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Autos fahren am frühen Morgen an einer Messstation an der B224 in Essen vorbei.
© Marcel Kusch/dpa

Stickstoffdioxid: Wie sinnvoll ist der Grenzwert für Dieselfahrverbote?

Im Streit um Fahrverbote ist der Grenzwert von 40 Mikrogramm Stickstoffdioxid entscheidend. Wie er gemessen wird und was er bedeutet – Fragen und Antworten.

Für mehrere Städte haben Richter Fahrverbote angeordnet. Maßgeblich dafür ist ein Grenzwert von 40 Mikrogramm Stickstoffdioxid pro Kubikmeter (µg/m³) im Jahresmittel. Dieser Wert stammt aus einem anderen Bereich.

Wie wird die Luftbelastung gemessen?

Die Messstationen gibt es nur, weil in der Europäischen Union 1999 eine Richtlinie zur Luftqualität verabschiedet wurde. Gemessen werden Stickstoffdioxid, Schwefeldioxid, Kohlenmonoxid, Feinstaub und Ozon. Die EU-Richtlinie wurde als Bundesimmissionsschutzverordnung in deutsches Recht umgesetzt. Das Umweltbundesamt (UBA) ist mit den Bundesländern für die Aufstellung der Stationen verantwortlich. In der Praxis machen das die Länder, die sich mit Städten und Kommunen abstimmen.

Insgesamt gibt es in Deutschland 526 Messstellen, die 2017 einen gültigen Jahresmittelwert geliefert haben. 252 davon überwachen die Belastung durch den Verkehr, die anderen die sogenannte Hintergrundbelastung. Sie sollen messen, wie stark zum Beispiel die Belastung durch ein Kohlekraftwerk in der Stadt oder durch die Kaminöfen der Nachbarn ist. Außerdem gibt es sogenannte Passivsammler. Das sind Röhrchen, die an bestimmten Stellen aufgehängt werden. Die Schadstoffe darin werden einmal im Monat von Hand ausgelesen.

Wo stehen die Messgeräte?

Die Messgeräte, mit denen die Belastung durch den Verkehr gemessen werden soll, dürfen höchstens zehn Meter vom Fahrbahnrand entfernt stehen. Damit soll sichergestellt werden, dass die Luft, die zum Beispiel Fußgänger einatmen, realistisch untersucht wird. Auf der anderen Seite müssen die Geräte mindestens 25 Meter von einer Kreuzung positioniert sein. So soll verhindert werden, dass die Schadstoffe von zwei Straßen zusammenkommen.

Die Experten beim UBA geben aber zu bedenken, dass Kreuzungen oft Einschnitte in Häuserschluchten darstellen. Deshalb sei die Luft abseits von Kreuzungen nicht unbedingt besser. Nach einer aktuellen Auswertung stehen 22 Stationen weniger als 25 Meter von einer Kreuzung entfernt. Die meisten waren schon vor Inkrafttreten der EU-Richtlinie an ihrem Platz.

Könnte man die Geräte anders aufstellen, um besser zu messen?

Die überwiegende Zahl der Messstationen steht richtlinienkonform. Würde man die wenigen anderen Geräte an einem anderen Ort aufstellen, kämen zwar andere Werte heraus, am Gesamtbild der Luftqualität würde sich aber wenig ändern. Die falsch aufgestellten Stationen sind nicht diejenigen mit den Höchstwerten.

In Berlin steht die Station an der Silbersteinstraße „nur“ 21 Meter entfernt von einer Kreuzung, die höchsten Werte gibt es aber in der Karl-Marx-Straße. Auch wenn einzelne Stationen umgebaut würden, ließen sich Fahrverbote nicht vermeiden.

Warum behaupten einzelne Forscher, der Grenzwert sei Unsinn?

Zu den Kritikern der Grenzwerte gehören nicht nur Auto-Lobbyisten, sondern auch Lungenärzte. Dieter Köhler, ehemaliger Präsident der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie, schrieb im „Deutschen Ärzteblatt“, Studien belegten nirgends einen ursächlichen Zusammenhang zwischen knapp (teilweise auch deutlich) über dem Grenzwert liegenden NO2-Konzentrationen und Gesundheitsgefahren. Nicht einmal bei empfindlichen Personen seien diese nachgewiesen. Tatsächlich beruht der konkrete Grenzwert von 40 Mikrogramm NO2 pro Kubikmeter Luft lediglich auf Schätzungen aus einem ganz anderen Bereich: der Belastung durch Gasherde in Innenräumen.

Ähnlich ist die Situation bei den Feinstaub-Grenzwerten. Martin Hetzel, Chefarzt der Pneumologie-Abteilung einer Klinik in Stuttgart – einer der Städte mit den größten Problemen bei deren Einhaltung – sagte den „Stuttgarter Nachrichten“, keiner der Patienten auf seiner Station sei „wegen des Feinstaubs hier“. Er sieht deshalb eine „ungerechtfertigte Beunruhigung der Bevölkerung“.

Wäre ein anderer Grenzwert sinnvoll und wissenschaftlich belegt?

Am Arbeitsplatz etwa gelten deutlich höhere Grenzwerte für NO2 (in Deutschland 950 µg/m³, in der Schweiz 6000 µg/m³). Auch diese eigen sich jedoch nicht als Richtwerte. Niedrige Grenzwerte sind wahrscheinlich in den meisten Fällen sinnvoll – vor allem, um besonders empfindliche Personen zu schützen.

Selbst jene Wissenschaftler, die das Zustandekommen der derzeit geltenden Regelung als unwissenschaftlich kritisieren, befürworten kaum je deren Lockerung. Der Biochemiker und Arzt Alexander Kekulé etwa schrieb kürzlich in der „Zeit“, es bestehe sonst die Gefahr, dass sinnvolle Umweltauflagen in Europa infrage gestellt würden.

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Sollten statt NO2 und Feinstaub andere Schadstoffe reguliert werden?

Ironischerweise hat die Reduzierung der Staubbelastung in Städten zu einer höheren Feinstaubbelastung geführt. Das liegt unter anderem daran, dass größere Staubpartikel in der Luft kleinere anziehen und mit ihnen aufgrund ihres Gewichtes vergleichsweise rasch zu Boden fallen. Die Umweltnormen, etwa für Dieselfahrzeuge, beziehen sich auch nur auf Partikel bestimmter Größen.

Moderne Dieselaggregate stoßen aber vergleichsweise große Mengen von „Ultrafeinstaub“ aus, dessen Teilchen unter dieser Größengrenze liegen. Sie verbleiben aufgrund ihrer Leichtigkeit lange in der Luft, gelangen aufgrund ihrer Größe viel tiefer in die Atemwege – und sind in ihrer gesundheitlichen Wirkung wenig erforscht. Studien, die es gibt, weisen aber darauf hin, dass sie deutlich gefährlicher sein könnten als etwa Stickstoffdioxid.

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