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Ein Jugendoffizier der Bundeswehr spricht in der Schule. Wenn es nach der Berliner SPD geht, soll es das nicht mehr geben.
© Norbert Millauer/dapd

Soldaten-Bann an Schulen: Werbung der Bundeswehr ist nichts für Minderjährige – Aufklärung schon

Die Berliner SPD will Jugendoffiziere aus Schulen verbannen. Noch ein Indiz dafür, dass das Verhältnis von Bürgern und Armee neu sortiert wird. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Ariane Bemmer

Keine zwei Minuten dauerte die Debatte, dann konnte die Zustimmung abgezählt werden: Die Berliner SPD hat sich auf ihrem Landesparteitag am Wochenende mehrheitlich dafür ausgesprochen, dass an den weiterführenden Schulen der Stadt keine Jugendoffiziere der Bundeswehr auftreten sollen. Ein Aufreger?

Erst mal nicht. Ob Beschäftigte der Bundeswehr in der Unterrichtszeit zu Wort kommen oder nicht entscheiden die Schulen in Eigenregie. 2010 protestierten Schüler in Karlshorst gegen so eine Veranstaltung, 2013 erhielt ein Schöneberger Gymnasium den Friedenspreis, weil es eine Anwerbeaktion der Bundeswehr auf ihrem Gelände untersagte, ansonsten ist größerer Ärger nicht bekannt. Außerdem passt so ein Beschluss vom Spirit her gut in eine Stadt, deren Westteil einst Zufluchtsort für zigtausende Wehrdienstverweigerer aus ganz West-Deutschland war – und deren Kinder heute hier zur Schulen gehen dürften. Bundeswehr? Nee!

Und doch kommt Empörung auf. Der Beschluss schmähe die Bundeswehr, die doch eine Parlamentsarmee sei, ein Herzstück „unserer Demokratie“, sei gänzlich "unsinnig" und so weiter, schimpfen Bundespolitiker verschiedener Parteien - darunter auch der SPD. Was nun auch wieder übertrieben ist.

Sie sollen nicht werben dürfen. Und was ist mit informieren?

Und so sind Beschluss und Kritik vor allem ein Zeichen dafür, dass das Verhältnis von Bürgerschaft zu Armee und Militär, das lange Zeit geschichtsbedingt ein sehr skeptisches war, gerade neu sortiert wird. Zahlreich inzwischen die Forderungen, Deutschland solle sich nicht so anstellen mit seinen Rüstungsexporten, zahlreich die Stimmen, die größere Verteidigungsbudgets fordern, die wollen, dass Deutschland aktiver mitmischt in den Krisen der Welt.

Pazifistische Ansätze werden kaum noch diskutiert. Fast schon radikal war 2018 die Weigerung des "republica"-Teams, der Bundeswehr einen Werbestand bei ihrem Kongress zu genehmigen. Und in dieser Woche dürften die Jubelanalysen anlässlich von 70 Jahren Nato zum überragenden Nutzen militärischer Abschreckung zu haushohen Stapeln anwachsen.

Der beschlossene Antrag selbst könnte bei genauer Betrachtung auch eher zu juristischen Fingerhakeleien führen als zu einem Ende der Schulbesuche durch die Jugendoffiziere. Denn gefordert wird lediglich eine Erweiterung des Schulgesetzes um den Satz: „Es wird militärischen Organisationen untersagt, an Berliner Schulen für den Dienst und die Arbeit im militärischen Bereich zu werben.“ Wie beim Streit um den Abtreibungsparagraphen 219a dürfte zunächst zu klären sein, wo die Grenzen zwischen werben und informieren ist.

Die Jugendoffiziere machen aber nach eigener Auskunft etwas ganz anderes: Sie bieten Vorträge zu sicherheitspolitischen Themen an, zu Auslandseinsätzen der Bundeswehr etwa. Die Nachwuchswerbung machen die Karriereberater. Und wenn die aus Schulen rausgehalten werden, ist das richtig, schließlich sitzen dort in erster Linie Minderjährige.

Ob jemand zur Bundeswehr will oder nicht, diese Entscheidung kann bis zum 18. Geburtstag warten.

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