„Situation, in der alles passieren kann“: Worüber Russland und die Ukraine am Mittwoch verhandeln wollen
Der Westen trifft bereits Vorbereitungen für den Ernstfall im Ukraine-Konflikt. Hoffnungen liegen auf einem Treffen im Normandie-Format in Paris.
Angesichts der angespannten Lage im Ukraine-Konflikt haben Deutschland, Frankreich und die USA Moskau vor einem Angriff gewarnt. US-Präsident Joe Biden drohte erstmals damit, im Falle eines russischen Einmarsches in die Ukraine Sanktionen direkt gegen Präsident Wladimir Putin zu verhängen. „Das kann ich mir vorstellen“, antwortete Biden am Dienstag (Ortszeit) auf die Frage einer Reporterin.
Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron warnte für den Fall einer Aggression: „Der Preis wäre sehr hoch.“ Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sagte, man erwarte von Russland eindeutige Schritte, die zu einer Deeskalation beitrügen.
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Schritte in Richtung Entspannung könnte ein Treffen zwischen Russland und der Ukraine am Mittwoch in Paris bringen. Erstmals seit Beginn der aktuellen Spannungen kommen dort offizielle Vertreter beider Konfliktländer zusammen. Auch Deutschland und Frankreich sollen an den Gesprächen auf Beraterebene im sogenannten Normandie-Format teilnehmen. Sie vermitteln in dem Konflikt.
In den Gesprächen in Paris soll es Élyséekreisen zufolge um humanitäre Maßnahmen und Zukunftsüberlegungen der Ukraine gehen. Außerdem wolle man ein Datum finden, an dem die Ukraine mit den kremltreuen Separatisten über einen Sonderstatus für die Region Donbass verhandelt. Die Ukraine lehnte dies bisher offiziell ab. Sie sieht Moskau und nicht die Separatisten als Verhandlungspartner.
Kremlsprecher Dmitri Peskow sagte nach Angaben der Staatsagentur Tass, der Vizechef der Präsidialverwaltung, Dmitri Kosak, werde bei dem Gespräch in Paris Russlands Sorge zur Situation an der Frontlinie in der Ostukraine zur Sprache bringen. Moskau wirft der Regierung im Nachbarland Ukraine vor, den 2015 unter Vermittlung Deutschlands und Frankreichs ausgehandelten Friedensplan nicht umzusetzen.
Der ukrainische Unterhändler Andrij Jermak machte aber bereits deutlich: „Wir werden die Minsker Vereinbarungen ausschließlich im ukrainischen Interesse umsetzen.“ Der Chef des Präsidentenbüros zeigte sich aber im ukrainischen Fernsehen grundsätzlich erfreut, dass es wieder zu einem Treffen in diesem Format kommt.
Nach Einschätzung des ukrainischen Außenministers Dmytro Kuleba ist im Konflikt mit Russland nun alles möglich. „Wir befinden uns buchstäblich in einer Situation, in der alles passieren kann“, sagte Kuleba am Dienstag im Interview mit dem Sender CNN.
Kuleba sagte, er könne nicht die Gedanken des russischen Präsidenten Wladimir Putin lesen. „Wenn Russland bereit ist, ohne Hintergedanken zu handeln, besteht die Möglichkeit, den Verhandlungsraum zu verlassen und zu sagen, dass wir eine Vereinbarung getroffen haben.“ Kuleba betonte zugleich, dass sein Land in dem Konflikt nicht einfach den Anweisungen einer Großmacht folgen werde.
Der Konflikt im Osten der Ukraine schwelt schon seit 2014. Der im belarussischen Minsk ausgehandelte Friedensplan liegt auf Eis. Nach UN-Schätzungen sind bei Kämpfen zwischen ukrainischen Regierungstruppen und kremltreuen Separatisten in der ukrainischen Region Donbass mehr als 14.000 Menschen getötet worden. Das letzte Treffen im Normandie-Format auf Spitzenebene gab es Ende 2019. Auf Beraterebene gab es zuletzt Anfang Januar zwei Treffen, allerdings getrennt mit der Ukraine und mit Russland.
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Obwohl die Ergebnisse des Formats bisher hinter den Erwartungen zurückblieben, verteidigte Macron die Ebene als einziges politisches Format, und sagte, es sei wichtig, in diesem Rahmen weiterzumachen. Am Freitag will Macron, der auf einen kontinuierlichen Dialog mit Russland setzt, seinem Kollegen Wladimir Putin in einem Telefonat einen Weg der Deeskalation vorschlagen.
Angesichts eines massiven russischen Truppenaufmarsches in der Nähe der Ukraine wird im Westen befürchtet, dass der Kreml einen Einmarsch in das Nachbarland planen könnte, was Moskau dementiert. Für möglich wird allerdings auch gehalten, dass nur Ängste geschürt werden sollen, um die Nato-Staaten zu Zugeständnissen bei Forderungen nach neuen Sicherheitsgarantien zu bewegen.
Als Reaktion auf die sich weiter verschärfenden Spannungen hatten mehrere Nato-Mitgliedsländer Schiffe und Militärflugzeuge zu Wochenbeginn in Richtung Osten geschickt. Das hat der Kreml scharf kritisiert. Russlands Armee hat zugleich mehrere Manöver gemeldet. Die Nordflotte kündigte in der Nacht zum Mittwoch nach Angaben der Agentur Interfax Manöver in der Arktis an mit bis zu 1200 Soldaten. Daran beteiligen sich U-Boote, 20 Flugzeuge und bis zu 30 Schiffe. (dpa)