So will er Präsident bleiben: Viel Lärm und Unwahrheiten - Donald Trump ist zurück im Wahlkampf
Corona wütet in den USA und Trump lädt seine Anhänger zur Rally. George Floyds Tod spielt keine Rolle, dafür macht der Präsident Witze über Covid-19.
Donald Trump will im Herbst wiedergewählt werden, am Samstagabend hat er in Tulsa bei der ersten großen Rally trotz der grassierenden Corona-Pandemie gezeigt, mit wie welchen Themen er das zu tun vorhat: Ohne irgendeine Empathie für die Proteste gegen Rassismus nach dem Tod von George Floyd, heftige Angriffe gegen alle, die Covid-19 ernst nehmen - und unter anderem auch mit Angriffen gegen Deutschland.
Bei der Wahlkampfveranstaltung in der Arena in Tulsa (Oklahoma) blieben einige der gut 19.000 Plätze leer, obwohl Trump die Veranstaltung vorab zu seinem offiziellen Wahlkampfbeginn erklärt hatte. Wie die "New York Times" berichtet, erklärten Teenager auf der Social-Media-Platform Tiktok sich dafür - zumindest teilweise - verantwortlich. Sie hätten Tickets reserviert, damit die Ränge dann leer blieben.
Trump hatte noch am Montag auf Twitter getwittert, dass sich fast eine Million Menschen um Tickets für die Veranstaltung in Tulsa beworben hätten. Ursprünglich sollte Trump sich auch an die Menschen vor der Arena in Tulsa wenden, die wegen des vermeintlichen Andrangs nicht in die Halle gekommen waren - dieser Auftritt wurde offenbar mangels Unterstützern vor der Tür abgesagt.
Trump griff am Samstagabend auch wieder Deutschland an und bekräftigte, fast 10.000 US-Soldaten aus Deutschland abzuziehen. Der US-Präsident sagte, Deutschland schulde der Nato wegen unzureichender Verteidigungsausgaben in den vergangenen 25 Jahren „eine Billion Dollar“.
Auch der Bau der geplanten Ostsee-Pipeline missfällt ihm: „Wir sollen Deutschland vor Russland beschützen“, sagte Trump unter Applaus. „Aber Deutschland zahlt Russland Milliarden Dollar für Energie, die aus einer Pipeline kommt, einer brandneuen Pipeline.“ Trump kritisiert seit langem, dass Deutschland das selbstgesteckte Ziel der Nato für Verteidigungsausgaben nicht erfülle.
Kein Wort zu George Floyd und Rassismus
In seiner mehr als eineinhalbstündigen Ansprache nannte Trump nicht ein einziges Mal den Namen des Afroamerikaners George Floyd, der Ende Mai bei einem brutalen Polizeieinsatz in Minneapolis getötet wurde. Auch Rassismus oder Polizeigewalt thematisierte Trump nicht. Stattdessen sagte der Republikaner mit Blick auf die Wahl im November unter Applaus: „Wenn die Demokraten an die Macht kommen, dann werden die Randalierer das Sagen haben und niemand wird mehr sicher sein.“
Im Blick auf das Stürzen von Denkmälern rassistischer Generäle aus dem amerikanischen Bürgerkrieg sagte Trump: „Sie wollen unser Erbe zerstören, damit sie ihr neues Unterdrückungsregime an seiner Stelle durchsetzen können.“
Dafür ließ sich Trump mehrere Minuten lang über die Frage aus, was für Schuhsolen er trage, und ob er möglicherweise Parkinson haben könnte oder nicht.
[Mit dem Newsletter „Twenty/Twenty“ begleiten unsere US-Experten Sie jeden Donnerstag auf dem Weg zur Präsidentschaftswahl. Hier geht es zur kostenlosen Anmeldung: tagesspiegel.de/twentytwenty.]
Am Rande von Trumps Auftritt kam es zu Demonstrationen gegen Rassismus und Polizeigewalt. Die Proteste blieben aber weitgehend friedlich, wie die Polizei in Tulsa berichtete. Der Kommunikationsdirektor von Trumps Wahlkampfteams, Tim Murtaugh, teilte dennoch mit, „radikale Demonstranten“ und Medien hätten versucht, Sympathisanten vom Besuch abzuhalten. Immer noch seien die Tausenden Unterstützer aber ein Kontrast zum „schläfrigen Wahlkampf“ von Trumps designiertem Herausforderer Biden.
In Tulsa fand 1921 eines des schlimmsten Massaker statt, die Weiße an Schwarzen Amerikanern verübt haben. Damals ermordeten Rassisten mindestens 300 Schwarze. Auch dazu fand Trump keine Worte.
Teilnehmer der Kundgebung in Tulsa mussten sich bei der Registrierung damit einverstanden erklären, dass die Organisatoren nicht für eine Covid-19-Erkrankung und mögliche Folgen haftbar gemacht werden können. Womöglich mit gutem Grund: Vor der Kundgebung wurden sechs Mitarbeiter in Tulsa positiv auf das Coronavirus getestet, wie der Kommunikationsdirektor von Trumps Wahlkampfteam, Tim Murtaugh, am Samstag mitteilte.
Trump selber trug wie üblich keine Maske bei seinem Auftritt. Trumps designierter Herausforderer der Demokraten, Ex-Vizepräsident Joe Biden, warf Trump vor, Menschen zu gefährden, um seinen Wahlkampf wieder aufzunehmen.
Tulsa verzeichnete am Tag vor der Kundgebung die meisten Infektionen seit Beginn der Corona-Pandemie: 136 neue Fälle wurden registriert, wie die örtliche Gesundheitsbehörde mitteilte. Im Bundesstaat Oklahoma insgesamt sieht es ähnlich aus: Nach der Statistik der Johns-Hopkins-Universität sind auch dort die Neuinfektionen in den vergangenen Tagen dramatisch angestiegen. Mehr als 20 weitere US-Bundesstaaten verzeichnen eine Zunahme.
Das Weiße Haus spricht von einem "Witz" des Präsidenten
Unter dem Applaus seiner Anhänger sagte Trump, er habe seine Mitarbeiter dazu aufgerufen, Coronavirus-Tests einzuschränken, damit die Infektionszahlen in den USA nicht steigen. Die inzwischen ausgeweiteten Tests seien „ein zweischneidiges Schwert“.
Er fügte hinzu. „Wenn man in diesem Ausmaß testet, wird man mehr Menschen finden, man wird mehr Fälle finden, also habe ich meinen Leuten gesagt: „Verlangsamt bitte die Tests“.“ Aus dem Weißen Haus hieß es auf dpa-Anfrage, Trump habe „offensichtlich gescherzt“.
Trump verglich das Coronavirus in Tulsa erneut mit einer Grippe - auf englisch „Flu“. Trump sagte, er kenne für das Virus 19 verschiedene Namen, darunter „Kung Flu“. Trump sprach erneut von einem „chinesischen Virus“. China hätte das Virus am Ursprung stoppen müssen, sagte er.
Die USA haben inzwischen nach Angaben der Johns-Hopkins-Universität mehr als 2,25 Millionen bestätigte Coronavirus-Infektionen. Die Vereinigten Staaten haben demnach fast 120 000 Tote durch das Virus zu beklagen. Trump hatte zu Beginn der Krise trotz massiver Warnungen so getan, als sei das Coronavirus eine Erfindung der Medien und der Demokraten.
Landesweite Umfragen sehen Trump weit hinter Biden. Am Samstag musste Trump dann noch eine juristische Niederlage einstecken: Nach der Entscheidung eines Bundesgerichts kann sein früherer Nationaler Sicherheitsberater John Bolton sein Buch mit explosiven Vorwürfen gegen Trump wie geplant veröffentlichen. Das Buch mit dem Titel „The Room Where It Happened“ (etwa: Der Raum, in dem es geschah) soll an diesem Dienstag erscheinen. In vorab bekannt gewordenen Passagen beschreibt Bolton Trump darin als einen Politiker, der seine eigenen Interessen über die des Landes stellt. Trump drohte Bolton: „Dafür muss er einen sehr hohen Preis bezahlen.“ (Can Merey, dpa)
Can Merey