Nach den Übergriffen in Köln: Wir brauchen Vertrauen in die Sicherheit
Die Übergriffe auf Frauen in Köln wirken immer noch nach. Viele Bürger haben Angst und fragen sich, wer sie überhaupt noch schützt. Das muss sich ändern. Ein Kommentar.
Gut eine Woche ist vergangen seit den Gewaltexzessen in Köln. Die Kanzlerin hat eine harte Antwort des Rechtsstaats gefordert, die Koalition will rasch Gesetze zur Abschiebung krimineller Asylbewerber verschärfen, der Kölner Polizeichef ist seines Amts enthoben und die öffentliche Debatte dreht sich nach der ersten Empörungswelle längst um Fragen politischer Korrektheit. Das ist im Prinzip gut und richtig, die Reflexe der Gesellschaft und ihrer Institutionen funktionieren offenbar.
Für die allermeisten Menschen jedoch liegt in dieser sich wiederholenden Abfolge von erschreckendem Ereignis und seiner hitzigen Aufarbeitung auch etwas Bedrohliches. Es ist die Vermutung, dass Köln in ein paar Wochen wieder vom Radar der Verantwortlichen verschwunden sein wird, den Verdächtigen Taten nicht nachzuweisen sind und sich am Ende alle Seiten darauf geeinigt haben werden, dass man von einigen gewalttätigen Asylbewerbern nicht auf alle Flüchtlinge schließen und es ohnehin komplette Sicherheit nicht geben kann.
Das kann auch Angst machen. Wirft es doch Grundfragen des Vertrauens der Bürger in ihren Staat auf: Wer schützt uns überhaupt noch, und sei es nur vor Dieben in der Straßenbahn? So wie das Versagen der Behörden nach den organisierten Verbrechen des rechten NSU Missstände bei Polizei und Verfassungsschutz, der Wirksamkeit ihrer Strukturen und der demokratischen Kontrolle deutlich machten, so stellen sich nach Köln erneut strukturell ähnliche Fragen. Gibt es rechtsfreie Räume in diesem Land? No- Go-Areas, aus denen sich die Polizei fernhält? Kriminelle Milieus, die sich ihrer Kontrolle längst entzogen haben, und kraftlose Gesetze – Vorboten also eines schleichenden Abschieds von dem Versprechen von Sicherheit und Ordnung, auf das sich alle verlassen können?
Vernetzung von Bund und Ländern
Und auch das schreit nach Aufarbeitung jenseits aktueller Hysterie: Mal müssen sich Beamte bei der Verfolgung rechter Straftaten mangelnde Sensibilität vorwerfen lassen, nun trauen sich Polizisten nicht, arabischstämmige Täter als solche zu benennen. Wo doch fraglos klar sein sollte, dass das Vertrauen der Menschen in den Grundsatz, gleiches Recht gelte für alle, schon dann verloren gehen kann, wenn Strafverfolgung in den Verdacht politischer Einflussnahme gerät.
Einige tausend neue Stellen für die Polizei stehen jetzt zur Debatte. Die sind wohl nötig. Die Aufgaben der Sicherheitskräfte sind in den letzten Jahren – nicht nur durch Terrorgefahr – deutlich größer und komplizierter geworden, als das ihre personelle und materielle Ausstattung widerspiegelt. Stellt Lehrer ein, möchte man den Innenministern zurufen, und auch Polizisten. Aber das reicht nicht.
Wenn nach Köln der Bundesjustizminister organisierte Banden vermutet und überall in Deutschland das Kölner Gewaltmuster bekannt ist, funktioniert offenbar die Vernetzung der Sicherheitsbehörden von Bund und Ländern nicht. Es geht um mehr Präsenz der Polizei, einer Polizei, die sich ihrer Aufgabe selbst vergewissert hat und selbstbewusst auftreten kann. Auch mehr Überwachung öffentlicher Räume und konsequentes Handeln der Justiz sind Aufgaben für die nächste Zeit.
Aber um das gleich zu klären: Mit dem Ende von Freiheit hat das nichts zu tun. Frei kann sich in einer Gesellschaft nur entfalten, wer Vertrauen in ihre Funktionsfähigkeit und seine Sicherheit hat.