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Unter den rund 3000 Abgeordneten beim Volkskongress sind auch zahlreiche Militärs.
© imago images/Xinhua

Hongkong, Aufrüstung, Wirtschaftswachstum: Wie China auf dem Volkskongress seine Großmachtambitionen stärkt

Aufrüstung und Repression: Der Volkskongress in Peking zeigt, wie China seine Macht weiter stärken will.

Die jüngste Anti-Coronavirus-Maßnahme in China ist für die Betroffenen, nun ja, mindestens unangenehm. Wie nicht nur die Londoner „Times“ berichtet, müssen zurzeit in China Einreisende einen Anal-Abstrich über sich ergehen lassen. Hintergrund ist, dass eine Coronavirus-Infektion in Stuhlproben länger nachweisbar ist. Die Prozedur, der auch Ausländer unterzogen werden. kommt verständlicherweise bei den Untersuchten nicht sonderlich gut an. Japans Leitender Kabinettssekretär Katsunobu Kato berichtet von „psychischen Schmerzen“ einiger Untersuchter. Er fordert eine Änderung der Maßnahme. Auch das US-Außenministerium hat schon protestiert, weil US-Diplomaten sich ebenfalls zugunsten der Gesundheit chinesischer Bürger vornüberbeugen mussten.

Das kurios anmutende Beispiel zeigt, wie konsequent China seine No-Covid-Strategie durchsetzt. Es zeugt aber auch vom großen Selbstbewusstsein und Durchsetzungsvermögen Pekings auf internationaler Bühne, wenn es Bürger und Diplomaten anderer Staaten zu derartig umstrittenen Maßnahmen zwingen kann. Noch viel deutlicher wird das Großmachtstreben allerdings in diesen Tagen in der Großen Halle des Volkes an der Ostseite des zentralen Tiananmenplatzes in Peking. Der Volkskongress, der am Freitag seine Tagung begann, wird ein Gesetz verabschieden, um den Prozess der Gleichschaltung der ehemalige britischen Kronkolonie Hongkong weiter voranzutreiben.

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Peking kann damit die „Wahlen“ in Hongkong noch stärker kontrollieren, denn nur noch pekingtreue Kandidaten sollen nominiert werden können. In Hongkong ruft dieser Schritt bei Demokratie-Aktivisten Empörung hervor, erneut sollen Rechte beschnitten werden, die Peking bis 2047 zugesichert hatte.

Zudem verkündete der chinesische Regierungschef Li Keqiang am Freitag eine erneute Steigerung des Militärhaushaltes um 6,8 Prozent. China gibt nach den USA am meisten für das Militär aus. Das Friedensforschungsinstitut Sipri schätzt, dass China 2019 rund 216 Milliarden US-Dollar für militärische Zwecke verwandte. Die USA lagen zwar mit 732 Milliarden US-Dollar deutlich darüber, doch Indien (71,1 Milliarden US-Dollar) und Russland (65,1 Milliarden US-Dollar) folgten bereits mit weitem Abstand auf den Plätzen drei und vier. „Die strategischen Fähigkeiten des Militärs werden ausgebaut, die Souveränität, die Sicherheit und die Entwicklungsinteressen unseres Landes zu schützen“, sagte Premier Li Keqiang vor 3000 Delegierten.

Auch das neue Küstenwachen-Gesetz könnte Konflikte heraufbeschwören

Der Regierungschef bezog sich unter anderem auf das überarbeitete Nationale Verteidigungsgesetz, das der Zentralen Militärkommission die Macht gibt, militärische und zivile Kräfte zu mobilisieren, um Chinas „Entwicklungsinteressen“ zu verteidigen. „Es könnte auch für chinesische Investitionen oder Übersee-Projekte angewandt werden“, analysiert Helena Legarda vom China-Institut Merics. Auch das im Januar verabschiedete neue Küstenwachen-Gesetz könnte Konflikte heraufbeschwören. Darin wird die paramilitärische Küstenwache autorisiert illegale ausländische Schiffe in chinesischen Gewässern „mit allen notwendigen Mitteln“ aufzubringen.

Das Problem ist dabei, dass China Anspruch auf rund 90 Prozent des Südchinesischen Meeres erhebt. Zahlreiche südostasiatische Anrainerstaaten sehen das ganz anders. Einen Gerichtsspruch aus Den Haag, wonach Chinas Hoheitsanspruch nicht rechtmäßig ist, erkennt Peking nicht an. Ab August soll auch eine deutsche Fregatte durch das Südchinesische Meer fahren, um unter anderem die Freiheit der Seewege durchzusetzen.

Auch Chinas Druck auf Taiwan wächst, die Insel wird von der Kommunistischen Partei Chinas als eigene Provinz angesehen. Die Zahl der militärischen Manöver nahmen seit fünf Jahren stetig zu, im Jahr 2020 übte die Volksbefreiungsarmee gleich 21 Mal in der Gegend. Im oder über dem Ostchinesischen Meer nahmen auch die Einsätze chinesischer Küstenwachschiffe und Militärflugzeuge zu. Dort erhebt China Anspruch auf die Diaoyu-Inseln. Japan hingegen nennt die Felsformationen Senkaku-Inseln und betrachtet sie als japanisches Gebiet. Auch Taiwan erhebt Anspruch darauf.

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Zwar betonen die Verantwortlichen der alleinherrschenden Kommunistischen Partei stets den „friedlichen Aufstieg“ Chinas. Doch die Sicherheitslage in der Region wird immer fragiler, davon zeugte zuletzt auch die tödliche Auseinandersetzung zwischen chinesischen und indischen Soldaten in einer umstrittenen Grenzregion im Himalaya. Insgesamt kamen mindestens 24 Soldaten auf beiden Seiten ums Leben. Zurzeit ist dieser Konflikt etwas entschärft, beide Seiten zogen einen Großteil ihrer Soldaten aus der Region ab.

Das Selbstbewusstsein der chinesischen Regierung gründet neben dem wirtschaftlichen und politischen Aufstieg auch auf dem erfolgreichen Umgang mit dem Coronavirus. Das chinesische Narrativ „Der Osten steigt auf und der Westen steigt ab“ – für die Coronakrise stimmt das. Neben der Volksrepublik gibt es etwa mit Taiwan, Südkorea, Vietnam, Thailand, Australien oder Neuseeland zahlreiche Länder in der östlichen Hemisphäre, die mit ihrer No-Covid-Strategie weitaus besser fahren als der Westen. Den Lohn dafür konnte Li Keqiang am Freitag verkünden. Während der Rest der Welt mit einer Rezession kämpft, kündigt die Regierung eine teure Investitionsoffensive an und plant für 2021 mit einem Wirtschaftswachstum von mehr als sechs Prozent.

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