US-Drohungen gegen Merkels Wahlkreis: Wie man Partner vergrätzt
Die USA können den Bau der Pipeline mit Sanktionen verzögern. Ihr Ziel, Deutschland von Deals mit Putin abzuhalten, erreichen sie so nicht. Ein Kommentar.
Donald Trump und die Republikaner im Kongress verhalten sich wie Strategen, die alles daran setzen, eine Schlacht zu gewinnen – und wegen der Mittel, die sie einsetzen, riskieren, den Feldzug zu verlieren.
Mit ihren Sekundärsanktionen gegen alle, die das deutsch-russische Pipelineprojekt Nord Stream 2 unterstützen, können die USA empfindlichen Druck ausüben, die Fertigstellung verzögern und sie im Extremfall vielleicht noch verhindern. Doch ihr eigentliches Ziel, die Deutschen und andere Europäer zum Nachdenken zu bewegen, ob die Gasgeschäfte mit Russland in ihrem wohlabgewogenen Gesamtinteresse liegen, erreichen die Republikaner so nicht.
Mit jeder neuen Drohung, jetzt auch noch gegen den Hafen Sassnitz-Mukran, der in Angela Merkels Wahlkreis liegt, steigern sie das Unverständnis und den Zorn vieler Deutscher. Wer lässt sich gerne erpressen? Und wer seine Energiepolitik von einem angeblichen Verbündeten diktieren?
Die Argumente gegen Nord Stream 2 sind nicht so schlecht und werden von einigen in der Union und bei den Grünen geteilt. Warum verschafft Deutschland einem Wladimir Putin Milliarden harter Devisen, nachdem der gezeigt hat, was er vorhat: das Militär aufrüsten und Nachbarn wie die Ukraine mit einem hybriden Krieg schwächen. Und warum nimmt Deutschland die Bedenken mehrerer Verbündeter in Nato und EU gegen die Pipeline so wenig ernst und schert sich kaum um die Vorgaben für die gemeinsame Energiepolitik der EU?
Ein Amerika, das auf Argumente und eine freiwillige Koalition mit mehreren EU- und Nato-Staaten gegen das Projekt gesetzt hätte, das Merkel von ihrem Vorgänger Gerhard Schröder geerbt hat und das keine Herzensangelegenheit für sie ist, hätte den Bau zwar wohl nicht mehr verhindert, aber die Risiken für Europa und den Nutzen für Russland in eine Balance gebracht.
Amerika zeigt seine Macht - und verliert den Respekt
Mit den rücksichtslosen Sekundärsanktionen – die ohnehin ein fragwürdiges Instrument sind – bewirken die USA das Gegenteil. Sie zeigen, dass sie die Macht haben, erst eine Schweizer Firma, die Rohre durch die Ostsee verlegte, zur Aufgabe zu zwingen. Und sich auch in Sassnitz mit der Androhung wirtschaftlichen Schadens Gehör zu verschaffen. Aber mit dieser Politik verlieren die USA ein viel wertvolleres Gut: den Respekt der Deutschen sowie die Bereitschaft, auf Argumente zu hören und die widerstreitenden Interessen auszugleichen.
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Manche mögen hoffen, diese Methode der Konfliktaustragung werde ein Ende haben, wenn der Demokrat Joe Biden die Präsidentschaftswahl im November gewinnt. Und sich zusätzlich damit beruhigen, dass die Wortführer der Eskalation, die US-Senatoren Ted Cruz, Tom Cotton und Ron Johnson, bekannte Scharfmacher vom rechten Flügel der Republikaner sind.
Ein Machtwechsel im Weißen Haus genügt nicht
Der Streit wird sich aber nach einem Machtwechsel im Weißen Haus und im Kongress nicht in Luft auflösen. Erstens stützen sich die Sanktionsdrohungen auf eine parteiübergreifende Koalition im Kongress. Auch Demokraten teilen die Bedenken gegen die Pipeline und finden es unfair, wenn Europäer sich ihre Sicherheit vom US-Militär garantieren lassen, aber zugleich an Gasgeschäften mit Russland verdienen wollen und einen potenziellen Gegner stärken.
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Zweitens hat die Art der Auseinandersetzungen auf beiden Seiten des Atlantiks viel guten Willen zerstört und das Vertrauen ineinander beschädigt. Die Verletzungen werden lange nachwirken. Ein paar schnöde Gasmilliarden sind euch wichtiger als der Zusammenhalt Europas und des Westens, werfen die USA und ihre Verbündeten in Europa den Deutschen und ihren Pipeline-Koalitionären vor.
Ist das zu kitten? Vielleicht - durch Biden und Schwarz-Grün
Auch euch geht es doch nur ums Geschäft, halten die dagegen. Ihr wollt uns zwingen, Flüssiggas aus den USA statt des russischen Gases zu kaufen.
Ist der Bruch noch zu kitten? Vielleicht. Dazu gehören freilich zwei. Ein Präsident Biden, der den Wert von Allianzen versteht und von Europa keine Vasallentreue verlangt. Und eine schwarz-grüne Bundesregierung, die sowohl das Verhältnis zu Putins Russland als auch die Gemeinsamkeiten der europäischen Demokratien mit den USA neu auslotet.