Kurzbesuch im Weißen Haus vor Präsidentenwahl: Wie Trump dem polnischen Präsidenten den Sieg retten soll
Polens Präsident muss um sein Amt bangen. Jetzt reist er nach Washington. Ein paar tausend US-Soldaten sollen ihm eine zweite Amtszeit sichern.
Wo gibt’s das noch: Politiker, die ihre Wahlchancen im Sommer 2020 durch ein Foto mit Donald Trump zu verbessern hoffen? Polens Präsident Andrzej Duda, der aus der nationalkonservativen Regierungspartei PiS stammt, muss sich am Sonntag der Wiederwahl stellen. In den Umfragen rückt sein gefährlichster Konkurrent, Warschaus Oberbürgermeister Rafal Trzaskowski, immer näher an ihn heran.
Duda fliegt lieber in die USA, als zuhause Wahlkampf zu führen
In dieser Lage investiert Duda einen Gutteil der verbleibenden Zeit lieber in zwei lange Flüge nach Washington und zurück samt Besuch im Weißen Haus an diesem Mittwoch, als in Polen Wahlkampf zu führen. So unterschiedlich kann der Glaube, was die Wahl entscheiden könnte, rechts und links von Oder und Neiße sein. Israels Premier Netanjahu hat seine Trump-Nähe bei der Wahl geholfen.
Wer mit seinen Instinkten, was die Polinnen und Polen interessiert, richtig- oder danebenliegt, zeigen wohl erst die Wahlergebnisse. Eine Annahme gilt bereits als widerlegt: dass der Umgang mit sexuellen Minderheiten – wofür auch in Polen das Kürzel LGBT steht – ein Aufregerthema sei.
Duda und Trzaskowski hatten heftige Kontroversen dazu ausgetragen. Das mediale Echo reichte bis nach Deutschland. Duda verspottete die Forderung nach mehr Toleranz: Einige polnische Politiker seien bekennende Homosexuelle; das schade ihren Wahlchancen nicht; folglich gebe es kein Problem. Zugleich griff er die rechtliche Gleichstellung als „westlichen Irrweg“ an und berief sich auf den polnischen Papst. Johannes Paul II. habe solche Pläne einen „Verstoß gegen die Gesetze Gottes“ genannt.
In Polen interessieren Wirtschaft und Gesundheit mehr als LGBT
Doch für LGBT interessieren sich laut einer neuen Umfrage nur 8,8 Prozent, Platz zehn unter den abgefragten Themen. Ganz vorne rangiert die wirtschaftliche Lage infolge der Coronakrise (57 Prozent), gefolgt von den gesundheitlichen Risiken (40 Prozent), der Pädophilie in der Kirche (23 Prozent) sowie den Sorgen um steigende Preise, die Umwelt und das Klima.
[Wer noch mehr über queere Themen erfahren will: Der Tagesspiegel-Newsletter Queerspiegel erscheint monatlich, immer am dritten Donnerstag. Hier kostenlos anmelden: queer.tagesspiegel.de]
In einer anderen Umfrage lehnen 53 Prozent Dudas Aussage ab, die Forderung nach rechtlicher Gleichstellung von LGBT mit Ehe und Familie sei eine „gefährliche Ideologie“. 38 Prozent stimmen ihr zu. Trzaskowski hatte im Wahlkampf um das Bürgermeisteramt in Warschau 2018 mehr Rechte für sexuelle Minderheiten gefordert. Alles in allem ein zweitrangiges Thema, das aber die Gesellschaft spaltet, freilich nicht zum Vorteil des Amtsinhabers Duda.
Bei Truppenverlegungen sind Trump und Duda in einem Zwiespalt
Verworren, wenn auch auf andere Weise, ist die Frage, die bei seinem Besuch im Weißen Haus im Mittelpunkt steht: Polens nationale Sicherheit und der Wunsch nach Stationierung von mehr US-Truppen. Da sind sich die Polen weitgehend einig. Aber auch dieses Thema fehlt unter den Sorgen, die die Wähler vorrangig bewegen. Duda möchte erreichen, dass Trump die Verlegung einiger Tausend US-Soldaten nach Polen zusagt.
Dieses Ansinnen stellt beide vor Probleme. Trump hat angekündigt, dass er ein Drittel der US-Soldaten aus Deutschland abziehen möchte: 9500 der etwa 35.000 Mann. In Polen hoffen viele, dass ein Teil davon nach Polen verlegt wird, vielleicht sogar ein kompletter Baustein der militärischen Infrastruktur der USA in der Bundesrepublik wie der Flugplatz in Ramstein oder das Militärspital in Landstuhl oder ein Truppenübungsplatz.
Der ehemalige US-Oberbefehlshaber für Europa, General Ben Hodges, weist jedoch darauf hin, dass Trump solche Absichten bisher nicht erwähnt hat. Der US-Präsident ist selbst mitten im Wahlkampf und hat versprochen, „to bring our troops home“. Also Heimkehr, nicht Verlegung in ein anderes Ausland. Zudem wenden sich Republikaner im Kongress gegen die Truppenreduzierung in Deutschland.
[Mit dem Newsletter „Twenty/Twenty“ begleiten unsere US-Experten Sie jeden Donnerstag auf dem Weg zur Präsidentschaftswahl. Hier geht es zur kostenlosen Anmeldung: tagesspiegel.de/twentytwenty.]
Polen wiederum hat sich bei Treffen der europäischen Nato-Partner zu der Haltung durchgerungen, dass ein Teilabzug der US-Soldaten aus Deutschland nicht in Polens Interesse liege, weil er den europäischen Nato-Pfeiler schwäche. Das gelte auch für eine Verlegung von US-Truppen von Deutschland nach Polen.
Polen will US-Soldaten, aber nicht aus Deutschland
Sicherer werde Polen nur, wenn die USA die Truppenstärke in Deutschland beibehielten und zusätzliche Truppen nach Polen verlegten. Wie kann unter diesen Voraussetzungen die von Duda erhoffte Wahlkampfhilfe aus Trumps Mund aussehen? Sie muss die Fantasie anregen, ohne allzu konkret zu werden.
Trump kann Polen dafür loben, dass es seine Zusagen an die Nato erfüllt und die vereinbarten zwei Prozent des Bruttoinlandprodukts (BIP) für Verteidigung ausgibt. Solchen Partnern stehe Amerika gerne bei. Eitel, wie er ist, kann er auf Dudas Angebot zurückkommen, einen US-Stützpunkt in Polen „Fort Trump“ zu nennen. Und er kann allgemein die Bereitschaft bekunden, die Präsenz des US-Militärs in Polen zu verstärken – ohne zu sagen, welche Einheiten das betrifft und wann es geschehen soll.
Je wolkiger die Formulierung, desto weniger Fragen handelt er sich ein, wie er die Zusage erfüllen will. Als Verstärkung der Präsenz könnte bereits durchgehen, dass US-Militärs bei Übungen zur Überwachung der Ostgrenze der Nato oder zur Luftabwehr vorübergehend nach Polen verlegt werden, wie das schon jetzt geschieht.
Das Rennen wird enger, die Stichwahl entscheidet
In den Umfragen für diesen Sonntag liegt Duda zwischen 40 und 43 Prozent, Trzaskowski zwischen 27 und 30 Prozent. Erreicht kein Kandidat die absolute Mehrheit, gehen die beiden Bestplatzierten am 12. Juli in eine Stichwahl.
In den Umfragen für die zweite Runde liegen Duda und Trzaskowski Kopf an Kopf. Eine Niederlage des Amtsinhabers würde die Machtposition der PiS-Regierung empfindlich schwächen.