zum Hauptinhalt
Jewher Ilham nahm anstelle ihres inhaftierten Vaters den Sacharow-Preis entgegen.
© AFP/Frederick Florin

„Es ist Zeit für Sanktionen“: Wie geht Deutschland mit den Uiguren-Lagern in China um?

Der Druck auf China wegen der Umerziehungslager für Uiguren wächst weiter. Auch deutsche Unternehmen in Xinjiang stehen in der Verantwortung.

Nach der Verleihung des Sacharow-Preises für Menschenrechte in dieser Woche an den in China inhaftierten uigurischen Menschenrechtler Ilham Tohti wächst der Druck auf die Volksrepublik, die Lage der Uiguren zu verbessern.

„Der Preis ist eine Entscheidung zur richtigen Zeit, weil er dem millionenfachen Elend, der Unterdrückung und Gewalt gegenüber den Uiguren ein Gesicht gibt“, sagte der EU-Abgeordnete Reinhard Bütikofer (Grüne) jetzt bei einer Podiumsdiskussion mit Ilham Tohtis Tochter Jewher Ilham. Zuvor hatte das Europäische Parlament in einer Resolution den Europäischen Rat aufgefordert, gegen Einzelpersonen, die gegen Menschenrechte verstoßen, gezielte Sanktionen zu verhängen.

„Es ist Zeit für Sanktionen – die US-Regierung hat schon welche verhängt“, sagt auch Dolkun Isa, Präsident des Weltkongresses der Uiguren, dem Tagesspiegel. Experten zufolge unterhält China in der Provinz Xinjiang ein Lagersystem, in dem mehr als eine Million Uiguren willkürlich und unter teils menschenrechtswidrigen Bedingungen festgehalten werden.

Die autoritär regierte Volksrepublik bezeichnet die Lager als „Fortbildungszentren“, in denen islamischer Terrorismus und Extremismus bekämpft werden. Interne chinesische Dokumente belegen inzwischen, dass in den Umerziehungslagern Uiguren und andere muslimische Minderheiten willkürlich inhaftiert und indoktriniert werden. „Spätestens seit den China Cables gibt es für China keine Lügen und Ausreden mehr: Die Lager müssen geschlossen werden“, sagte Bütikofer.

Die Menschenrechts-Expertin Katrin Kinzelbach macht auf die Verantwortung deutscher Unternehmen aufmerksam, die in der Provinz vertreten sind. „Deren Rechtsabteilungen sind nervös“, sagte die Professorin von der Universität Erlangen-Nürnberg, „sie müssen prüfen, inwiefern sie sich an der Zwangsarbeit in Xinjiang mitschuldig machen.“ Auch die Anti-Folter-Konvention spiele eine Rolle.

Unter anderem sind Volkswagen, BASF und Siemens in der Provinz vertreten. Volkswagen veröffentlichte unlängst ein Statement über seine Autoproduktion in Xinjiang, in dem es etwas schwammig heißt: „Wir gehen davon aus, dass kein Mitarbeiter unter Zwang arbeitet.“

Trotz der Entwicklungen in Europa müsse der Druck der Weltöffentlichkeit weiter erhöht werden, fordert Bütikofer. Jewher Ilham verlangt in einem ersten Schritt weniger: Ihr Vater, der Wissenschaftler Ilham Tohti, der als Vermittler zwischen Uiguren und Han-Chinesen bekannt war, war 2014 wegen „Separatismus“ zu lebenslanger Haft verurteilt worden. Seit 2017 fehlt jeder Kontakt zu ihm. Die chinesische Regierung solle ihre Verwandten zu ihm in Gefängnis lassen, sagt Jewher Ilham. „Ich brauche ein Zeichen, dass er noch lebt.“

Zur Startseite