Deutsch-israelischer Gipfel in Berlin: Worüber Merkel, Netanjahu und ihre Minister reden wollen
Heute finden in Berlin die deutsch-israelischen Konsultationen statt. Es geht um Frieden in Nahost, aber auch Themen wie Cyberkriminalität und Deutsch als Fremdsprache. Eine Übersicht.
Deutschland und Israel kommen heute in Berlin zum sechsten Mal zu Regierungskonsultationen zusammen. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu treffen sich zunächst im kleinen Kreis. Danach leiten sie die Sitzung der Fachminister. Ursprünglich war das Treffen bereits für den vergangenen Oktober geplant, Netanjahu hatte es aber mit Verweis auf eine angespannte Sicherheitslage in Israel kurzfristig abgesagt.
Trotz vieler Differenzen, die zur Sprache kommen sollen, trügt das ausgesprochen positive Bild nicht, das die Abschlusserklärung vermittelt, die das deutsche und israelische Kabinett bei ihrer gemeinsamen Sitzung verabschieden wollen. Der Entwurf betont die "gewachsene Zusammenarbeit in allen Bereichen der Gesellschaft", welche die NS-Vergangenheit mit dem Massenmord an Juden nicht leugne, aber zugleich in die Zukunft schaue. Die gemeinsame Erklärung bekräftigt das beidseitige Engagement für Menschenrechte, gegen Antisemitismus und Rassismus.
Worum es geht
Die Tagesordnung des bilateralen Gipfels und der Fachministertreffen wird dominiert von Zukunftsthemen wie erneuerbare Energien, Elektromobilität und Digitalisierung großer Archive, erläutert Emmanuel Nachschon, Sprecher des israelischen Außenministeriums. Unter der Überschrift "gemeinsame Zukunftsverantwortung" wird beraten über die Umsetzung der Pariser Klimabeschlüsse, die Entwicklungszusammenarbeit in Afrika und den weiteren Ausbau der Kooperation bei der Abwehr von Cyberkriminalität.
In weiteren Beschlussvorlagen geht es beispielsweise um das heikle Thema, Deutsch in israelischen Oberschulen als Wahlpflichtfach für Abiturienten anzubieten. Auch die medizinische Nutzung von Cannabis, wo Israel als Vorreiter gilt, soll Gegenstand eines breiteren Erfahrungsaustauschs sein.
Entsprechend der Themenbreite wird Netanjahu begleitet von Energieminister Juval Steinitz, Gesundheitsminister Jakov Litzman, Justizministerin Ajelet Schaked, Einwanderungsminister Seev Elkin, Bauminister Joav Galant, dem Generaldirektor des Außenministeriums Dori Gold und Eviatar Matania, Chef des Nationalen Cyber-Büros.
Das deutsch-israelische Verhältnis ist nicht frei von Spannungen. In ihrem Video-Podcast vom Wochenende hat Merkel Meinungsverschiedenheiten mit der israelischen Regierung in wichtigen politischen Fragen eingeräumt. Dies betreffe etwa die Einschätzung des Atomabkommens mit dem Iran und den israelischen Siedlungsbau im Westjordanland, sagte die Kanzlerin. Zum Nahost-Friedensprozess gebe es "Fragezeichen", über die sie am Dienstag mit Netanjahu sprechen wolle. Dabei gehe es um die Fragen, warum es im Friedensprozess nicht vorangehe und ob Israel noch zur Zwei-Staaten-Lösung stehe.
Zwar ist für Merkel die historische Verantwortung Deutschlands für die Sicherheit Israels Teil deutscher Staatsräson. Sie plädiert aber seit Jahren dafür, dass im Nahen Osten neben Israel ein eigener Palästinenserstaat entsteht. Netanjahu rückt immer mehr von einer solchen „Zwei-Staaten-Lösung“ ab.
Kritik aus Deutschland gibt es auch am völkerrechtlich illegalen israelischen Siedlungsbau in den 1967 besetzten Gebieten. Auch dazu kündigte Merkel an: "Diese Fragen müssen auch offen diskutiert werden." Sie betonte aber, die Gemeinsamkeiten überwögen - und "eben auch das Gefühl: Zwei demokratische Staaten treffen sich". Natürlich gäbe es Punkte, "in denen wir unterschiedlicher Meinung sind", sagte Merkel.
Die Bundeskanzlerin verteidigt das Atomabkommen im dem Iran
Die Bundeskanzlerin versuchte, israelische Bedenken wegen des Atomabkommens mit dem Iran zu beschwichtigen: "Wir haben gemeinsam keinerlei Illusionen über die Frage der iranischen Politik", sagte sie. Dass der Iran das Existenzrecht Israels nicht anerkenne, sei eine "völlig inakzeptable Position". Sie verteidigte aber den Atomvertrag mit dem Iran: Beim Abschluss des Atomabkommens sei "die Entscheidung gefallen, dass wir mehr Überblick, mehr Einfluss, mehr Transparenz haben, wenn wir ein solches Abkommen schließen - ohne dass wir naiv sind und glauben, dass damit schon alles gelöst ist". Deshalb müsse es nun eine präzise Überwachung geben. Auch darüber werde sie mit dem israelischen Ministerpräsidenten sprechen. Nach jahrzehntelangem Streit über das iranische Atomprogramm war kürzlich das historische Atomabkommen zwischen dem Iran und den UN-Vetomächten sowie Deutschland in Kraft getreten. Der Westen hob daraufhin seine Sanktionen gegen das Land auf. Israel lehnt das Abkommen ab.
Deutsch-israelische Regierungskonsultationen gibt es seit 2008. 2015 feierten der Staat der Holocaust-Überlebenden und die Bundesrepublik, die auf den Trümmern des Nazi-Reichs entstand, das 50-jährige Bestehen ihrer diplomatischen Beziehungen. An den Regierungskonsultationen am Dienstag in Berlin nehmen neben Merkel und Netanjahu auch mehrere weitere Regierungsmitglieder teil. (dpa/rtr/AFP)