Der Brexit-Fahrplan: Wie es jetzt beim EU-Ausstieg Großbritanniens weitergeht
Boris Johnson bekommt den EU-Deal vorerst nicht durchs Parlament. Aber auch die Debatte über das Ratifizierungsgesetz dürfte schwierig für ihn werden.
In London hat am Montag die nächste Runde in der politischen Schlacht um den Brexit begonnen. Ob es die finale, entscheidende Runde sein wird, ließ sich zunächst noch nicht beurteilen. Nachdem das Parlament am Samstag die Abstimmung über den EU-Deal des britischen Premierministers Boris Johnson verschoben hat, wollte die Regierung am Montag den Austrittsvertrag dem Parlament erneut vorlegen.
Allerdings ließ Parlamentssprecher John Bercow dies mit der Begründung nicht zu, dass der Entwurf der Regierung sich in der Substanz nicht von dem Antrag vom vergangenen Samstag unterscheide. Außerdem habe sich auch an den politischen Begleitumständen seit Samstag nichts geändert, argumentierte Bercow.
Statt des EU-Austrittsvertrages hatten die Abgeordneten am Samstag einen Änderungsantrag des unabhängigen Abgeordneten Oliver Letwin gebilligt. Laut diesem sogenannten Amendment kann eine Zustimmung zum eigentlichen Deal mit der EU erst dann wirksam werden, wenn auch das begleitende Ratifizierungsgesetz vom Parlament abgesegnet ist.
Mit der Entscheidung von Parlamentssprecher Bercow vom Montag steht nun das Ratifizierungsgesetz im Zentrum der politischen Auseinandersetzung. Johnson wird durchaus zugetraut, bei der an diesem Dienstag geplanten zweiten Lesung des Ratifizierungsgesetzes eine Mehrheit zu erhalten. Allerdings könnte eine Mehrheit der Parlamentarier sich seinem Wunsch widersetzen, die dritte Lesung im Unterhaus schon am Donnerstag durchzupeitschen.
Labour-Partei will doch noch einen "weichen Brexit" durchsetzen
Die Opposition unter der Führung der Labour-Partei wird voraussichtlich den Versuch unternehmen, das Ratifizierungsgesetz an entscheidenden Stellen in ihrem Sinne so zu ändern, dass ein „weicher Brexit“ und ein zweites Referendum wieder möglich werden. Johnson hatte hingegen am vergangenen Donnerstag mit der EU einen Scheidungsvertrag ausgehandelt, der einen Austritt des Vereinigten Königreichs aus der EU-Zollunion ermöglicht.
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Falls das Parlament diese Festlegung im Zuge der Ratifizierung wieder zurückdrehen sollte, will Johnson den Versuch abbrechen, seinen Deal durchs Parlament zu bringen. Bei den bevorstehenden Neuwahlen, die möglicherweise im Dezember stattfinden, könnte ihm ein parlamentarischer Guerillakrieg sogar nutzen: Johnson könnte sich hinstellen und erklären, dass er zwar einen Austrittsvertrag mit der EU hinbekommen habe, aber die Brexit-Gegner im Parlament ihm die Hände binden würden.
Verlängerung wird immer wahrscheinlicher
Angesichts des nicht absehbaren Endes der Hängepartie in London wird eine Verlängerung der Brexit-Frist über den 31. Oktober hinaus immer wahrscheinlicher. Johnson war bereits nach seiner Abstimmungsniederlage am Wochenende dazu gezwungen gewesen, gegen seinen Willen eine Fristverlängerung bei EU-Ratschef Donald Tusk zu beantragen.
Zwar lässt sich die EU bewusst Zeit mit einer Antwort auf das Verlängerungsgesuch. Aber am Montag erhärtete sich der Eindruck weiter, dass die EU einem weiteren Aufschub am Ende wohl nicht im Wege stehen wird. Die EU werde sich mit dem Antrag befassen, obwohl dieser nicht von Johnson unterzeichnet worden war, erklärte EU-Kommissionssprecherin Mina Andreeva in Brüssel.
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Falls die EU eine Verlängerung bewilligen sollte, dann wäre dies inzwischen schon der dritte Aufschub beim Brexit. Als die EU das letzte Mal im vergangenen April über eine neue Frist entschied, zeigte sich die Bundesregierung konzilianter als die Regierung in Paris.
Maas und Altmaier schließen Verlängerung nicht aus
Ähnlich verhält es sich auch diesmal: In Paris erklärte eine Regierungssprecherin, dass London zunächst das Vertragswerk annehmen müsse. Außenminister Heiko Maas (SPD) sagte hingegen in Berlin: „Ich würde nicht ausschließen, falls es in Großbritannien Probleme gibt mit den Ratifizierungsschritten, dass es eine kurze technische Verlängerung geben könnte.“
Auch Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) bekräftigte im Deutschlandfunk seine Auffassung, „dass es keine Ideologie für mich ist, ob man noch einmal ein paar Tage oder ein paar Wochen verlängert, wenn man dann sicher eine gute Lösung bekommt, die einen harten Brexit ausschließt“. Auch einen langfristigeren Aufschub schloss Altmaier für den Fall nicht aus, dass sich die Briten für Neuwahlen oder ein neues Referendum entscheiden sollten.