Atomabkommen und Ende der Sanktionen: Iran ist zurück auf der Bühne der Weltpolitik
Für den Iran bedeutet das Ende der Sanktionen einen riesigen Erfolg. Teheran freut sich über neuen Handlungsspielraum. Doch was bedeutet das für die Region?
Diplomaten sind sich einig. In Wien wurde am Samstag Geschichte geschrieben. Der jahrzehntelange Streit um Teherans Atomprogramm ist endgültig beigelegt und der Iran somit wieder ein respektierter Partner in der internationalen Politik. Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier sprach von einem historischen Tag, UN-Generalsekretär Ban Ki Moon von einem „Meilenstein“. Durch die Aufhebung der Sanktionen kann die Islamische Republik ihre brachliegende Wirtschaft wieder in Schwung bringen. Das Ende der Strafmaßnahmen dürfte dem Regime in Teheran nicht zuletzt auch neuen außenpolitischen Handlungsspielraum verschaffen.
Teherans Auflagen
Grundsätzlich geht es in dem Abkommen darum, Iran vom Bau einer Atombombe möglichst weit fernzuhalten. Nur eine friedliche Nutzung der Kernenergie wird dem Land gestattet. Um das sicherzustellen, musste Teheran viele Verpflichtungen erfüllen. Erst vor wenigen Tagen war der nukleare Kern des Schwerwasserreaktors in Arak ausgebaut, die Brennkammer mit Beton ausgefüllt und damit unbrauchbar gemacht worden.
In den Wochen zuvor waren fast alle Vorräte von angereichertem Uran nach Russland gebracht worden, wo sie zu Brennstäben für den Atomreaktor in Buschehr verarbeitet werden sollen. Der Restbestand auf iranischem Territorium soll dann 15 Jahre lang auf maximal 300 Kilogramm mit einem Anreicherungsgrad von knapp vier Prozent beschränkt bleiben.
In der Übereinkunft vom Sommer 2015 hatte sich der Iran zudem verpflichtet, zwei Drittel seiner 19 000 Uranzentrifugen abzubauen und unter Aufsicht der Atomenergiebehörde IAEO zu stellen. Bis 2030 darf eine Anreicherung nur in Natanz stattfinden, nicht in der unterirdischen Anlage von Fodor. Diese wird zu einem Forschungsreaktor umgebaut. Die IAEO erhält darüber hinaus für die nächsten 25 Jahre umfassende Kontrollrechte.
Irans Freiheiten
Mit der Aufhebung der Sanktionen fallen viele Beschränkungen im Finanzwesen und im Energiesektor. So darf Teheran wieder Öl und Gas in die EU exportieren, westliche Firmen können umfassend Geschäfte mit Teheran machen. Allerdings ist es nach wie vor untersagt, Waffen- und Raketentechnik an das Land zu liefern. Der Iran erhält außerdem Zugriff auf 100 Milliarden Dollar, die auf eingefrorenen Konten liegen. Das dürfte die seit Jahren desaströse ökonomische Situation im Iran verbessern, unter der die Bevölkerung leidet.
Ist Besserung in Sicht, wird davon wohl auch Hassan Ruhani profitieren. Der im Vergleich zu den Hardlinern als gemäßigt geltende Präsident hat den Menschen mehr Wohlstand in Aussicht gestellt. Hält er sein Versprechen, könnte der 67-Jährige mit anderen Reformern als klarer Sieger aus der Parlamentswahl Ende Februar hervorgehen. Ob das dann individuelle Freiheit und weniger Repression bedeutet, ist aber sehr fraglich. Konservative Kräfte werden mit Sicherheit alles daransetzen, dies zu verhindern.
Amerikas Engagement
Für die Regierung in Washington ist der Atomdeal und dessen Umsetzung ein Prestigeprojekt. Präsident Barack Obama hat alles darangesetzt, um sich diesen außenpolitischen Erfolg auf die Fahnen schreiben zu können. Und mit seinem Außenminister konnte er auf einen inzwischen erfahrenen Diplomaten und entschlossenen Verhandler zählen. John Kerry hat in der Tat zwei Jahre lang beharrlich und mit tatkräftiger Unterstützung Deutschlands wie der EU an einer akzeptablen Lösung gearbeitet.
Selbst die Fundamentalopposition der Republikaner – sie halten einen wie auch immer gearteten Deal mit den Mullahs für Teufelszeug – konnte Amerikas Chefdiplomaten nicht vom Kurs abbringen. Das heißt aber noch lange nicht, dass sich das angespannte Verhältnis zwischen dem Iran und den USA über Nacht wieder entspannt. Dafür herrscht auf beiden Seiten zu viel Misstrauen.
Israels Vorbehalte
Die Regierung in Jerusalem gehört zu den vehementesten Kritikern des Atomabkommens. Gerade Regierungschef Benjamin Netanjahu hat nichts unversucht gelassen, um eine Übereinkunft zu verhindern. Er ist unverändert überzeugt davon, dass Teheran die Welt täuscht und nach Atomwaffen strebt. Nur das Sanktionsregime habe den Iran von seinem Plänen abhalten können. Der rechtskonservative Ministerpräsident hält daher das Ende der Strafmaßnahmen für einen fatalen Fehler. „Klar ist, dass der Iran jetzt mehr Ressourcen für den Terrorismus und seine Aggression in der Region und weltweit zur Verfügung hat. Israel ist darauf vorbereitet, mit jeder Bedrohung umzugehen.“
Derartige Rhetorik gehört zwar zu Netanjahus Standardrepertoire. Aber das heißt noch lange nicht, dass er mit dieser Einschätzung alleinsteht. Im jüdischen Staat fühlen sich viele Menschen von den Machthabern in Teheran bedroht, über Parteigrenzen und politische Lager hinweg. Schließlich ist ihrem Land schon mehrfach drastisch mit der Vernichtung gedroht worden.
Saudi-Arabiens Befürchtungen
Alarmiert sind auch die Golfmonarchien, allen voran Saudi-Arabien. Die sunnitischen Herrscherhäuser ringen seit Langem mit den schiitischen Mullahs um die Vorherrschaft in der Region. Nun wächst die Furcht vor einem wiedererstarkten Iran. Von den Fesseln der Sanktionen befreit könnte Teheran die Gunst der Stunde nutzen und versuchen, seinen Einfluss auszubauen. Für die saudische Monarchie ist das nicht hinnehmbar. Experten gehen davon aus, dass sich der Konflikt zwischen den beiden Erzrivalen verschärfen könnte. Erst vor Kurzem hatte die Hinrichtung eines schiitischen Geistlichen in Saudi-Arabien zu erheblichen Spannungen mit dem Iran geführt. Und im Jemen führen beide Regionalmächte seit Monaten einen blutigen Stellvertreterkrieg.
Syriens Zukunft
Im Moment spricht ungeachtet des Endes der Sanktionen wenig dafür, dass Teheran seine Haltung im Syrien-Konflikt aufgibt. Der Iran hält nach wie vor an Baschar al Assad fest, unterstützt das Regime massiv mit Geld, Waffen und Soldaten. So soll Syrien als schiitischer Stützpunkt in der Region erhalten bleiben. Auch das ist ein klares Signal in Richtung Saudi-Arabien. Damit wird ein Ende des Krieges nicht eben wahrscheinlicher.