Streit im Landtag: CDU hält rot-roten Doppelhaushalt für verfassungswidrig
Die rot-rote Landesregierung in Brandenburg will einen Etat über die Legislatur hinaus beschließen. CDU hält das für verfassungswidrig.
Potsdam - Ein Jahr vor der Landtagswahl fährt die von Oppositionsführer Ingo Senftleben geleitete Union schwere Geschütze gegen Brandenburgs rot-rote Landesregierung auf: Der 44-jährige designierte Herausforderer von Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) hat jetzt „definitiv“ eine Normenkontrollklage beim Landesverfassungsgericht gegen den rot-roten Doppelhaushalt für die Jahre 2019 und 2020 angekündigt, der am Mittwoch in zweiter Lesung im Landtag beraten wurde und am Freitag verabschiedet werden soll.
Für verfassungswidrig hält die CDU, dass ein jetzt verabschiedeter Haushalt für das Jahr 2020 damit komplette das erste volle Jahr der nächsten Legislaturperiode umfasst. Sie beruft sich auf ein Gutachten von Professor Christoph Gröpl, Staatsrechtsexperte und Hochschullehrer an der Universität des Saarlandes.
"Die Herrschaft der Toten über die Lebenden“
Er werde Prozessbevollmächtigter der CDU beim Verfahren um den Haushalt 2020 sein, sagte Senftleben. Als 2013 in Nordrhein-Westfalen der dortige Verfassungsgerichtshof den Haushalt für nichtig erklärte, hatte Gröpl die Klage ausgearbeitet. In Brandenburg sei der geplante Haushalt für 2020 „verfassungswidrig“, „es wäre die Herrschaft der Toten über die Lebenden“, sagte Gröpl am Mittwoch in Potsdam. „So einen Haushalt, der so weit in die Wahlperiode eines kommenden Landtages eingreift, hat es noch nie in der Geschichte der Bundesrepublik gegeben.“
Senftleben hat einen Verdacht
Brandenburg wählt am 1. September 2019 einen neuen Landtag, den siebten seit 1990. Brandenburgs Verfassung gibt vor, dass innerhalb von drei Monaten eine neue Regierung gebildet sein muss, sonst gibt es Neuwahlen. Senftleben äußerte einen Verdacht, warum die von Woidke geführte rot-rote Koalition – trotz der juristischen Risiken und politischen Angreifbarkeit – jetzt unbedingt gleich einen Etat für 2020 mitbeschließen lassen will: Offenbar sei der rot-rote Plan wegen der politisch labilen Lage, nach der Landtagswahl in einer Minderheitenregierung weiter zu regieren und auch im Falle eines Wahlerfolges der CDU weiter den Ministerpräsidenten zu stellen.
Finanzminister widerspricht
Tatsächlich gilt der Wahlausgang als völlig unkalkulierbar, wird es nach dem seit über einem Jahr anhaltenden Umfragetrend nicht mehr für eine Zweier-Koalition egal in welchen Farben reichen. Zuletzt lagen AfD und SPD mit 23 Prozent auf Platz eins, gefolgt von Union (21), Linken (17) und Grünen (7).
„Dieser Haushalt ist verfassungskonform. CDU und AfD reiten mit ihren Klagen ein totes Pferd“, widersprach Finanzminister Christian Görke (Linke). Er begründete den Doppelhaushalt mit Planungssicherheit. „Niemand weiß, wann die Regierungsbildung nach der Landtagswahl abgeschlossen sein wird.“ Das Land, ob im Kultur- oder Sozialbereich, ob in der Wirtschaft oder bei Investitionen, brauche aber Planungssicherheit. Er zählte viele Bundesländer auf, in denen ebenfalls schon Haushalte für ein komplettes Jahr der neuen Legislaturperiode beschlossen worden waren, darunter Berlin und Hessen.
Aktuell plane auch das CDU-regierte Sachsen – dort wird am gleichen Tag wie in Brandenburg gewählt – einen Doppelhaushalt für 2019 und 2020. SPD-Vertreter verwiesen darauf, dass auch der Parlamentarische Beratungsdienst des Landtages in einem Gutachten die Verfassungsmäßigkeit des Haushaltes bestätigt habe.
In der jüngeren Geschichte des Landes seit 1990 konnte noch nie eine Regierung so viel Geld ausgeben wie die Koalition von SPD und Linke unter Woidke. Der Etat sieht Ausgaben von 12,5 Milliarden Euro 2019 und 12,8 Milliarden Euro 2020 vor, ohne neue Schulden zu machen. Vor zehn Jahren hatten Haushalte in Brandenburg ein Volumen von zehn Milliarden Euro.
Oppositionsredner wie Grünen-Fraktionschef Axel Vogel rügten, dass Rot-Rot trotzdem über eine Milliarde Euro aus der Spar-Rücklage des Landes nehme, die in den letzten Jahren dank steigender Steuereinnahmen inzwischen mit 1,6 Milliarden Euro prall gefüllt ist. „Aus Steuergeld werden Wahlkampfgeschenke unter die Leute gestreut“, sagte Vogel. Auch Brandenburgs Rechnungshofpräsident Christoph Weiser hatte jüngst kritisiert, dass die Koalition „in guten Zeiten die Rücklage aufbraucht, die für schlechte Zeiten vorgesehen ist.“
Auch AfD will klagen
Neben der Union hat auch die AfD bereits eine Verfassungsklage – das Gericht wird darüber in neuer Besetzung entscheiden – gegen den Etat 2020 angekündigt. Rot-Rot drohe die Abwahl, sagte AfD-Chef Andreas Kalbitz. Jetzt einen Etat für 2020 zu verschiedenen sei Sabotage und eine Verletzung des Demokratieprinzips.
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