zum Hauptinhalt
Begeistert die Basis: Bernie Sanders.
© imago images/ZUMA Press

Vorwahlen in Iowa: Diese Demokraten haben die besten Chancen

In Iowa startet der Kampf gegen Trump. Die Demokraten müssen sich entscheiden, wen sie ins Rennen schicken: Revolutionär oder Versöhner.

Wenn die Lautstärke über den Sieg entscheidet, dann ist der Ausgang der ersten demokratischen Vorwahl in Iowa klar. Die Fans jubeln, klatschen und brüllen sich die Seele aus dem Leib, als ihr Favorit am Samstagabend die Bühne betritt. Bernie Sanders, 78 Jahre alt, weiße Haare, wird hier in Cedar Rapids gefeiert wie ein Rockstar – und das von rund 3000 vor allem jungen Zuhörern.

Und der Senator aus Vermont enttäuscht sie nicht: „Wir müssen den gefährlichsten Präsidenten in der modernen Geschichte Amerikas besiegen“, ruft Sanders aus. Die Arbeiterklasse habe es satt und stehe nun endlich gegen die Ungerechtigkeiten in diesem Land auf. „Es reicht!“ Die Halle tobt, genau diesen Kampfeswillen wollen sie sehen.

Dann liefert Sanders einen Überblick über sein für deutsche Verhältnisse sozialdemokratisches Wahlprogramm. Dazu gehören eine gesetzliche Krankenversicherung für alle, höhere Steuern für Reiche und große Unternehmen und weniger Gebühren für Studenten, ein „Green New Deal“ im Kampf gegen den Klimawandel und schärfere Waffengesetze. Für viele Amerikaner klingt das wie eine Revolution, hier begeistert es. 3000 Freiwillige hätten in seinem Namen in den letzten vier Wochen an mehr als 500.000 Türen in diesem Bundesstaat geklopft, denn: „Alles beginnt in Iowa in zwei Nächten.“

Hier, in diesem Agrarstaat im Mittleren Westen, wo auf einer doppelt so großen Fläche wie Bayern gerade mal 3,2 Millionen Menschen leben, stimmen die Demokraten am Montag traditionell als Erstes über ihren Präsidentschaftskandidaten für die Wahl im September ab.

Das gibt Iowa eine überproportional große Bedeutung in diesem Vorwahlkampf: Wer hier enttäuscht, wird es erfahrungsgemäß kaum noch schaffen, aufzuholen. Umgekehrt hat, wer in Iowa gut abschneidet, beste Chancen, auf dem Wahlparteitag der Demokraten im Juli zum Kandidaten gekürt zu werden: Seit 1972 hat der Sieger des „Caucus“ hier sieben von zehn Mal auch die Nominierung seiner Partei gewonnen.

Der Präsident der USA Donald Trump.
Der Präsident der USA Donald Trump.
© AFP/Nicholas Kamm

Noch elf Bewerber

Dabei stellt der Staat nur gut ein Prozent der Delegierten (41 von knapp 4000), und seine Einwohner (überwiegend weiß) sind auch gar nicht repräsentativ für den Rest des Landes. Aber die Medienaufmerksamkeit ist gigantisch.

Die inzwischen noch elf Bewerber reisen daher seit Monaten kreuz und quer durch Iowa und sprechen zu und mit Zigtausenden potenziellen Wählern – in Hallen, auf Marktplätzen und sehr häufig auch in privaten Wohnzimmern und Gärten. Eine unglaubliche Kraftanstrengung.

An diesem Wochenende sind sie alle noch einmal in das schneebedeckte Iowa zurückgekehrt, um noch möglichst viele Anhänger zu mobilisieren – mit tausenden Freiwilligen aus dem ganzen Land im Schlepptau, die dieses einzigartige Spektakel hautnah miterleben wollen. Iowa ist Basisdemokratie in Reinform, unmittelbarer kann der Kontakt zwischen Kandidat und Wählern kaum sein.

Das Wichtigste: Ein Caucus ist keine Wahl. In knapp 1700 kleinen Parteiversammlungen kommen am Montag ab 19 Uhr (2 Uhr MEZ ) Mitglieder von Demokraten und Republikanern zusammen, um darüber zu verhandeln, wer für sie als Präsidentschaftskandidat antreten soll.

Treffpunkte sind Schulen, Kirchen, Gemeindesäle, Sporthallen, Cafés oder Büchereien. Die Abläufe bei Republikanern und Demokraten sind unterschiedlich. Bei den Republikanern ist der Amtsinhaber Donald Trump ohne echte Konkurrenz. Bei den Demokraten ist das interne Rennen extrem spannend, viele Wähler sind bis zuletzt unentschieden.

Meist gibt es bei einem Caucus zunächst Reden von den Unterstützern der einzelnen Kandidaten. Dann teilen sich die Anwesenden im Raum auf: Entweder sie gesellen sich zur Gruppe eines Kandidaten oder sie begeben sich zu den „Unentschiedenen“.

Damit die Stimmen überhaupt gelten, muss eine Gruppe mindestens 15 Prozent der Anwesenden auf sich vereinen. Wer in einer Gruppe endet, die diese Vorgabe nicht erreicht, kann sich in einer weiteren Runde davon überzeugen lassen, in das Lager eines anderen Kandidaten zu wechseln. Diese Option gibt es nur ein Mal. Danach wird ausgezählt. Das Ergebnis wird an die Landespartei gemeldet.

Freiwillige begeistern

Einen klaren Sieger wird es nicht geben, aber wer unter den ersten dreien landet, kann sich so nennen. Diese Art der Basisdemokratie kommt Kandidaten wie Sanders entgegen, die viele Freiwillige begeistern: Diese sollen die Wähler zum Caucus treiben. Savanah Ehlers ist eine dieser Freiwilligen.

Die 19-Jährige aus Indiana ist mit rund 20 anderen nach Cedar Rapids gekommen, um auf dem Campus des lokalen Colleges Studenten zu motivieren, am Montag zum Caucus zu gehen – und sich für Bernie Sanders auszusprechen. Am Samstagabend ist sie bei seiner Rallye, wo auch die Band Vampire Weekend und der linke Filmemacher Michael Moore die Stimmung kräftig anheizen.

Ehlers hält ein blaues „Bernie“-Schild in den Händen und trägt ein schwarzes T-Shirt mit den wichtigsten Wahlversprechen: „College for all, Medicare for all, Jobs for all, Justice for all“, steht da, der letzte Punkt ist in Rot geschrieben. Die Kernbotschaft der Sanders-Kampagne ist: soziale Gerechtigkeit.

Mit diesem Thema hat es Sanders, der als Unabhängiger kandidiert, in Umfragen zuletzt an die Spitze der Bewerber geschafft. Gerade bei Jungen zieht das. „Er hat die radikalste, progressive Botschaft: Sanders ist der einzige Kandidat, der die Ungleichheit im Land wirklich angehen will“, sagt Ehlers, die nach ihrem Schulabschluss jetzt erst mal ein Jahr arbeitet, um wenigstens einen Teil der horrenden Studiengebühren aufbringen zu können. Für den Rest wird sie einen Kredit aufnehmen, den sie noch lange abbezahlen wird. 10.000 bis 20.000 Dollar kostet ein Jahr an ihrem College. „Es ist doch nicht so, dass dieses Land sich nicht mehr Umverteilung leisten kann!“, ruft sie empört aus.

Genau das ist aber auch etwas, was viele skeptisch stimmt, die daran glauben, dass Wahlen in der Mitte gewonnen werden. Sie fürchten, dass Sanders’ „demokratischer Sozialismus“ die Konservativen viel zu sehr mobilisieren, das Land weiter spalten würde. In anderen Umfragen führt daher ein Kandidat, der keine Revolution, sondern gemäßigte Reformen verspricht.

Immer neue Pläne von Warren

Der ehemalige Vizepräsident Joe Biden ist für viele immer noch derjenige, der Trump am ehesten schlagen kann. Trotz seiner 77 Jahre. Auch er ist an diesem Wochenende in Iowa und versucht, für sich und seine Botschaft zu werben, dass dieses Land nicht mehr Spaltung, sondern Versöhnung und parteiübergreifende Kompromisse braucht.

Er ist beliebt und hoch angesehen, viele könnten sich mit ihm arrangieren, aber elektrisierende Begeisterung löst er nicht aus. Anders als bei Sanders ist sein Alter ein Thema. Dafür hat Biden wegen seiner Nähe zu Barack Obama großen Rückhalt bei Afroamerikanern. Die spielen jedoch erst später im Wahljahr eine Rolle.

Die Senatorin Elizabeth Warren.
Die Senatorin Elizabeth Warren.
© REUTERS/Rick Wilking

Zum Favoritenkreis für Iowa gehören außerdem noch die Senatorinnen Elizabeth Warren und Amy Klobuchar, sowie der 38-jährige Pete Buttigieg, bis vor kurzem Bürgermeister von South Bend, einer 100.000-Einwohner-Stadt in Indiana. Klobuchar und Buttigieg zählen wie Biden zum Lager der Moderaten. Genauso wie Michael Bloomberg, der Milliardär und ehemalige Bürgermeister von New York, der aber erst später in den Vorwahlkampf einsteigt.

Vor allem Warren, die ganz ähnliche Politikvorstellungen hat wie Sanders, punktet mit immer neuen politischen Plänen, mit denen sie Amerika zu einem faireren Land machen möchte. Aber die wichtigste Frage ist für die meisten Demokraten am Ende: Wer kann den amtierenden Präsidenten Donald Trump schlagen?

Wenn dieser an diesem Mittwoch sein Impeachment-Verfahren in der Ukraine-Affäre aller Voraussicht nach überstanden hat, wird er alles daran setzen, im November wiedergewählt zu werden.
Die Demokraten sollten sich besser bald entscheiden, wer ihn herausfordern soll: ein Revolutionär oder ein Versöhner. Iowa macht den Auftakt.

Zur Startseite