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Trotz Absage waren Demonstranten zum Treffpunkt am  Brandenburger Tor gekommen.
© Christoph M. Kluge
Update

Corona-Proteste in Potsdam: Chaotische Szenen bei "Es reicht"-Demo

Unerlaubt demonstrierten am Samstag in Potsdam rund 150 Menschen gegen die Corona-Maßnahmen. Die Polizei hatte die Lage nicht im Griff.

Potsdam - Die Veranstaltung unter dem Motto “Es reicht!” war eigentlich kurzfristig abgesagt worden. Dennoch zogen am Samstagnachmittag etwa 150 Personen durch die Potsdamer Innenstadt, um gegen die Corona-Maßnahmen zu protestieren. Dabei erlaubt die Eindämmungsverordnung nur stehende Proteste und schreibt Maskenpflicht vor. Doch die Demonstrant:innen liefen einfach los – ohne Erlaubnis und größtenteils ohne Maske. Die Polizei benötigte mehr als eineinhalb Stunden, um die Situation wieder unter Kontrolle zu bekommen. 

"Frieden, Freiheit, keine Diktatur!", riefen die Demonstranten gegen 13 Uhr vor dem Brandenburger Tor. Zwar kursierte eine Absage in einschlägigen Telegram-Gruppen, doch die hatten offenbar nicht alle mitbekommen. Andere waren einfach trotzdem gekommen. Auch der AfD-Politiker Chaled-Uwe Said stand mit einer Fahne seiner Partei in der Menge.  

Wasserwerfer und Räumpanzer im Einsatz

Die Polizei hatte schweres Gerät aufgefahren. Zwei Wasserwerfer und ein Räumpanzer fuhren am Luisenplatz vorbei. Ein Beamter forderte die Demonstrierenden über Lautsprecher zum Verlassen des Platzes auf. Ein Teilnehmer versuchte noch, eine Versammlung anzumelden. Doch nach Auskunft von Polizeisprecher Heiko Schmidt zog der Mann die Anmeldung wieder zurück.

Auf der Breite Straße bildete sich kurz darauf eine unerlaubte Demonstration. Die zog am Landtag vorbei, drehte wieder um und wurde an der Nikolaikirche von einer Polizeikette gestoppt. Die Demonstrierenden machten erneut kehrt und liefen durch die Französische Straße. Dabei riefen sie Sprechchöre. Als von vorn Polizei auftauchte, drehten sie noch einmal um. Kurz danach war das Katz-und-Maus-Spiel vorbei. Die Gruppe zerstreute sich. 

Etwa 150 Personen zogen durch die Innenstadt, die meiste Zeit unbehelligt von der Polizei.
Etwa 150 Personen zogen durch die Innenstadt, die meiste Zeit unbehelligt von der Polizei.
© Christoph M. Kluge

Entlang der Strecke protestierten linke Gegendemonstrant:innen in Kleingruppen. Bettina Franke von der Partei "Die Partei" beteiligte sich daran. "Ich habe keinen Bock auf diese Schwurbler", sagte sie den PNN. Am Platz der Einheit stellte sich ein einzelner vermummter Mann mit einer “Antifa”-Fahne in den Weg der Demo. Die Polizei nahm ihn mit mehreren Beamtinnen und Beamten fest. Auf der Seite der Corona-Skeptiker kam es nach Polizeiangaben zu sieben Personalienfeststellungen. Gegen eine 58-jährige Frau aus Potsdam-Mittelmark sei Anzeige wegen eines verbotenen, rechtsextremen Symbols erlassen worden.

Erste Veranstaltungen von Potsdamer Heilpraktikerin

Seit Beginn des Lockdowns hat es in Potsdam immer wieder Kundgebungen gegen die Corona-Maßnahmen gegeben, meist aus dem esoterischen Milieu. Die ersten Veranstaltungen waren bereits im Mai 2020 von einer Potsdamer Heilpraktikerin organisiert worden. Im Sommer gab es einige kleinere Aktionen. Im November legte eine Initiative namens “Eltern stehen auf” Kuscheltiere vor dem Landtag aus, um gegen die Maskenpflicht an Schulen zu protestieren. 

Festnahme eines Gegendemonstranten am Platz der Einheit.
Festnahme eines Gegendemonstranten am Platz der Einheit.
© Christoph M. Kluge

Im Dezember machte eine illustre Reisegruppe Halt in der Landeshauptstadt. Mehrere Aktivist:innen aus der Querdenken-Bewegung fuhren wochenlang mit einer “Frauen-Bustour” durch Deutschland. Die Aktion wurde von zum Teil grotesken Livestreams im Internet begleitet. In Potsdam beendete die Polizei eine Kundgebung der Gruppe, weil Auflagen nicht einhalten wurden. Und zuletzt hatte die Polizei Mitte Januar eine nicht angemeldete Demo in der Innenstadt aufgelöst. Eine 52 Jahre alte Teilnehmerin biss dabei einem Polizisten in den Finger und kam in Gewahrsam. 

Weitere Proteste am nächsten Wochenende

Für den kommenden Samstag sind schon wieder Corona-Proteste in der Landeshauptstadt angekündigt. Aufgerufen dazu wird von einem Bündnis, dem unter anderem die Basisdemokratische Partei (Die Basis) angehört. Diese Kleinpartei hatte zuletzt einen Landesverband Brandenburg gegründet - mit einem in der Stadt Potsdam nicht unbekannten Spitzenmitglied: Susanne Müller-Rubelt ist in der Partei eine sogenannte "Säulenbeauftragte für Machtbegrenzung".  

Die Homöopathin ist auch Ehefrau des Baudezernenten Bernd Rubelt (parteilos) - der dieses Engagement wie berichtet als Privatsache betrachtet. Eine PNN-Anfrage, wie er zu der von der Basisdemokratischen Partei äußerst kritisch beäugten Impfkampagne gegen Corona steht, hatte er inhaltlich nicht beantwortet.

Bettina Franke (Die Partei) nahm an den Gegenprotesten teil. 
Bettina Franke (Die Partei) nahm an den Gegenprotesten teil. 
© Christoph M. Kluge

Und zu der Frage, ob er nun seine Gattin bei der Demonstration begleiten wird, bei der viele Corona-Leugner zu erwarten sind, ließ Rubelt den PNN mitteilen: Laut seinem Terminkalender sei "zu diesem Zeitpunkt eine dienstliche Teilnahme an einer Demonstration ausdrücklich nicht geplant".  

Für Irritationen hatte übrigens gesorgt, dass auf der Internetseite von Rubelts Frau erwähnt war, diese betreibe eine Praxis für Homöopathie und Beratung im Präventionszentrum des kommunalen Bergmann-Klinikums. Dem ist allerdings nicht mehr so. Eine Sprecherin des Klinikums sagte, diese Information sei veraltet. "Das Mietverhältnis mit Frau Müller-Rubelt besteht seit 1,5 Jahren nicht mehr."

Autokorsos in Cottbus und Eisenhüttenstadt

Rund 250 Menschen demonstrierten am Samstag in Cottbus nach Polizeiangaben auf einer Kundgebung der AfD gegen die Corona-Politik der Bundesregierung.

„Die Regierung herrscht, greift Grundrechte an und behandelt Kritiker wie Staatsfeinde“, sagte AfD-Bundestagsfraktionschef Alexander Gauland bei der Kundgebung in Cottbus. Die Corona-Politik ruiniere das Land, sagte der Vorsitzende der Brandenburger AfD-Landtagsfraktion, Hans-Christoph Berndt. „Alternative heißt, es geht ganz anders“ rief er mit Blick auf die Bundestagswahl. Der AfD-Kreisverband hatte die Veranstaltung angemeldet. Die meisten Teilnehmer hielten sich an die vorgegebenen Hygieneregeln.

Etwa 80 Fahrzeuge fuhren am Samstag bei einer Protestaktion durch die Cottbuser Innenstadt. Bis zu 150 Fahrzeuge machten am Samstag bei einem Autokorso gegen die Corona-Beschränkungen in Eisenhüttenstadt mit. Sie hätten mit Warnblinklicht und Hupen auf sich aufmerksam gemacht, teilte die Polizei am Sonntag mit. An einigen Fahrzeugen seien Deutschland-Fahnen und Luftballons in den Farben Schwarz, Rot und Gelb angebracht gewesen. In Eisenhüttenstadt hatte es in den vergangenen Wochen ähnliche Protestaktionen gegeben. (mit dpa)

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