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Andrzej Duda, Präsident von Polen und Kandidat für das Amt des Präsidenten der PiS-Partei (Recht und Gerechtigkeit) bei einer Wahlkampfveranstaltung.
© Darek Delmanowicz/PAP/dpa

Präsidentschaftswahl in Polen: Und plötzlich wankt Amtsinhaber Duda

Die populistische Regierungspartei PiS stolpert über Affären und Winkelzüge, die Opposition ist mit dem neuen Kandidaten Rafal Trzaskowski im Aufwind.

Binnen vier Wochen hat sich die machtpolitische Konstellation in Polen gedreht. Anfang Mai wähnte sich die nationalpopulistische Regierungspartei PiS auf sicherem Kurs zur Wiederwahl des aus ihren Reihen stammenden Staatspräsidenten Andrzej Duda. Der Hickhack um die Frage, wie die anstehende Wahl unter den Bedingungen der Corona-Pandemie abgehalten werden soll – an welchem Tag und auf welche Weise, durch Abstimmung im Wahllokal oder per Briefwahl –, schien Duda nichts anzuhaben.

Neuer Favorit: Warschaus Bürgermeister Trzaskowski

Anfang Juni ist alles in Bewegung gekommen. In gut drei Wochen sollen die Polen jetzt wählen. Der 28. Juni ist der Ersatz für die am 10. Mai wegen Corona ausgefallene Wahl. In den Umfragen verschiebt sich die öffentliche Meinung über die PiS und Duda. Die Opposition hat einen neuen Favoriten für das höchste Amt: Warschaus populären Bürgermeister Rafal Trzaskowski.

Traskowski hat die bisherige Kandidatin Malgorzata Kidawa-Blonska abgelöst. Die Oppositionsführerin im Sejm war gegen Duda blass geblieben und fand wenig Resonanz. Mit Trzaskowski könnte der Opposition gelingen, was bisher ein ferner Traum war: das Machtmonopol der PiS zu durchbrechen.

Duda führt nach wie vor in den Umfragen. Er liegt bei 41 Prozent Zustimmung, Trzaskowski bei 26 Prozent. Doch Anfang Mai durfte Duda noch auf die absolute Mehrheit zählen; damit wäre er im ersten Wahlgang gewählt. Bleibt er unter 50 Prozent, muss er in eine Stichwahl gegen den Zweitplatzierten.

So beschäftigen zwei Fragen die Gemüter: Setzt sich der Trend, der Trzaskowski immer weiter nach vorn geschoben hat, fort? Und für wen werden sich Wähler, die in der ersten Runde für andere Kandidaten stimmen, in der Stichwahl entscheiden? Diese Bewerber gehören zum Gutteil zur Opposition. Mit ihrer Unterstützung könnte Trzaskowski siegen.

Frischer Präsidentschaftskandidat: Warschaus Bürgermeister Rafal Trzaskowski.
Frischer Präsidentschaftskandidat: Warschaus Bürgermeister Rafal Trzaskowski.
© Janek Skarzynski/AFP

Sicher ist das nicht. Die PiS hat in den vergangenen Wahlen meist besser abgeschnitten als in den Umfragen, die Opposition meist schlechter. Kaczynski hat in entscheidenden Momenten mehrfach erfolgreich mit einzelnen Spitzenpolitikern der Opposition gedealt und so eine Niederlage abgewendet.

Schlüsselrolle des Präsidenten, auch im Konflikt mit der EU

Der Präsident hat eine Schlüsselrolle in Polen. Er ist zwar nicht der Chef der Exekutive wie ein Präsident in Frankreich oder den USA, aber einflussreicher als ein Bundespräsident. Duda wurde 2015 gewählt und trat aus der PiS aus, um unabhängig zu wirken. De facto war er die Garantie, dass die PiS, die ebenfalls 2015 in der Parlamentswahl die Regierungsmacht eroberte, ihre fragwürdigen Pläne zum Umbau des Gerichtswesens und der staatlichen Medien vorantreiben und ihre Kontrolle ausweiten konnte.

Gesetze treten erst mit der Unterschrift des Präsidenten in Kraft. Er ernennt auch die obersten Richter. Duda agierte als treuer Erfüllungsgehilfe der PiS und ihres Parteichefs Jaroslaw Kaczynski. Er äußerte nie Zweifel an der Rechtmäßigkeit der heiklen Eingriffe in Demokratie, Rechtsstaat und Medienfreiheit.

Wenn Polens oberste Richter oder der Europäische Gerichtshof Einspruch erhoben, konnte Kaczynski sich darauf verlassen, dass Duda nicht wankte. Ob im Streit um die Richter am Verfassungstribunal oder jetzt des Spitzenpostens am Obersten Gericht, das über die Rechtmäßigkeit einer Wahl zu entscheiden hätte: Duda ernannte Personen, die der PiS politisch nahestehen, und überging die fachlich empfohlenen Kandidaten.

Skandal um die Hitparade und die Kür eines Kaczynski-kritischen Songs

Würde Trzaskowski Präsident, verlöre die PiS eine weitere wichtige Machtposition. Bei der Parlamentswahl im Herbst hatte sie die absolute Mehrheit im Sejm, der ersten Parlamentskammer eingebüßt; dort ist sie auf die Unterstützung der kleinen Partei „Porozumienie“ unter Jaroslaw Gowin angewiesen. Parallel verlor sie die Mehrheit im Senat, der zweiten Parlamentskammer, an die vereinigten Oppositionskräfte.

Diese neue Konstellation hat die PiS geschwächt. Gowin widersetzte sich Kaczynskis erstem Plan, die Präsidentenwahl am 10. Mai trotz Corona abzuhalten. Er widersetzte sich auch Kaczynskis zweitem Plan, handstreichartig eine reine Briefwahl durchzudrücken. Die Opposition verzögerte die Verabschiedung des neuen Gesetzes parallel mit ihrer Mehrheit im Senat.

Renommierte Verfassungsjuristen und die drei Ex-Präsidenten seit 1989 kritisierten das Vorgehen der PiS als rechtswidrig. Dann kam die Affäre um die Absetzung der polnischen Hitparade im populären Radiosender Trojka hinzu. Die Hörer hatten einen Song, der Kaczynski kritisiert, zum besten Hit gewählt. Die Chefredaktion erklärte die Kür wegen angeblicher Manipulation für ungültig. Der populäre Moderator trat zurück.
All das zusammen hat den Umschwung eingeleitet. Ob Duda darüber stürzt, ist offen.

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