Coronavirus in Afrika: Wie die Pandemie den Kampf gegen andere Krankheiten erschwert
Im Schatten der Coronakrise drohen in Afrika altbekannte Infektionskrankheiten wieder aufzuflammen. Auch Fälle von Ebola sind wieder aufgetreten.
Mit unter 50.000 Infektions- und weniger als 2000 Todesfällen hat Afrika die volle Wucht der Corona-Pandemie bislang noch nicht zu spüren bekommen. Schon heute deutet sich allerdings an, dass dem Kontinent die indirekten Folgen der Infektionswelle noch gefährlicher als die direkten werden könnten. Die derzeitige Konzentration der Kräfte auf den Anti-Corona-Kampf drohe die Beschäftigung mit anderen Epidemien in den Hintergrund zu drängen, warnen Experten.
So sterben derzeit jährlich rund 380.000 Afrikaner an Malaria – eine Zahl, die sich im kommenden Jahr verdoppeln könnte, teilte die Afrika-Direktorin der Weltgesundheitsorganisation, Matshidiso Moeti, kürzlich mit. Malaria ist nur eine von zahlreichen epidemisch auftretenden Krankheiten, mit denen der Erdteil konfrontiert ist: Masern, HIV-Aids, Lassa-Fieber und Ebola heißen einige der anderen.
Im Kampf gegen Malaria wurden in den vergangenen zwei Jahrzehnten beachtliche Fortschritte erzielt. Die „Globale Koalition gegen Malaria“ verteilte weltweit zwei Milliarden imprägnierter Moskitonetze, die westliche Medizin entdeckte die Artemisia-Pflanze als Grundlage eines wirksameren Heilmittels, Forscher standen sogar kurz vor der Einführung eines Malaria-Impfstoffs, als die Corona-Pandemie über den Kontinent hereinbrach.
Neue Poliofälle in Afrika aufgetreten
Seit dem Millenniumswechsel vermochten diese Errungenschaften die jährlichen Malaria-Todesfälle drastisch zu reduzieren – ein Fortschritt, der nun zunichtegemacht zu werden droht. Das befürchtet auch Francis Kimani von Kenias medizinischem Forschungsinstitut: Wenn Fachkräfte, Ressourcen und Logistik vom Kampf gegen Malaria abgezogen und dem Feldzug gegen Corona zugeführt würden, sei in Sachen Malaria mit einem Rückfall in die Zustände des vergangenen Jahrhunderts zu rechnen. Für über 600.000 Afrikaner würde das den Tod bedeuten.
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Noch vor einigen Wochen bereitete sich die Welt auf das feierliche Ende der Kinderlähmung vor: Die weltweiten Impfkampagnen hatten das Poliovirus fast ausradiert. Doch jüngst wurden aus dem Niger und anderen afrikanischen Staaten wieder neue Fälle der Lähmungserkrankung gemeldet: Sie werden der Aussetzung der Impfungen wegen der Corona-Pandemie zugeschrieben.
Sowohl aus Kapazitätsgründen wie aus epidemiologischen Überlegungen sah sich die WHO gezwungen, ihre Impfkampagnen zumindest vorübergehend auszusetzen: Zu groß war auch die Gefahr, dass das Coronavirus mit den Kampagnen verbreitet werden könnte. Nun muss der endgültige Sieg über die Kinderlähmung mindestens verschoben werden.
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Auch die Ebola-Epidemie im Osten der Demokratischen Republik Kongo ist im Schatten des Coronavirus wieder aufgeflammt. Dort hatte man sich ebenfalls schon auf die Feier des Triumphs über den mit rund 2200 Toten zweitschlimmsten Ebola-Ausbruch der Geschichte vorbereitet. Die Bevölkerung des afrikanischen Riesenstaats hat es gegenwärtig gleich mit vier Epidemien zu tun: Corona, Ebola, HIV-Aids sowie Masern.
Impfkampagnen gegen Masern wurden ausgesetzt
Auch wenn Masern inzwischen in Europa (zu Unrecht) als harmlose Kinderkrankheit gelten: In Afrika hat die Vireninfektion noch immer tödliche Folgen. Nach Schätzungen der WHO haben sich auf dem anfälligen Kontinent allein im Jahr 2018 rund 1,7 Millionen Menschen angesteckt, von denen 50.000 starben. Die derzeit im Kongo grassierende Masernepidemie kostete bereits über 6000 Menschen das Leben. Impfkampagnen gegen Masern wurden in vielen afrikanischen Staaten wie dem Südsudan, Äthiopien und Nigeria mittlerweile ausgesetzt. Dadurch seien heute allein 21 Millionen Kinder nicht mehr gegen das Virus geschützt, kalkuliert die WHO.
Und dabei war von anderen vernachlässigten tropischen Krankheiten noch nicht einmal die Rede – wie vom Lassa-Fieber, der Elefantiasis, der Schlafkrankheit oder der Bilharziose. Schon in „normalen“ Zeiten werden für diese Infektionserkrankungen, von denen weltweit rund 600 Millionen Menschen betroffen sind (davon fast die Hälfte Afrikaner), nur lediglich 0,6 Prozent der globalen Gesundheitskosten aufgewandt – obwohl diese Krankheiten mit vergleichsweise geringen Mitteln entweder ganz ausradiert oder wirkungsvoll bekämpft werden könnten.
Die riesigen Löcher, die die Corona-Pandemie gegenwärtig in die Gesundheitsbudgets reißt, schließen aus, dass diese Krankheiten in absehbarer Zeit ausgerottet werden.
In den kommenden Monaten werden auch die UN-Hilfswerke ein anderes Problem haben: wie sie trotz des Kollapses des Luftverkehrs die 76 Millionen Menschen in Afrika erreichen, die schon heute auf ihre Hilfe angewiesen sind. Durch der Corona-Pandemie droht sich diese Zahl in den kommenden Monaten noch zu verdoppeln.
Johannes Dieterich