„Nicht so lahmarschig weitermachen“: Wolfgang Schäuble mit deftigem Appell für Europa
Der Bundestagspräsident wünscht sich vom Europäischen Parlament „mehr Schwung“ bei Personalentscheidungen. Ursula von der Leyen solle Kommissionschefin werden.
Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) hat das Europaparlament mit deftigen Worten aufgerufen, trotz berechtigter Kritik nicht zu lange über Personalien zu streiten. Europa könne "nicht so lahmarschig weitermachen", sondern brauche "mehr Schwung", sagte der CDU-Politiker der "Augsburger Allgemeinen".
"Europa muss Probleme lösen, damit die Welt nicht noch mehr aus den Fugen gerät", sagte Schäuble der Zeitung. In einer Welt "der großen Sorgen und Nöte" dürfe sich Europa nicht wochenlang damit beschäftigen, "wer welche Position" bekomme.
Das EU-Parlament rief er dazu auf, Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) zur Nachfolgerin des scheidenden EU-Kommissionspräsidenten Jean-Claude Juncker zu wählen. Den Kritikern ihrer Nominierung gab er aber recht. Der Weg dorthin sei befremdlich und überraschend gewesen. Die Entscheidung im kleinen Kreis auszukarten, sei keine gute Idee gewesen, sagte Schäuble. "Es ist Luft nach oben, was die Klugheit des Verfahrens angeht." Trotzdem glaube er, dass von der Leyen "eine gute Kommissionspräsidentin werden kann".
Auch der für den Chefposten der Europäischen Zentralbank (EZB) nominierten Christine Lagarde sprach der frühere Bundesfinanzminister seine Unterstützung aus. Die bisherige Direktorin des Internationalen Währungsfonds (IWF) habe "bewiesen, dass sie stark und gut ist, deshalb kann sie auch EZB", erklärte Schäuble.
Besonders der Koalitionspartner SPD hatte sich darüber verärgert gezeigt. Die Partei zwang Kanzlerin Angela Merkel (CDU) deshalb, bei der Abstimmung im Rat der EU-Staats- und Regierungschefs über die Personalie als Einzige dem Aufstieg ihrer Weggefährtin nicht zuzustimmen, sondern sich zu enthalten. SPD-Vize Ralf Stegner kündigte am Donnerstag an, die Europaabgeordneten seiner Partei würden von der Leyen im Parlament die Stimme verweigern.
Kritik kommt auch aus der Unionsfraktion
Aber auch in der Unionsfraktion im Bundestag stößt das Verfahren auf Unmut. „Ursula von der Leyen war keine Spitzenkandidatin bei der Wahl zum EU-Parlament, dass sie nun Kommissionspräsidentin werden soll, ist zumindest befremdlich“, sagte das Fraktionsvorstandsmitglied Axel Fischer (CDU) derselben Zeitung. „Mit diesem Vorschlag hat sich der (Europäische) Rat bewusst gegen das Parlament gestellt und dessen Wünsche ignoriert.“
Wie die SPD haben auch die Grünen das Verfahren kritisiert und sich skeptisch zu von der Leyen geäußert. (AFP, dpa)