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So sieht Klaus Stuttmann die Bemühungen der Bundesregierung gegen die Altersarmut.
© Karikatur: Klaus Stuttmann

Altersarmut in Deutschland: Wie steht es um die Rente?

Den meisten Rentnern geht es gut, sagt die Bundesregierung. Fragt sich nur, wie lange noch. Welchen Gruppen muss geholfen werden? Fragen und Antworten zum Thema.

In jeder Wahlperiode muss die Bundesregierung über die materielle Situation der Rentner Auskunft geben. Die heutige Rentnergeneration sei „überwiegend gut versorgt“, heißt es im aktuellen Entwurf des Alterssicherungsberichts, den das Kabinett nächste Woche beschließen will. Auf gut 250 Seiten benennt das Sozialministerium darin auch, welche Probleme es gibt – und liefert damit Stoff für die aktuelle Rentendebatte. In Kürze wollen Union und SPD entscheiden, welche Rentenreformen sie noch bis zur Bundestagswahl auf den Weg bringen wollen. Schon an diesem Freitag kommen die Spitzen von CDU und CSU zu internen Beratungen zusammen.

Wie stehen die Rentner finanziell da?

Nach Einschätzung des Sozialministeriums vergleichsweise gut. Nur drei Prozent der über 65-Jährigen sind momentan auf Leistungen der Grundsicherung angewiesen, heißt es im Alterssicherungsbericht. Das durchschnittliche Haushaltsnettoeinkommen bei älteren Ehepaaren lag 2015 bei 2543 Euro im Monat, bei Alleinstehenden waren es 1472 Euro. Männer sind dabei in der Regel deutlich besser abgesichert: Sie verfügten über 124 Prozent des Durchschnittseinkommens aller Personen (1614 Euro), während Frauen lediglich auf 81 Prozent kamen (1420 Euro). Das liegt auch daran, dass Frauen im unteren Einkommenszehntel mit einem Anteil von 61 Prozent deutlich überrepräsentiert sind.

Wie groß ist der Unterschied zwischen Ost und West?

Die Alterseinkünfte im Osten liegen im Durchschnitt nach wie vor unter dem Westniveau. So hatte ein Ehepaar in Westdeutschland 2611 Euro im Monat zur Verfügung, während es im Osten 2260 Euro und damit rund 350 Euro weniger waren. Auch wenn man auf die Verteilung der Einkommen schaut, zeigen sich deutliche Unterschiede. Im Osten sind sehr niedrige und sehr hohe Einkommen relativ seltener, dafür sind Einkommen nahe dem Mittelwert häufiger anzutreffen. Im Westen hingegen gibt es eine größere Spreizung zwischen sehr niedrigen und sehr hohen Alterseinkünften.

Wem geht es besonders gut und wem nicht?

Vergleichsweise gut stehen Beamte da. Das durchschnittliche Ruhegehalt von Bundesbeamten und Richtern liegt laut Alterssicherungsbericht bei 3070 Euro (Männer) beziehungsweise bei 2640 Euro (Frauen). Ähnlich sehen die Zahlen auf Landesebene und in den Kommunen aus. Zu berücksichtigen ist allerdings, dass es sich hier um Bruttobezüge handelt, von denen noch die Beiträge zur Kranken- und zur Pflegeversicherung abgezogen werden müssen.

Äußerst ungleich sind die Einkommen bei den Freiberuflern verteilt. Knapp jeder Zehnte verfügt im Alter über ein Alterseinkommen von mehr als 3000 Euro im Monat – und liegt damit deutlich über dem Durchschnitt. Doch fast die Hälfte der ehemals Selbstständigen hat ein Nettoeinkommen von weniger als 1000 Euro im Monat. Zum Vergleich: Bei den Arbeitern und Angestellten liegt dieser Anteil bei gut einem Drittel. Auch unter denjenigen, die im Alter auf Grundsicherung angewiesen sind, nehmen Selbstständige einen vergleichsweise hohen Anteil ein. Das gilt auch für Langzeitarbeitslose und Personen ohne abgeschlossene Ausbildung.

Will im November ein Rentenkonzept vorlegen. Sozialministerin Andrea Nahles.
Will im November ein Rentenkonzept vorlegen. Sozialministerin Andrea Nahles.
© imago/IPON

Wer eine sehr niedrige gesetzliche Rente bezieht, muss deswegen aber nicht automatisch von Altersarmut betroffen sein, wie die Zahlen des Alterssicherungsberichts zeigen. Danach haben Ehepaare mit einer Kleinstrente von weniger als 250 Euro im Durchschnitt ein Bruttoeinkommen von 4136 Euro. Das kann etwa dann der Fall sein, wenn ein ehemaliger Beamter eine Pension bezieht, aber zugleich eine Mini-Rente erhält, weil er zum Beginn seines Berufslebens für kurze Zeit abhängig beschäftigt war. Geringe Rentenbeiträge würden in der Regel durch zusätzliche Einkünfte oder das Einkommen des Ehepartners ausgeglichen, heißt es im Alterssicherungsbericht.

Wem droht in Zukunft Altersarmut?

Geringverdienern, die nicht zusätzlich fürs Alter sparen, droht nach Prognosen des Sozialministeriums Altersarmut. In den kommenden Jahren werde das Versorgungsniveau ohne zusätzliche Altersvorsorge deutlich zurückgehen. „Hier liegt insbesondere für Geringverdienende ein erhebliches Risiko“, heißt es in dem Bericht. In dieser Personengruppe werde derzeit „noch zu wenig“ zusätzlich für das Alter vorgesorgt. Von den 4,2 Millionen Geringverdienern mit einem Bruttolohn unter 1500 Euro haben knapp die Hälfte (1,9 Millionen) weder eine Betriebsrente noch einen Riester-Vertrag abgeschlossen.

Welche Rolle spielt die gesetzliche Rente überhaupt noch für die Alterssicherung?

Die gesetzliche Rente hat bei den Einkünften im Alter nach wie vor die größte Bedeutung – und zwar mit Abstand. Mit einem Anteil von 63 Prozent bleibt sie die dominierende Einkommensquelle. Etwa die Hälfte der Senioren verfügt außerdem über Einkünfte aus Betriebsrenten oder der privaten Vorsorge. So gibt es inzwischen rund 20,4 Millionen Betriebsrenten und etwa 16,5 Millionen Riester-Verträge, von denen ein Teil allerdings ruhend gestellt sind. Auch wenn das Sozialministerium „deutliche Fortschritte“ bei der Verbreitung der zusätzlichen Altersvorsorge sieht, stellt es doch in letzter Zeit eine Verlangsamung fest. So habe der Zuwachs bei den Betriebsrenten „deutlich an Schwung verloren“ und auch bei der Riester-Rente sei in den letzten Jahren „ein stagnierender Trend“ zu beobachten – nicht zuletzt wegen der niedrigen Zinsen am Kapitalmarkt. Es wäre jedoch „grundfalsch“, die Vorsorge deshalb einzustellen, mahnt das Ministerium. „Altersvorsorge braucht einen langen Atem auch über Niedrigzinsphasen hinweg.“

Weniger als ein Drittel der Rentnerehepaare (28 Prozent) beziehen Zinseinkünfte, bei den Alleinstehenden ist es etwa jeder Vierte (22 Prozent). Einkünfte aus Vermietung können 17 Prozent der Paare und neun Prozent der Alleinstehenden verzeichnen. Der Anteil derjenigen, die eine Rente aus einer privaten Lebens- oder Rentenversicherung beziehen, ist vergleichsweise niedrig: bei den Paaren sind es sechs Prozent, bei den Alleinstehenden vier Prozent.

Welche Reformen plant die Politik, und was davon ist realistisch?

Sozialministerin Andrea Nahles (SPD) will noch im November ein Gesamtkonzept zur Rente vorlegen. Davon wird allerdings sicher nicht mehr alles umgesetzt. Die Unionsspitzen beraten am Freitag darüber, was in dieser Legislatur noch möglich ist und mit welchen Forderungen man in den Wahlkampf ziehen will. Danach ist ein Rententreffen mit der SPD-Spitze geplant. Aus der Sicht von SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann wäre jetzt zumindest noch eine Einigung über das Rentenniveau für die Zeit nach 2030 wünschenswert. Bisher ist gesetzlich nur geregelt, dass es sich bis dahin von derzeit 47,8 Prozent auf bis zu 43 Prozent verringern darf. Den Prognosen des Arbeitsministeriums zufolge würde sich das Absinken danach aber weiter fortsetzen. Ohne verordnete Haltelinie läge das Niveau im Jahr 2045 bereits bei 41,6 Prozent.

Geeinigt haben sich Nahles und Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) bereits auf eine Reform der betrieblichen Alterssicherung. Geringverdiener, die darin einzahlen, sollen einen Zuschuss erhalten und auch für kleinere Betriebe sind mehr Anreize vorgesehen, ihren Beschäftigten Rentenanwartschaften zu offerieren. Schwieriger ist die seit dem Einigungsvertrag versprochene Angleichung der Ostrenten. Nahles hätte diese Operation bis 2020 gerne erledigt – in zwei Schritten und finanziert aus Steuermitteln. Im Gegenzug würde dann aber die bisherige Höherwertung ostdeutscher Einkommen für die Rente wegfallen, was insbesondere der Ost-CDU die Sache mächtig verleidet.

Umstritten ist auch das Projekt einer Lebensleistungsrente, mit der niedrige Renten aufgestockt werden sollen und für das auch schon Geld im Haushalt eingeplant ist. Dem Vernehmen nach arbeitet Nahles inzwischen an Alternativvorschlägen für eine bessere Absicherung von Erwerbsgeminderten und Langzeitarbeitslosen.

Die CSU-Forderung nach einer neuerlichen Ausweitung der Mütterrenten stößt schon bei der Schwesterpartei auf heftigen Protest – wegen der immens hohen Kosten und auch weil viele sich gegen das Gießkannenprinzip wehren und die Probleme einzelner Rentnergruppen lieber gezielt angegangen haben wollen.

Weit wichtiger im Kampf gegen Altersarmut seien höhere Renten für Erwerbsunfähige, sagen CDU-Experten - und die Einbeziehung von kleinen Selbständigen in die gesetzliche Rentenversicherung.

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