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Eine Beschäftigte im Gesundheitswesen erhält in Halle/Saale eine Impfung mit dem Astrazeneca-Vakzin.
© AFP
Update

Geringe Impfquote trotz weniger Absagen: Woran die Astrazeneca-Impfungen in den Ländern scheitern

In den Bundesländern ist nur ein Bruchteil des Astrazeneca-Vakzins verimpft. Dabei berichten die Gesundheitsministerien von wenigen Absagen der Impftermine.

Am 6. Februar kamen die ersten Chargen des Corona-Impfstoffs von Astrazeneca in den deutschen Bundesländern an. Bis zum 17. Februar standen in ganz Deutschland 736.800 Impfdosen zur Verfügung.

Am Donnerstag, 18. Februar, kam nach Angaben des Bundesgesundheitsministeriums (BMG) die gleiche Menge nochmals hinzu. Also nochmals 736.800 Dosen des Astrazeneca-Impfstoffs, obwohl von der ersten Charge in den Ländern erst rund 14 Prozent (106.586 Dosen) verimpft worden sind. Die Impfstoffe von Biontech (76 Prozent) und Moderna (32 Prozent) stehen im Vergleich deutlich besser da.

Zehn Bundesländer liegen nach einer Tagesspiegel-Recherche über dem Bundesdurchschnitt von 14 Prozent. In Hamburg wurde mit rund 28 Prozent bisher am meisten des Astrazeneca-Impfstoffs verimpft. Dort, wo die Gesundheitsbehörde nach eigenen Angaben großen Aufwand betreibt, um alle Astrazeneca-Impfberechtigten zu kontaktieren.

Allerdings gibt es auch drei Bundesländer, in denen die Impfquote beim Astrazeneca-Vakzin bei unter fünf Prozent liegt. In Baden-Württemberg sind von 100.800 Impfdosen bislang lediglich 1086 verimpft worden, das macht eine Quote von einem Prozent. In Brandenburg und Sachsen sind erst rund vier Prozent verimpft worden.

Das Robert Koch-Institut (RKI) gibt täglich die gemeldeten Impfungen aus den Bundesländern in einer Auflistung bekannt. Könnte es sein, dass diese Länder einfach mit Verzug melden und eigentlich schon viel weiter sind? „Der Meldeverzug sollte nicht sehr groß sein, die Daten werden ja täglich berichtet“, teilte eine RKI-Sprecherin dem Tagesspiegel mit. Allerdings könne es sein, dass es innerhalb der Bundesländer Verzögerungen beim Melden gebe.

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Klar ist: Aufgrund fehlender Daten zur Wirksamkeit bei älteren Menschen wird das Vakzin derzeit nur an medizinisches Personal und Pflegepersonal verimpft. In weiten Teilen Deutschlands macht sich nicht nur deshalb, sondern auch aufgrund der technisch-rechnerischen Wirksamkeit von 70 Prozent Skepsis breit. Denn die Impfstoffe von Biontech und Moderna haben eine Wirksamkeit von 95 Prozent.

Ein Sprecher des Gesundheitsministeriums in Baden-Württemberg führt die geringe Impfquote darauf zurück, dass die ersten Kliniken den Impfstoff erst ab dem 11. Februar abholen konnten – obwohl die ersten Lieferungen schon am 6. Februar in Deutschland ankamen. Die Kliniken haben in Baden-Württemberg Vorrang vor den Impfzentren. In den Impfzentren beginne die Verimpfung von Astrazeneca sogar erst in den kommenden Tagen, bestätigte der Sprecher dem Tagesspiegel.

Eine Wahlmöglichkeit zwischen den Impfstoffen besteht in Baden-Württemberg nicht. Impfberechtigte zwischen 18 und 65 Jahren, die eine Impfung mit Astrazeneca ablehnen, könnten deshalb derzeit nicht geimpft werden, so der Ministeriumssprecher. Die Landesregierung werbe derzeit beim medizinischen Personal unter 65 Jahren, sich impfen zu lassen.

Zielgruppe womöglich nicht ausreichend über freie Termine informiert

Kai Kranich vom Deutschen Roten-Kreuz Sachsen sagte der Deutschen Presse-Agentur am Donnerstag, dass er vermute, „dass diese Zielgruppe noch nicht ausreichend darüber informiert ist, dass es für sie freie Termine gibt“. Es sei eine Herausforderung, diejenigen zu finden, die aufgrund ihrer beruflichen Tätigkeit zur höchsten Prioritätengruppe gehören.

Bedeutet: Die geringe Nachfrage nach dem Astrazeneca-Impfstoff könnte auch am unzureichenden Angebot durch Terminvergaben an das medizinische Personal und Pflegepersonal liegen.

Anmelden können sich die potenziellen Kandidaten in vielen Bundesländern beispielsweise über ein Online-Formular der Kassenärztlichen Vereinigung (KV). Die Informationspolitik obliegt allerdings nicht der KV oder dem DRK, sondern den Landesämtern.

Von 4000 Terminen zu Impfungen mit Astrazeneca, die in dieser Woche in Sachsen zur Verfügung gestellt wurden, sind noch 2500 frei. Das DRK Sachsen schließt nicht aus, dass das auch an der Verunsicherung wegen der geringeren Wirksamkeit des Impfstoffes von Astrazeneca liegt.

In 50 von 1000 Fällen in Sachsen wurde dieser Impfstoff abgelehnt, wie Kranich erklärte. Das macht einen Schnitt von fünf Prozent. Auch hätten Tauglichkeitsgespräche vor dem Impfen mit Astrazeneca länger gedauert.

Das Gesundheitsministerium in Brandenburg teilte dem Tagesspiegel mit, dass sie aufgrund der unsicheren Lieferlage und schlechten Erfahrungen mit ausgefallenen Lieferungen in der Vergangenheit zunächst eine Reserve aufgebaut hätten, um für einen eventuellen Lieferausfall vorbereitet zu sein. „Wir wollen keine vergebenen Termine mehr absagen müssen“, so ein Ministeriumssprecher.

Für alle Corona-Schutzimpfungen sei immer ein gewisser Vorlauf für die Organisation und Logistik notwendig. „Man kann nicht einen Tag nach einer Impfstoff-Anlieferung sofort flächendeckend mit dem Impfen beginnen“, so der Sprecher.

Man müsse beispielsweise die Logistik klären oder Praxisteams buchen. „Dass wir den Berufsgruppen der höchsten Priorität bereits in dieser Woche Impfangebote mit Astrazeneca machen können, ist schnell“, so der Sprecher des Brandenburger Gesundheitsministeriums. Man könne bei der Verteilung des Impfstoffs kein großes und dünnbesiedeltes Flächenland wie Brandenburg mit Stadtstaaten wie Hamburg und Bremen vergleichen.

Wenige Absagen von Impfterminen mit Astrazeneca

Aufgrund der großen Differenzen zwischen den Astrazeneca-Impfquoten den Verteilschlüssel zu ändern, ist laut BMG allerdings nicht geplant. Derzeit werden die Impfdosen nach Bevölkerungsanteil der Bundesländer berechnet. Darauf hätten sich Bund und Länder geeinigt, sagte ein Ministeriumssprecher dem Tagesspiegel: „Eine Änderung dieses Verfahrens ist aktuell nicht vorgesehen.“

In Berlin, Bremen, Hamburg, Bayern und Nordrhein-Westfalen ist das Verhältnis zwischen Impfstoff-Lieferungen und verimpften Dosen zwar auch niedrig im Vergleich zu den Impfstoffen von Biontech und Moderna. Allerdings liegen sie alle über oder nahe dem Bundesdurchschnitt von nur 14 Prozent.

Auch in diesen Ländern liegt es nahe, dass die Impfquoten auf Verzögerungen bei der Verteilung der Impfdosen oder die Suche nach Impfberechtigten zurückzuführen sind. Denn: Die Ministerien berichten von wenigen abgesagten Terminen für Impfungen mit dem Astrazeneca-Vakzin.

So auch Berlin, wo Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci (SPD) aufgrund der Wahlfreiheit des Impfstoffs kritisiert wurde. Dort ist bereits jede fünfte Impfstoff-Dose verimpft worden. Von rund 1300 Astrazeneca-Impfungen im Impfzentrum Tegel wurden seit dem 6. Februar rund 120 abgesagt. Das macht einen Schnitt von unter zehn Prozent.

Im Bundesland Nordrhein-Westfalen gibt es derzeit nur belastbare Daten zur Impfquote aus dem Landesteil Nordrhein, wie eine Ministeriumssprecherin dem Tagesspiegel mitteilte. Zwischen dem 8. und 15. Februar wurden dort rund 2000 Impfungen von rund 66.000 mit den Impfstoffen von Biontech und Astrazeneca nicht wahrgenommen oder versäumt. Das entspricht einer Quote von drei Prozent.

Im gleichen Zeitraum waren es allein geplante 18.103 Impfungen mit Astrazeneca, von denen rund 600 nicht wahrgenommen oder versäumt wurden. Das entspricht einem Schnitt etwas mehr als drei Prozent. Das heißt: Die Anzahl der Menschen, die sich mit dem Biontech-Impfstoff impfen ließ, war vergleichsweise nicht viel höher.

„Astrazeneca ist kein Impfstoff zweiter Klasse“

Das Gesundheitsministerium von Nordrhein-Westfalen habe einzelne Hinweise erhalten, dass die Impfbereitschaft mit Blick auf AstraZeneca tendenziell verhalten sei. „Dies“, so eine Ministeriumssprecherin, „scheint sich nicht zu bestätigen“.

Die Zahlen der Kassenärztlichen Vereinigung zeigen, dass es offenbar nur sehr wenige Menschen gebe, die nicht zu ihrem Impftermin mit AstraZeneca erscheinen, so die Sprecherin. „Nichtsdestotrotz wird das MAGS gemeinsam mit dem medizinischen Bereich auch weiterhin für die Akzeptanz der zugelassenen Impfstoffe werben“, so die Sprecherin. „Denn: Der zugelassene Impfstoff von Astrazeneca ist kein Impfstoff zweiter Klasse.“

Aufgrund der derzeit begrenzten Impfmengen bestehe zurzeit in Nordrhein-Westfalen noch nicht die Möglichkeit, sich den Impfstoff auszusuchen. Grundsätzlich stehe es aber jedem frei, das Impfangebot wahrzunehmen und eventuell auf zu einem späteren Zeitpunkt zur Verfügung stehenden Impfstoff zu warten, wenn dieser ausreichend zur Verfügung steht. „Wann dies der Fall sein wird, kann derzeit nicht gesagt werden“, so die Sprecherin des NRW-Gesundheitsministeriums.

Auch in Bayern besteht keine Auswahlmöglichkeit zwischen den Impfstoffen. „Eine Ablehnung eines Impfstoffs führt nicht zum generellen Ausschluss vom Impfangebot“, teilte ein Ministeriumssprecher dem Tagesspiegel mit. „Die Person müsste dann jedoch mit erneuten Wartezeiten rechnen.“

Da allerdings auch keine Impfpflicht bestehe, finde keine Dokumentation und Erfassung einer ablehnenden Haltung einzelner Personen gegenüber der Schutzimpfungen statt und sei auch nicht vorgesehen, so der Sprecher. Bekannt ist lediglich, dass in Bayern von 112.800 gelieferten Impfdosen bislang 14.658 verimpft worden sind. Das macht eine Quote von rund 13 Prozent.

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Aus Hamburg berichtete ein Sprecher der Gesundheitsbehörde, dass die Termine für Schutzimpfungen mit dem Vakzin von Astrazeneca, ebenso wie alle anderen Termine, mit einer sehr hohen Quote wahrgenommen werden. „Wir erleben kaum Absagen oder Abbrüche“, so der Sprecher.

Die Behörde gehe bei der Vergabe gezielt auf Personen- und Berufsgruppen zu, die sowohl in der Priorisierung berücksichtigt sind, als auch überwiegend unter 65 Jahren alt sind. Hamburg betreibt beispielsweise auch einen großen Aufwand, um gezielt den Beschäftigten in der ambulanten Pflege, in Krankenhäusern und im Rettungsdienst Schutzimpfungen anzubieten.

Der Astrazeneca-Impfstoff ist mit Blick auf die Zahlen in Deutschland unbeliebt. Allerdings gibt es auch geringe Absagen der Impftermine.
Der Astrazeneca-Impfstoff ist mit Blick auf die Zahlen in Deutschland unbeliebt. Allerdings gibt es auch geringe Absagen der Impftermine.
© Johan Nilsson/Reuters

„Vor diesem Hintergrund gehen wir davon aus, dass auch der Impfstoff von Astrazeneca sinnvoll und vollumfänglich eingesetzt werden kann“, so der Sprecher. Die höchste Astrazeneca-Impfquote Deutschlands von mehr als 28 Prozent belegt das.

Auch Bremens Gesundheitssenatorin Claudia Bernhard hat bislang den Eindruck gewonnen, „dass der Impfstoff gut angenommen wird“. So wird sie in einer Mitteilung auf der Website des Gesundheitssenats zitiert.

Keine schweren Nebenwirkungen in den Ländern

Von schweren Nebenwirkungen kann Bremen nicht berichten - ebenso wenig wie die Ministerien in Berlin, Nordrhein-Westfalen, Bayern und Hamburg.

Impfreaktionen seien zu erwarten gewesen, so Jutta Dernedde, die ärztliche Leiterin des Impfzentrums Bremen. „Unerwünschte, schwere Nebenwirkungen haben wir bislang nicht erlebt.“ Sie wies darauf hin, dass es nicht überraschend sei, dass es aufgrund der Impfreaktionen auch zu krankheitsbedingten Arbeitsausfällen kommen könne.

„In der Regel verschwinden die Symptome nach 48 Stunden wieder“, so Dernedde. Praxen, Pflegeeinrichtungen oder Kliniken, in denen die Beschäftigten aktuell geimpft würden, sollten bei der Terminvereinbarung auf diese Möglichkeit achten.

Die Ministerien in NRW und Bayern berichteten, was auch die Ständige Impfkommission (Stiko) des RKI vorhergesagt hatte: Die häufigsten lokalen Reaktionen waren Schmerzen an der Einstichstelle. Unter den systemischen Reaktionen waren Abgeschlagenheit sowie Kopfschmerzendie die häufigsten Ereignisse.

Darin unterscheide sich der Astrazeneca-Impfstoff allerdings nicht von anderen zugelassenen Impfstoffen, so die Reaktion aus Hamburg und Baden-Württemberg. „Bei den Reaktionen und Fällen, von denen wir Kenntnis haben, handelt es sich um die erwartbaren Impfreaktionen, die deutlich machen, dass eine Immunantwort des Körpers erfolgt und der Impfstoff Wirksamkeit zeigt“, teilte der Behördensprecher aus Hamburg mit.

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