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Seine Stimme - aber wofür? Michael Müller (SPD), Regierender Bürgermeister, beim Landesparteitag der SPD Berlin.
© dpa/Jörg Carstensen

Landesparteitag der Sozialdemokraten: Die Selbstenteignung der Berliner SPD

Der Parteitag der Berliner SPD findet keine Haltung zum Volksbegehren pro Enteignung. Und Michael Müller brüskiert seine Koalitionspartner. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Lorenz Maroldt

Es ist der Satz der Stunde, er ist mehrheitsfähig – und er stammt vom Regierenden Bürgermeister: „So geht es nicht mehr weiter!“, schimpfte Michael Müller am Wochenende in seiner Rolle als Berliner SPD-Chef über die eigene Regierungskoalition. Linken und Grünen sprach er „gesunden Menschenverstand“ ab und kündigte an, Vorhaben der Partner zu blockieren, trotziger Fußaufstampfer inklusive.

Zugleich aber ist dieser Satz so falsch wie der Beifall, denn er dafür von den Delegierten des SPD-Parteitags bekam, denn es geht eben doch alles ganz genauso weiter. Müller spricht nicht aus einer Position der Stärke heraus, von der er durchsetzen könnte, was er für richtig hält. Er schafft es ja nicht einmal mehr, sich in der eigenen Partei durchzusetzen. Wie soll er da im Senat als Regierungschef, in der Koalition als SPD-Chef oder gar in der Stadt oberster Berliner wahr- und ernstgenommen werden? Sein Wort, das spricht sich herum, gilt nur noch in den engen Grenzen, die ihm andere ziehen.

Erst dafür, dann dagegen, dann verschoben

Die Wohnungsdebatte ist dafür ein gutes Beispiel. Nach einigem Hin und Her zu Beginn des Jahres, bei dem der Regierende Bürgermeister von Berlin zum Entsetzen der Wirtschaft die zwangsweise Vergesellschaftung von großen Unternehmen „als vierten oder fünften Schritt“ nicht ausschließen wollte, paddelte er schließlich ans Ufer und verkündete seine Ablehnung des Volksbegehrens „Deutsche Wohnen & Co enteignen“.

Doch seine Partei schubste Müller wieder zurück, nur eine kleine Schwimmhilfe warf sie hinterher: Sie verschob das Thema auf den Herbst, bis dahin bleibt die Haltung der Regierungspartei und damit auch die des Regierungschefs in dieser bedeutsamen Frage so konsistent wie Wasser, ganz egal, was Müller auch sagt – und das nur eine Woche vor Beginn der Unterschriftensammlung.

Dass eine solche Entscheidungsverweigerung als Erfolg gepriesen wird mit der Begründung, Müller habe ja keine unmittelbare Niederlage erlitten, sagt mehr aus über den Zustand der Berliner SPD als die Umfragewerte – da liegt die Partei stabil hinter Grünen, Linken und der CDU auf Platz 4.

Das Gefühl für Themen ist abhanden gekommen

Die bemühte Erklärung für die Verschiebung macht die Sache nicht besser: Bisher lägen nur „gefühlte Fakten“ in der Enteignungsfrage vor, hieß es. Damit ist das zentrale Problem der SPD ganz gut beschrieben: Sie dreht sich in alle Richtungen und fühlt überall rein, aber wo auch immer sie landet, ist es entweder kalt oder nass oder es ruft eine andere Partei: „Hier sind doch schon wir!“

Das immerhin hat Müller sehr wohl erkannt. Er rief seine Partei dazu auf, den anderen nicht immer hinterherzulaufen, sondern eigene Themen zu setzen und zu verfolgen. Doch der SPD ist das Gefühl dafür abhanden gekommen, was ihre Themen sind, deshalb klammert sie sich auch so an den Begriff: gefühlte Fakten. Das macht sie so lange, bis auch die Behauptung, bei Müller handele es sich um den Regierenden Bürgermeister, allenfalls noch ein „gefühlter Fakt“ ist – und dann bald gar keiner mehr.

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