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Eine Mitarbeiterin in einem medizinischen Labor in Kenias Hauptstadt Nairobi.
© dpa

Ewiger Krisenkontinent?: Wie afrikanische Politiker in der Coronakrise alte Klischees widerlegen

Im Kampf gegen das Coronavirus tun sich afrikanische Politiker als kompetente Krisenmanager hervor - und widerlegen so das Vorurteil des korrupten Machthabers.

Wirklich ernst scheint der Staatschef von Tansania die Sache nicht zu nehmen. John Magufuli, ein Mann mit kurzen, angegrauten Haaren und freundlichem Lächeln, sendet in Coronazeiten ziemlich abenteuerliche Botschaften aus. Obwohl es der 60-Jährige als ausgebildeter Chemielehrer besser wissen müsste, empfiehlt der Präsident seinen Bürgern Kräuterheilmittel und heiße Dämpfe gegen die Lungenkrankheit Covid-19 – ohne jede wissenschaftliche Grundlage.

Auch zweifelt Magufuli die Verlässlichkeit von Coronatests an. In einem tansanischen Labor seien eine Ziege und selbst die Probe einer Papayafrucht positiv auf das Virus getestet worden, behauptet er. Am meisten, sagt der Präsident, helfe ohnehin nur Beten gegen die Pandemie. „Corona kann im Leib Christi nicht überleben“, erklärte er vor ein paar Wochen und weigerte sich, die Kirchen in Tansania zu schließen.

Magufuli – Spitzname: Bulldozer – macht damit seinem Ruf alle Ehre. Ohne Rücksicht auf Verluste verfolgt der tansanische Präsident, der seit 2015 mit zunehmend harter Hand regiert, seinen eigenen Kurs, eine Mischung aus Verschwörungstheorien, mangelhafter Transparenz und wenig Verständnis für den Ernst der Lage.

Damit scheint der Politiker wieder einmal sämtliche Klischees des eigenwilligen afrikanischen Autokraten zu bestätigen, wie sie vor allem im Westen weit verbreitet sind.

Präsident John Magufuli im Uhuru Stadium in Dar es Salaam.
Präsident John Magufuli im Uhuru Stadium in Dar es Salaam.
© REUTERS

Doch gerade in der Coronakrise bekommt dieses Bild an vielen Stellen Risse. So tun sich in diesen Tagen zahlreiche afrikanische Politiker als motivierte Kämpfer gegen das Virus hervor; sie organisieren schnelle Hilfe, klären die Bürger auf, setzen sich engagiert für sie ein – und kämpfen so auch gegen das Vorurteil des alten, korrupten afrikanischen Machthabers.

Mit dem Schlagstock gegen das Virus

Eine der Hoffnungsfiguren ist Hassan Ali Joho. Der Gouverneur der kenianischen Hafenstadt Mombasa, der sich gerne in Sonnenbrille und buntem Freizeithemd präsentiert, zeigt sich in Coronazeiten als beherzter Krisenmanager. Ende März verhängte die kenianische Regierung zur Eindämmung der Pandemie eine nächtliche Ausgangssperre. Am gleichen Abend machten Polizisten in Mombasa Jagd auf Pendler, die es nicht rechtzeitig nach Hause geschafft hatten. Mit Tränengas und Schlagstöcken trieben sie Männer, Frauen und Kinder zusammen.

Der Lockdown in Kenia wird von Polizisten streng überwacht.
Der Lockdown in Kenia wird von Polizisten streng überwacht.
© REUTERS

Während die Regierung dem zusah, verurteilte Joho die Gewalt umgehend. „Unsere Sicherheitskräfte müssen verstehen, dass die Menschen Hilfe und keine Strafen brauchen“, mahnte der Gouverneur. Seither verteilt er in Mombasa kostenlos Desinfektionsspray und Lebensmittel an Bedürftige; außerdem lässt er seine Kontakte spielen, um mit Spendengeldern die Krankenhäuser in der Region aufzurüsten.

Seine Aktivitäten dokumentiert der 44-Jährige in den sozialen Medien. Längst ist es kein Geheimnis mehr, dass sich Joho für die kenianische Präsidentschaftswahl 2022 warmläuft. Sein Engagement in der Coronakrise könnte ihm dabei helfen. Die Zeitung „Daily Nation“ aus der Hauptstadt Nairobi lobt ihn bereits: „Joho trifft den richtigen Ton im Kampf gegen Covid-19.“

Jeder zweite Job in Afrika bedroht

Der Ansatz des Bezirksgouverneurs – die schnelle Hilfe vor Ort – hat sich in Afrika schon einmal bewährt. Überall dort, wo Bürgermeister und Landräte während der Ebolakrise 2014 rasch Verantwortung übernahmen, ließ sich die Krankheit zügig eindämmen. Wie wichtig auch jetzt ein solides Krisenmanagement ist, zeigen die Corona-Infektionszahlen in Afrika, die in den vergangenen Wochen um 50 Prozent auf mehr als 60.000 gestiegen sind, mit rund 2000 Toten.

Weil der Höhepunkt der Pandemie in manchen Ländern zusammen mit der Malaria-Saison erwartet wird, stehen die Gesundheitssysteme vor einer großen Belastung. Nach UN-Angaben könnte außerdem bald jeder zweite Job in Afrika wegfallen. Die weltweite Wirtschaftskrise lässt die Nachfrage nach Rohstoffen drastisch sinken. Schon jetzt sind Staatseinnahmen in Afrika um bis zu 30 Prozent eingebrochen, die Armut wächst.

[Aktuelle Entwicklungen zur Coronavirus-Pandemie finden Sie hier in unserem Newsblog. Die Entwicklungen speziell in Berlin an dieser Stelle.]

Der Präsident von Ghana, der Sozialdemokrat Nana Akufo-Addo, versucht in dieser schwierigen Lage, die wirtschaftlichen Folgen für die Menschen in seinem Land abzufedern. Anfang April verkündete seine Regierung, die Strom- und Wasserrechnung aller Bürger für drei Monate zu übernehmen; außerdem soll es Steuererleichterungen geben, besonders für Beschäftigte im Gesundheitswesen.

Der Lockdown bedroht das Leben der Armen

Akufo-Addo reagierte schnell und entschieden auf die Krise. Noch bevor der erste Infektionsfall in Ghana vorlag, wies er seinen Finanzminister an, ein 100 Millionen US-Dollar teures Hilfspaket aufzulegen. Mitte März, drei Tage nach Bekanntwerden der ersten beiden Coronafälle im Land, ließ der Präsident öffentliche Veranstaltungen verbieten. Anfang April folgte die Schließung von Firmen und Geschäften.

Als erstes Land südlich der Sahara lockerte Ghana drei Wochen später den Lockdown, ließ das Wirtschaftsleben wieder anlaufen – aus Sorge um die „schweren Konsequenzen für die Armen“, wie Akufo-Addo sagte.

Ghanas Präsident Nana Akufo-Addo.
Ghanas Präsident Nana Akufo-Addo.
© AFP

Die dreiwöchige Ausgangssperre nutzte die Regierung in Accra, um die Testkapazitäten in dem 30-Millionen-Einwohner-Land auszubauen. „Wir sind Nummer eins in Afrika, was Tests pro Millionen Einwohner angeht“, sagte Akufo-Addo vor zwei Wochen. Bislang sind nach Angaben der ghanaischen Gesundheitsbehörden 130.000 Menschen getestet worden. Rund 2700 bestätigte Fälle gibt es.

Ob Akufo-Addo das Land weiterhin gut durch die Krise führen kann, muss der 76-Jährige allerdings noch beweisen. Der Lockdown hat Ghanas Wirtschaftswachstum, das bislang bei rund sechs Prozent lag, einen empfindlichen Dämpfer versetzt. Die Prognosen für dieses Jahr liegen bei nur noch 1,5 Prozent. Auch gibt es Zweifel an dem Versprechen des Präsidenten, fast 90 neue Krankenhäuser zu bauen. Schließlich hat Akufo-Addo im Wahlkampf 2016 auch Hunderte neue Schulen versprochen. Gebaut wurden die bislang nicht.

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Auf seine eigene Art engagiert sich indes der ugandische Jungpolitiker Bobi Wine im Kampf gegen die Pandemie. Der 38-Jährige, bürgerlich Kyagulanyi Ssentamu, ist weit über die Landesgrenzen hinaus als Pop-Musiker bekannt, sitzt seit 2017 im Parlament von Uganda und möchte bei der nächsten Wahl gegen den 75 Jahre alten Staatschef Yoweri Museveni antreten. Der Langzeitpräsident, der seit 1986 regiert, lässt Wine dafür überwachen und dessen Anhänger immer wieder verprügeln.

In der Coronakrise setzt der vom Rapper zum Politiker gewandelte Wine nun seine Popularität ein, die er als selbsternannter „Ghetto-Präsident“ vor allem bei den Armen in Ostafrika genießt. Wohlwissend, wie wichtig Gesundheitsaufklärung in diesen Tagen ist, nahm er den Song „Corona Virus Alert“ auf, der im Netz bereits mehr als eine Million Mal angesehen wurde.

Mit seiner Musik scheint Wine wieder einmal den Nerv vieler, vor allem jüngerer Menschen in Ostafrika Land zu treffen und im Netz gefeiert – was ihm auf dem Weg zu seinem Ziel, dem Präsidentenamt, durchaus helfen könnte. Sein Lied wird, wie ein Video aus Uganda zeigt, inzwischen selbst von Kindern auf der Straße nachgesungen und könnte somit mindestens so viele Menschen erreichen wie die Aufklärungskampagnen der ugandischen Regierung.

In dem Lied zählt Wine die Symptome von Covid-19 auf und mahnt die Zuhörer zur Einhaltung von Hygiene- und Abstandsregeln. „Die schlechte Nachricht: Jeder ist ein potenzielles Opfer“, warnt Wine zum Anfang des Songs auf Englisch – und schickt dann noch eine aufbauende Botschaft hinterher: „Die gute Nachricht ist: Jeder kann auch eine Lösung sein.“

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