne der Landesregierung: Der Kenia-Koalitionsvertrag in Brandenburg im Überblick

SPD, CDU und Grüne haben sich Ende Oktober auf eine gemeinsame Regierung für Brandenburg geeinigt. Die wichtigsten Punkte des Koalitionsvertrages im Überblick.

Potsdam - Knapp sieben Wochen nach der Landtagswahl steht in Brandenburg die künftige Kenia-Koalition aus SPD, CDU und Grünen, die SPD-Ministerpräsident Dietmar Woidke führen wird.

Am 25. Oktober 2019 haben die Koalitionäre auf einer Pressekonferenz in Potsdam den Koalitionsvertrag präsentiert.

Der dieser Zeitung vorliegende 85-Seiten-Entwurf enthält neben den bereits verkündeten Beschlüssen auch manch Neues, verborgene Überraschungen und spannende Details. Ein Überblick, was „Kenia“ in Brandenburg bis 2024 vorhat. 

VERKEHR
Rot-Schwarz-Grün plant Verbesserungen für Pendler. „Die Koalition wird das Angebot im Schienenpersonennahverkehr durch mehr Züge, mehr Sitzplätze und eine bessere Taktung erheblich aufstocken“, heißt es im Entwurf, über den die MAZ zuerst berichtet hatte. „Ziel ist es, an allen Bahnhöfen in Brandenburg tagsüber sowie an Werktagen mindestens einen Stundentakt im Regionalverkehr einzurichten.“ Als „Grundtakt“. Auf stärker frequentierten Strecken sollen zwei, drei oder sogar vier Zugpaare pro Stunde angeboten werden. „Für die S-Bahn in Brandenburg ist der 10-Minutentakt unser langfristiges Ziel.“ Eingleisige Abschnitte werden schrittweise ausgebaut. Von Berlin und benachbarten Metropolen wie Dresden aus sollen die Oberzentren, also Brandenburg, Cottbus, Frankfurt/Oder in 60 Minuten und Mittelzentren in 90 Minuten erreichbar sein. Die Einführung eines 365-Euro-Tickets wird geprüft.

LANDESENTWICKLUNG/WOHNEN 
"Kenia" will Brandenburg zusammenführen, dem Leben auf dem Land „neue Impulse“ geben. Ziel sind gleichwertige Lebensverhältnisse im ganzen Land. Der gemeinsame Landesentwicklungsplan mit Berlin wird kritisch überprüft, auch die Vorgaben zur Siedlungsentwicklung. Die Zusammenarbeit mit Berlin in der Wohnungspolitik soll ausgeweitet werden. „Das schließt auch ein Dialogangebot an Berlin zur Nutzung von Flächen der Berliner Stadtgüter für den Wohnungsbau in Brandenburg ein.“ Für Brandenburg plant Kenia eine „Wohnungsbauoffensive“. Auch Wohnraum für Studenten, der besonders in Potsdam knapp ist, ist ein Thema im Vertragsentwurf. Die Koalition fördere die Schaffung von Wohnraum für Studierende und Auszubildende, heißt es. „Studentenwerke befähigen wir, selbst Kredite aufzunehmen.“ An jedem Hochschulstandort werde eine Versorgungsquote von 20 Prozent angestrebt. Brandenburgs Bauordnung soll so novelliert werden, dass das Bauen „mit dem klimafreundlichen Material Holz erleichtert wird.“ 

INTERNET UND MOBILFUNK 
Ziel ist bis 2025 eine flächendeckende Versorgung mit Glasfaserinfrastruktur. Kenia will die Funklöcher stopfen. „Die Koalition wird sicherstellen, dass ein leistungsfähiges Mobilfunknetz auf 4G/LTE-Niveau zügig und flächendeckend in allen Teilen Brandenburgs bereitgestellt wird.“ 

KITA
Wie von Elternvertretern gefordert, wird das Kitagesetz „grundlegend überarbeitet“ Dabei soll zusammen mit den Beteiligten, also Kommunen, Eltern und Trägern, klar geregelt werden, wer welchen Part bei der Finanzierung übernimmt. Immer wieder gibt es in Brandenburg gerichtliche Auseinandersetzungen über Kitagebühren und Essensgeld. Im Jahr 2022 soll das vorletzte Kitajahr beitragsfrei werden, zwei Jahre später soll dann der gesamte Kindergartenbereich für Kindern ab drei Jahren für Eltern beitragsfrei sein. Zudem wird der Betreuungsschlüssel schrittweise verbessert. „Die Koalition wird zum 1.8.2020 in einem ersten Schritt den Schlüssel für die Kita auf 1:10 absenken und ab 2021 den Personalschlüssel in der Krippe in drei Schritten auf 1:4 absenken“, heißt es in dem Entwurf. 

SCHULE UND HOCHSCHULE 
Alle Schulstandorte sollen bleiben. Die Schulstruktur wird nicht angetastet. Hierfür können Oberschulen im Einzelfall auch einzügig geführt werden. Die aktuelle Schüler-Lehrer-Relation wird beibehalten, das heißt die Koalition will alle ausscheidenden Lehrer - entsprechend der Schülerzahlen - „vorausschauend ersetzen“. Zudem gibt es einen neuen Anlauf für das Landlehrerstipendium. Um Inklusion, den gemeinsamen Unterricht von Kinder mit und ohne Förderbedarf voranzubringen, sollen die Schulen mit 400 zusätzlichen Fachkräften unterstützt werden. Der Einschulungsstichtag wird so verändert, dass keine Fünfjährigen mehr eingeschult werden. Bislang war die aktuelle Brandenburger Regelung vom SPD-geführten Bildungsministerium verteidigt worden, die von Eltern immer wieder geforderte Änderung wurde abgelehnt. Nun heißt es: „Damit künftig regelmäßig keine fünfjährigen Schüler mehr eingeschult werden, wird als Einschulungsstichtag der 30. Juni festgelegt.“ Bislang gilt der 30. September. Das hat zur Folge, dass auch Kinder in die Schule kommen, die erst fünf sind. Brandenburgs Hochschulen bekommen mehr Geld. „Studiengebühren lehnt die Koalition ab.“ 

KLIMASCHUTZ UND ENERGIE
Für die Koalition ist der Ausstieg aus der Braunkohle bis spätestens 2038 besiegelt. „Mit dieser Koalition wird es keine neuen Tagebaue, keine Tagebauerweiterungen und keine Umsiedlung von Dörfern mehr geben.“ Gleichzeitig bekennt sich die Koalition – unter Beachtung der Umweltanforderungen – zur geordneten Fortführung des Tagebaus Jänschwalde gemäß Braunkohleplan. "Kenia" hält am Ausbau der Windkraft von derzeit 7000 Megawatt auf eine Kapazität von 10.500 Megawatt bis 2030 fest, wobei der Ausbau nur außerhalb eines Radius von 1000 Metern zur Wohnbebauung zulässig sein soll. Für besonders belastete Gebiete soll ein Abstand von 1500 Metern geprüft werden. Der unter Rot-Rot abgeschaffte Nachhaltigkeitsbeirat des Landes wird wieder eingerichtet. „Wir wollen, dass Brandenburg spätestens im Jahr 2050 klimaneutral wirtschaftet und lebt.“

POLIZEI UND JUSTIZ 
Mehr Polizisten und Juristen: Die Koalition will die Zahl der Polizisten bis zum Ende der Legislaturperiode auf mindestens 8500 erhöhen, derzeit sind es 8200. Vor dem Hintergrund der zu erwartenden Pensionierungen sollen jährlich 400 Polizeianwärter ausgebildet werden. Zusätzlich werden 40 Stellen für nicht näher benannte Spezialisten geschaffen. Brandenburg braucht vor allem Experten für Cybercrime. Gleichzeitig bekennt sich Rot-Schwarz-Grün zum Verfassungsschutz und will auch die Justiz besser ausstatten und die langen Verfahrenszeiten verkürzen. Jährlich sollen Einstellungskorridore von zusätzlichen 30 Stellen für Nachwuchsjuristen für Gerichte und Staatsanwaltschaften geschaffen werden.

SOZIALES UND GESUNDHEIT
Die Koalition will einen Pakt für Pflege in Höhe von 30 Millionen Euro auflegen und dafür das zuständige Ressort personell stärken. Zudem sollen alle Krankenhausstandorte im Land erhalten werden. „Damit die Kliniken die Aufgaben der Zukunftssicherung bewältigen können, stellt die Koalition in der neuen Legislaturperiode mindestens 110 Millionen Euro pro Jahr zu Verfügung."

BER UND ILA 
"Kenia" setzt auf den BER–Start im nächsten Jahr. „Wir gehen davon aus, dass die Flughafengesellschaft Berlin-Brandenburg (FBB) für eine Inbetriebnahme des BER in 2020 sorgen wird“, heißt es. „Der BER, bestehend aus dem Hauptterminal und dem Terminal 2, muss zügig und funktionssicher fertiggestellt werden und in einen für TÜV und Baubehörde genehmigungsfähigen Zustand versetzt werden.“ Eine dritte Start- und Landebahn am BER wird ausgeschlossen. Die Koalition will den BER-Masterplan „prüfen". Die Koalition will eine Nachtflugverbot am BER von 22 bis sechs Uhr. Und: „Die Koalition ist sich einig, dass die Flughafengesellschaft profitabel wirtschaften muss.“ Eine Aussage, dass kein neues Geld für den BER bewilligt wird, findet sich nicht. "Kenia" will die Internationale Luft- und Raumfahrtausstellung ILA „bis in die 30er Jahre am Standort“ sichern. Eine Aussage zum militärischen Teil findet sich nicht. 

OSTDEUTSCHE INTERESSEN
Auch in Brandenburg sind 30 Jahre nach dem Mauerfall Ostdeutsche in Führungsjobs von Verwaltung und Justiz, Wirtschaft und Medien, Wissenschaft und Kultur unterrepräsentiert, was "Kenia" ändern will. „Wir werden mit gutem Beispiel vorangehen und uns dafür einsetzen, dass die Repräsentationslücke im Landesdienst geschlossen wird.“ Wer ein Brandenburger ist, definieren die Koalitionäre so: „Brandenburgerinnen und Brandenburger sind dabei für uns alle Menschen unabhängig von der Herkunft ihrer Eltern oder ihrer eigenen Herkunft, die gegenwärtig ihren Hauptwohnsitz in Brandenburg haben oder früher hatten.“

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