Kundgebungen am Samstag in Potsdam: Was bei den Corona-Protesten zu erwarten ist
Fundamentalistische Christen, Esoterikfreunde und "Feierbiester" aus der Berliner Fetisch-Szene demonstrieren am Samstag zusammen in Potsdam.
Potsdam - Die Kundgebung gegen die Corona-Maßnahmen wird am Samstag auf der Freifläche des Neuen Lustgartens in der Potsdamer Innenstadt stattfinden. Die ursprünglich am Brandenburger Tor geplante Veranstaltung wurde dorthin verlegt.
Nur wenige Meter entfernt, vor dem Filmmuseum, wird es zeitgleich eine Gegenkundgebung geben unter dem Motto „Ausgeschwurbelt! Gemeinsam gegen Corona, Quatschdenken und Nazigeschwurbel!“
Die Corona-Skeptiker:innen machen, wie mittlerweile üblich, massive Werbung im sozialen Netzwerk Telegram. Diverse Videos rufen zur Teilnahme auf. Unter anderem hat sich Christian Stockmann angekündigt, der Gründer einer Initiative namens “Christen im Widerstand”.
Ein seltsamer Pastor
Stockmann ist Pastor einer kleinen evangelikalen Gemeinde in Berlin-Wedding. Seit März 2020 tritt er regelmäßig bei Veranstaltungen der Querdenken-Bewegung auf. Im August sang er vor über 10.000 Demonstrantinnen in Berlin: “Wach auf Deutschland, mein geliebtes Deutschland. Die Zeit deiner Knechtschaft ist vorbei!”
"Stockmann stellt seine Initiative bewusst in die Tradition des christlichen Widerstandes gegen den Nationalsozialismus”, sagt Martin Fritz von der Evangelischen Zentralstelle für Weltanschauungsfragen (EZW). Gottesdienste halte er ohne Maske ab und inszeniere sich dabei als Nachfolger des konservativen Theologen Dietrich Bonhoeffers, der von den Nazis ermordet wurde.
“Pfarrer, die den staatlichen Hygieneanordnungen Folge leisten, vergleicht Stockmann mit Pfarrern, die damals für Hitler gebetet und den Hitler-Gruß gezeigt haben.” Aufgrund solcher Aussagen habe sich der Bund freikirchlicher Pfingstgemeinden, dem Stockmanns Gemeinde früher angehörte, inzwischen von ihm getrennt.
"Feierbiester" wollen zu Schlager tanzen
Am Samstag werden die “Christen im Widerstand” unter anderem gemeinsam mit der coronaskeptischen Kleinpartei “Die Basis” und der esoterisch angehauchten Initiative “Eltern stehen auf” demonstrieren. Der brandenburgische Verfassungsschutz bezeichnet das Protestmilieu als “dynamisch und heterogen”. Da sind seltsame Allianzen nicht selten. Doch diesmal wird Stockmanns fromme Gruppe auch zusammen mit der “Freedom Parade” um Michael B. alias “Captain Future” demonstrieren.
B. war vor der Pandemie als DJ in der Berliner Fetischszene aktiv, jetzt ist er eine feste Größe bei den Corona-Protesten. Einem Kamerateam von Spiegel-TV präsentierte er kürzlich seine Wohnung, in der er einen Darkroom für Sexpartys eingerichtet hat. Am Samstag will B. mit seinen Anhänger:innen, die er “renitente Feierbiester” nennt, zu Schlagermusik tanzen.
"Das darf nicht unwidersprochen bleiben."
Trotz aller Absurditäten ist Lutz Boede (Die Andere) nicht zum Lachen zumute. Deshalb hat er die Gegenkundgebung angemeldet. „Wir wollen verhindern, dass Potsdam ein Aufmarschgebiet für Leute wird, die keine berechtigte Kritik an der verfehlten Corona-Politik äußern, sondern durch Falschinformationen und Hetze eine Entsolidarisierung der Gesellschaft befördern", sagt er.
Auch die Linke-Politikerin Isabelle Vandre warnt: „Die Coronaleugner:innen haben enge Verbindungen zu Rechtsradikalen und kruden Verschwörungstheoretiker:innen. Sie verhöhnen die Opfer der Pandemie und planen ein weiteres Super-Spreading-Event, trotz der dritten Welle. Das darf nicht unwidersprochen bleiben.“
Der Verein ProWissen Potsdam unterstützt die Gegenproteste mit einer digitalen Ausstellung auf der eigenen Website. Die in Zusammenarbeit mit der Universität Potsdam erstellte Online-Schau soll den Veranstalter:innen zufolge zeigen, “wie Verschwörungsmythen entstehen, was sie anrichten und wie man ihnen begegnen kann”.
Anmelder:innen müssen Maskenpflicht durchsetzen
Laut Eindämmungsverordnung sind Versammlungen unter freiem Himmel “ausschließlich ortsfest und mit höchstens 500 Teilnehmerinnen und Teilnehmern zulässig”. Anmeldende müssen vorher ein Hygienekonzept vorlegen und während der Veranstaltung die Einhaltung von Maskenpflicht und Abstand durchsetzen.
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Im Gegensatz zum Platz vor dem Brandenburger Tor, wo die unerlaubten Proteste-Umzüge letzte Woche ihren Anfang nahmen, dürfte es für die Polizei am neuen Treffpunkt zwischen Henning-von-Tresckow-Straße und Havelufer einfacher sein, sowohl die Gruppen auseinanderzuhalten als auch Spontandemos zu verhindern.
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