Eskalation in der Einkaufsstraße: 700 Menschen protestieren in Potsdam gegen Corona-Politik
In der Potsdamer Innenstadt stießen am Samstagnachmittag Corona-Skeptiker und Gegendemonstranten aufeinander. Das Agieren der Polizei stößt auf Kritik.
Potsdam – Erneut sind am Samstagnachmittag Corona-Skeptiker:innen durch die Potsdamer Innenstadt gezogen. Wie am Samstag vor einer Woche schon machten sich die Demonstrant:innen einen Spaß daraus, die Polizei zu narren. Die Maskenpflicht ignorierten sie, mehrmals wechselten sie die Richtung.
Die Spontandemo hatte sich aus einer angemeldeten Kundgebung mit mehreren Hundert Teilnehmenden gelöst. In der Brandenburger Straße prallte die Gruppe auf linke Gegendemonstrant:innnen, die ihnen mit Fahrrädern den Weg versperrten. Die Situation eskalierte kurz, es kam zu Festnahmen.
Mit Provokationen gegen die "Corona-Diktatur"
Angeführt wurde die unerlaubte Demonstration von Michael B., einem Berliner Fetischparty-DJ. Seit über einem Jahr protestiert B. als „Captain Future“ im gelben Superheldenkostüm gegen die angebliche „Corona-Diktatur“. Dabei folgt ihm stets eine kleine Gruppe von Anhänger:innen.
Mehrfach provozierten sie in den letzten Monaten mit grotesken Aktionen, stürmten zum Beispiel ohne Maske in Supermärkte und sangen „Ein bisschen SARS muss sein“ zur Melodie eines bekannten Schlagers. Dabei filmten sie sich selbst und veröffentlichten die Videos auf YouTube.
Als „Captain Future“ auf die Fahrradsperre traf, stutzte er kurz. „Haut ab!“, riefen die zum großen Teil schwarz gekleideten Gegendemonstrant:innen. Doch dann liefen B. und seine Gefolgsleute einfach seitlich an ihnen vorbei.
Polizei nahm Gegendemonstranten fest
Die Polizei ließ sie gewähren und ging gegen die Gegenproteste vor. In der Dortustraße kam es zu Handgemengen zwischen einigen Linken und zwei Männern aus der Corona-Demo. Die Polizei schritt ein und nahm mindestens drei Antifas vorübergehend fest. Die Gruppe um Michael B. zog unterdessen noch ein wenig umher und löste sich bald darauf selbst auf.
Zuvor hatten etwa 700 Corona-Skeptiker:innen eine Kundgebung auf der Freifläche am Neuen Lustgarten abgehalten. Auf Plakaten wurde das Ende eines angeblichen „Impfzwangs“ gefordert.
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Ein Mann hatte sich ein Schild um den Bauch gehängt mit der Aufschrift „Das System Merkel muss weg!“ Ein anderer trug das Kostüm eines amerikanischer Ureinwohners und eine Trommel.
Die Polizei hatte den Platz mit Gittern und Flatterband abgesperrt. Auf der Kundgebung galt Maskenpflicht, doch nur ein Teil der Anwesenden hielt sich daran. Einige von ihnen verwiesen auf ärztliche Atteste, die sie von der Pflicht befreien würden.
150 solcher Atteste seien vorgelegt worden, teilte eine Polizeisprecherin später mit. Im Laufe des Nachmittags trafen auch zwei Autokorsos ein, deren Teilnehmer:innen sich der Kundgebung anschlossen.
Gegendemo mit 300 Teilnehmenden
In Sicht- und Hörweite, vor dem Filmmuseum, fand zeitgleich eine linke Gegenkundgebung statt, an der etwa 300 Menschen teilnahmen. Von Anfang an lag Spannung in der Luft. Eine Rednerin warf den Demonstrierenden auf der anderen Seite der Absperrung vor, Verschwörungsmythen und Antisemitismus zu verbreiten.
Eine große Gruppe von Gegendemonstrierenden zog mit Fahrrädern über die vollgesperrte Breite Straße, viele zeigten den Corona-Protesten den gestreckten Mittelfinger.
Laut Polizei war diese Fahrraddemo nicht angemeldet. Von der Gruppe sei aufgrund von „stark verkehrswidrigem Verhalten“ Gefahr ausgegangen, eine Anzeige wegen Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz sei aufgenommen worden, so die Sprecherin.
Der Autoverkehr wurde an der Langen Brücke und am Rechenzentrum umgeleitet, dabei kam es zum Teil zu Staus. Der Einsatzleiter der Polizei, Karsten Schiewe, bezeichnete den Einsatz als erfolgreich und bedankte sich bei den Potsdamerinnen und Potsdamern für ihr Verständnis: „Die Verkehrsbeeinträchtigungen im Potsdamer Innenstadtbereich waren erheblich, aber notwendig, um das hohe Rechtsgut der Versammlungsfreiheit zu gewährleisten.“
Der Anmelder der Gegenkundgebung, Lutz Boede (Die Andere), kritisiert das Vorgehen der Polizei. "Ich begreife das nicht", sagte er den PNN am Sonntag. Die Einsatzleitung habe sowohl die Verletzung der Maskenpflicht ignoriert als auch dem unerlaubten Aufzug um "Captain Future" den Weg freigemacht. Deshalb werde er eine Dienstaufsichtsbeschwerde einreichen.
Auch im sozialen Netzwerk Twitter wird die Polizei kritisiert. Mehrere User:innen wollen überdies beobachtet haben, dass "Captain Future" und seine Gefolgschaft am Gedenkort für die Corona-Toten an der St. Peter und Paul-Kirche am Bassinplatz Fotos gemacht und die Opfer der Pandemie verhöhnt hätten.