Unterdrücken, verhandeln, abwarten: Wie die saudischen Herrscher den arabischen Frühling bekämpfen
Um das Königreich Saudi-Arabien herum wird die arabische Welt von Aufständen und Unruhen erfasst. Das sunnitische Königshaus reagiert mit Gewalt, Verhandlungen und hofft, dass sich die Lage beruhigt.
Tunesien, Ägypten, Libyen, Syrien und Jemen sind seit Anfang des Jahres von politischen Unruhen erfasst worden. Berichte über größere Demonstrationen in Saudi-Arabien gibt es bisher nicht, obwohl sich die Situation an seinen Landesgrenzen zu Bahrain und Jemen zunehmend verschärft. In beiden Nachbarländern war es zu schweren Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten und den Regierungen gekommen.
Die Regionalmacht befürchtet ein Übergreifen der Aufstände auf das eigene Land und versucht daher, die Umwälzungen entweder zu unterdrücken, zwischen den Konfliktparteien zu vermitteln, oder deren Verlauf abzuwarten. Auch Spannungen zwischen den Anhängern der beiden großen islamischen Glaubensrichtungen, den Sunniten und Schiiten, spielen dabei eine Rolle.
Vor allem in Bahrain fürchtet das saudiarabische Herrscherhaus die schiitische Opposition. Diese hatte landesweite Proteste gegen die sunnitische Regierung organisiert. Das Land würde sich nach einer Revolution wohl mehr an Iran orientieren. Noch mehr ängstigen sich die saudischen Fürsten vor einem Übergreifen der Demonstrationen auf die eigene schiitische Minderheit im Land. Saudi-Arabien wird von etwa 10 Prozent bis 15 Prozent Schiiten, vor allem in den ölreichen Gebieten des Landes, bewohnt. Unruhen in diesen Gebieten würden die Wirtschaftsader des Landes, das Ölgeschäft, empfindlich treffen. Der populäre schiitische Kleriker Tawfiq al-Amer, hatte im Februar bereits die Einführung einer konstitutionellen Monarchie gefordert und wurde daraufhin verhaftet. Um den Aufstand in Bahrain niederzuschlagen, schickte der saudische König Abdullah im März diesen Jahres Truppen in das kleine Nachbarland. Das Herrscherhaus Bahrains um König Scheich Hamad bin Isa Al Chalifa verurteilte erst letzte Woche oppositionelle Politiker zu langen Haftstrafen. Auch die USA halten sich bei den Unruhen in Bahrain zurück: in US-Präsident Obamas Reden wurden Bahrain und Saudi-Arabien kaum erwähnt. Trotzdem muss das saudische Regime vorsichtig agieren, da der Iran sich als Schutzmacht der schiitischen Opposition in Bahrain sieht. Der Nahost-Experte Udo Steinbach sagte dazu: "Ein militärisches Eingreifen der Iraner ist durchaus realistisch, wenn die saudiarabischen Herrscher sich in Bahrain zu sehr einmischen."
In Jemen, wo bürgerkriegsähnliche Zustände herrschen, versucht das Königreich, die Verhandlungen der Konfliktparteien zu moderieren. Der Zerfall des Landes ist durchaus realistisch, schon einmal war Jemen geteilt und wurde erst 1990 wieder vereint. Bei den Kämpfen wurde auch der Präsident Jemens verletzt. Zur Zeit befindet sich Saleh deshalb in einem saudischen Krankenhaus in der Hauptstadt Riad. "Ob die Saudis den Präsidenten zurückkehren lassen, ist ungewiss", sagt Steinbach. Eine Rückkehr des Präsidenten würde den Konflikt wahrscheinlich verstärken und weder die Saudis noch die USA haben ein Interesse an einem langen Bürgerkrieg in Jemen. Er würde nicht nur Saudi-Arabien weiter destabilisieren, sondern der Al Qaida nützen, die ihren Rückzugsraum in Jemen ausbauen könnte. Das Königreich bekämpft Al Qaida und macht die Extremisten für Anschläge verantwortlich. Dreizehn Al Qaida-Anhänger stehen seit vergangenem Sonntag vor Gericht, sie sollen 2003 Terrorakte verübt haben.
In Syrien wartet Saudi-Arabien ab, wie sich die Lage entwickelt. Syriens Präsident Assad setzt Panzer gegen die Aufständischen ein und es soll zahlreiche Tote gegeben haben. Zwischen Saudi-Arabien und Syrien hatte es zuletzt eine Annäherung gegeben, obwohl das Land als iranischer Verbündeter gilt. König Abdullah hofft wohl darauf, dass der syrische Präsident Baschar Al Assad seine enge Bindung an den Iran aufgibt. Dies ist allerdings nur möglich, wenn es dem Präsidenten Syriens gelingt, die Revolution im Land niederzuschlagen. "Nach außen gibt sich die saudische Regierung neutral, aber in Riad ist man sich im klaren, dass der Druck auf das eigene Regime steigen würde, wenn Assad gestürzt wird" erklärt Steinbach das Verhalten. Ein Übergreifen bewaffneter Konflikte auf die ganze Region ist möglich, wenn es in Syrien nicht gelingt, eine politische Lösung zu erzielen.
Der saudische Monarch König Abdullah hat inzwischen auch innenpolitisch reagiert. "Einen Dollarregen für potentiell Aufständische hat die Monarchie ausgeschüttet", sagte Steinbach. Ein 36-Milliarden-Dollar Paket hatte der Monarch angekündigt, zum Beispiel die Steigerung der Gehälter im öffentlichen Dienst um 15 Prozent wurde in Aussicht gestellt. Zudem wurde der schiitische Kleriker Tawfiq al-Amer im März wieder frei gelassen. In Saudi-Arabien sind die Forderungen der Opposition bisher nicht so radikal gewesen, wie in den anderen arabischen Ländern. Aber auch hier herrscht eine hohe Arbeitslosigkeit unter den Jugendlichen und die Signalwirkung der Aufstände bei den Nachbarn an die eigene Bevölkerung ist groß. Problematisch ist zudem die ungeregelte Nachfolge des 86-jährigen Königs Abdullah. "Ob das jetzige System in der Lage ist, einen Machtkampf und politische Umwälzungen zu überstehen, ist zu bezweifeln", sagt Steinbach.
Kaveh Kooroshy
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