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Joe Biden (rechts) unterstützte den demokratischen Senats-Kandidaten Raphael Warnock im Wahlkampf stark.
© dpa
Update

Senats-Stichwahlen in Georgia: Ein dreifacher Triumph für Joe Biden

Der designierte US-Präsident könnte von den Erfolgen zweier Senatskandidaten enorm profitieren. Am Mittwochabend wurde auch Demokrat Ossoff zum Sieger erklärt.

Auch wenn das Endergebnis noch auf sich warten lassen könnte: Die erste Wahl des neuen Jahres in den USA hat einen klaren Verlierer – und der heißt Donald Trump. Der abgewählte Präsident hatte in den vergangenen zwei Monaten seit seiner Niederlage am 3. November alles versucht, die Senats-Stichwahlen im Südstaat Georgia zu einer Schicksalswahl zu machen, bei der über die Zukunft des Landes entschieden werde.

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Er hat mit seinen Verschwörungstheorien über einen angeblichen Wahlbetrug bei seinen Anhängern selbst Zweifel daran geweckt, ob es überhaupt sinnvoll ist, wählen zu gehen. Und er hat seine eigene Partei vor eine Zerreißprobe gestellt: Wer ihm nicht in den absehbaren Untergang folgt, wurde von ihm verdammt.

Bereits in der Nacht zu Mittwoch erklärten US-Sender den Demokraten Raphael Warnock zum Sieger in der Stichwahl mit der bisherigen republikanischen Senatorin Kelly Loeffler. Am Mittwochabend erklärten mehrere US-Sender auch den zweiten Demokraten Jon Ossoff zum Sieger über Amtsinhaber David Perdue lag. Das machte den dreifachen Sieg für den designierten US-Präsidenten Joe Biden perfekt. Neben dem Weißen Haus und dem Repräsentantenhaus werden die Demokraten aller Voraussicht nach auch den Senat kontrollieren.

Zum ersten Mal vertritt ein Afroamerikaner Georgia im US-Senat

Denn ein doppelter Wahlsieg verhilft den Demokraten in dieser Kongresskammer zu Stimmengleichheit (50 zu 50) mit den Republikanern, die die designierte Vizepräsidentin Kamala Harris als Vorsitzende des Senats dann mit ihrer Stimme zugunsten der Regierung auflösen könnte. Der Senat bestätigt unter anderem Kandidaten des Präsidenten für Regierungsposten. Hätten die Republikaner ihre Mehrheit verteidigt, hätten sie zudem Gesetzesvorhaben der Biden-Regierung blockieren können.

Warnock wird der erste Afroamerikaner sein, der den eigentlich konservativen Staat Georgia im US-Senat vertritt. Der Pastor leitete die vergangenen 15 Jahre jene Kirche in der Hauptstadt Atlanta, in der auch die Bürgerrechtsikone Martin Luther King predigte. Vor allem die enorme Wahlbeteiligung der Schwarzen ist für diesen Sieg ausschlaggebend: Ihr Anteil an den abgegebenen Stimmen war sogar noch einmal höher als bei der Präsidentschaftswahl im November, bei der Biden als erster Demokrat seit Bill Clinton 1992 Georgia knapp gewonnen hatte.

Martin Luther King lässt grüßen. Raphael Warnock leitete die vergangenen 15 Jahre eine Kirche in der Hauptstadt Atlanta.
Martin Luther King lässt grüßen. Raphael Warnock leitete die vergangenen 15 Jahre eine Kirche in der Hauptstadt Atlanta.
© AFP

Wie bedeutend Warnocks Sieg für Afroamerikaner, aber auch für ihn selbst ist, machte der 51-Jährige noch in der Nacht klar. Seine Mutter habe früher „die Baumwolle anderer Leute gepflückt“. Nun werde ihr jüngster Sohn US-Senator. „Heute Nacht haben wir mit Hoffnung, harter Arbeit und den Menschen an unserer Seite gezeigt, dass alles möglich ist.“ Seine unterlegene Konkurrentin Loeffler weigerte sich, ihre Niederlage einzugestehen.

„Wir werden diese Wahl gewinnen“, erklärte die 50 Jahre alte frühere Unternehmerin in einer Nachricht an ihre Unterstützer und kündigte an, am Mittwochmorgen nach Washington zurückzukehren, um sich einer kleinen Gruppe von Senatoren anzuschließen, die die für diesen Tag vorgesehene Bestätigung von Bidens Wahlsieg verhindern wollen. Dabei gehe es darum, „den amerikanischen Traum zu beschützen“, erklärte Loeffler.

Der 33-jährige Ossoff, ein Medienunternehmer jüdischen Glaubens, fühlte sich mit seinem Vorsprung von 16.370 Stimmen und einem Abstand von rund 0,4 Prozentpunkten bei Auszählung von 98 Prozent der Stimmen bereits am Mittwochnachmittag so sicher, dass er sich zum Sieger ausrief. Von Perdue, der sich wegen einer Corona-Infektion noch immer in Quarantäne befindet, gab es zunächst keine Stellungnahme.

Sollte der Abstand zwischen den beiden weniger als einen halben Prozentpunkt betragen, kann der unterlegene Kandidat eine Neuauszählung verlangen. Da aber nach der Wahl am 3. November auf Drängen des Trump-Lagers drei Mal neu ausgezählt werden musste, sind die Verantwortlichen in Georgia entschlossen, einen „recount“ dieses Mal schnell durchzuziehen.

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So heftig waren die Attacken des Trump-Lagers auf die der eigenen Partei angehörenden Landespolitiker, dass diese sich genötigt fühlten, offen dagegen aufzubegehren. Die Anschuldigungen des scheidenden Präsidenten seien „nachweislich falsch“, hatte Gabriel Sterling, einer der Zuständigen für die Durchführung von Wahlen in Georgia, am Montag erklärt. „Wir haben eine Behauptung nach der anderen mit null Beweisen. Null.“

Am Sonntag war die Aufzeichnung eines Telefongesprächs des Präsidenten mit Sterlings Chef, Georgias Innenminister Brad Raffensperger, veröffentlicht worden, in der Trump diesen drängte, 11.780 Stimmen für ihn zu finden, damit er den Bundesstaat doch noch gewinnen könnte. Raffensperger, selbst Republikaner, sagte in einem TV-Interview, er habe den Mitschnitt veröffentlichen lassen, nachdem Trump bei Twitter den Inhalt des Gesprächs falsch dargestellt habe.

Wie aufgeladen diese Stichwahlen waren, zeigen auch die enormen Summen, die beide Seiten im Wahlkampf ausgegeben haben. Rund 480 Millionen Dollar sollen nach Angaben der Firma „Adimpact“ in Anzeigen und andere Wahlwerbung geflossen sein.

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