Sondierungsgespräche in Berlin: Wer verhandelt mit wem über was?
Nach der Abgeordnetenhauswahl spricht die SPD mit CDU, Linken, Grünen und FDP über einen neuen Berliner Senat. Ein erster Überblick über Positionen und mögliche Posten.
Es ist Tradition, dass nach einer Wahl die stärkste Partei zu Gesprächen über die Bildung einer neuen Regierung einlädt. Es ist auch eine gute demokratische Gepflogenheit, dass vor den Koalitionsverhandlungen sondiert wird, welche Parteien sich nahe genug stehen, um eine gemeinsame Regierung zu bilden. Nach der Abgeordnetenhauswahl vom 18. September hat die SPD zu solchen Gesprächen eingeladen.
Am Mittwoch kamen erst die CDU, dann die Linken zu Sondierungsgesprächen ins Rote Rathaus, am Donnerstag geht es mit den Grünen weiter, die FDP beschließt den Reigen am Freitag. Es ist noch offen, ob schon in der nächsten Woche Koalitionsverhandlungen begonnen werden.
Wer verhandelt für die SPD?
Für die Sondierungen und anschließende Koalitionsverhandlungen hat die Berliner SPD ein Quartett gebildet. Zwei Männer und zwei Frauen, ordentlich quotiert, wie es sich für Sozialdemokraten gehört. Primus inter pares ist der SPD-Landesvorsitzende und Regierungschef Michael Müller, an seiner Seite der innerparteilich gut vernetzte und einflussreiche SPD-Fraktionschef Raed Saleh.
Als Sachwalterin der Bezirkspolitik steht die Bürgermeisterin von Tempelhof-Schöneberg, Angelika Schöttler, zur Verfügung. Sie ist eine enge Vertraute Müllers und gehört seit Mai dem SPD-Landesvorstand an. Barbara Loth, noch Staatssekretärin für Integration und Frauen, ist die vierte im Bund. Sie ist seit zehn Jahren Vize-Chefin des Berliner SPD-Vorstands und und vertritt, wie auch Saleh, die mächtige Parteilinke.
Wer verhandelt für die Linke?
Die Linke geht ebenfalls mit einem Vierer-Team in die Gespräche: Parteichef und Spitzenkandidat Klaus Lederer, Fraktionschef Udo Wolf, die Landesgeschäftsführerin Katina Schubert und Ex-Sozialsenatorin Carola Bluhm. Die 53-jährige Politikerin war seit 2001 bei allen Sondierungen und Koalitionsverhandlungen dabei. Der 42-jährige Parteichef Lederer ist ein brillanter Kopf und weiß, dass die Linke selbstbewusst in die Sondierungsgespräche gehen kann.
Fraktionschef Udo Wolf gilt auch als wichtiger Stratege in der Partei. Auch der 54-jährige Innenpolitiker kennt den Regierenden Bürgermeister und SPD–Parteichef Müller aus gemeinsamen Zeiten als Fraktionsvorsitzende unter Rot-Rot. Beide schätzen sich und verstehen sich gut. Katina Schubert, 54, kennt den Landesverband und die Landespolitik schon lange. Die politische Generalistin arbeitete unter Rot-Rot in den Senatsverwaltungen für Wirtschaft, Arbeit und Frauen sowie Arbeit und Soziales als persönliche Referentin der Senatoren Carola Bluhm, deren Vorgängerin Heidi Knake-Werner und des früheren Wirtschaftssenators Harald Wolf.
Wer verhandelt für die Grünen?
Bei den Grünen tritt das Quartett an, das schon den Wahlkampf als Spitzenkandidaten bestritten hat: Die beiden Fraktionschefinnen Ramona Pop und Antje Kapek sowie die Landesvorsitzenden Daniel Wesener und Bettina Jarasch. Die 38-jährige Pop sitzt seit 2001 im Abgeordnetenhaus, sie ist Spezialistin für Haushalts- und Finanzpolitik. Pop kennt die Fraktionsarbeit, war schon bei den Sondierungsgesprächen 2006 und 2011 dabei und kommt mit Müller gut klar. Wie Linken-Fraktionschef Udo Wolf duzt sie den Regierungschef. Pop gehört zum Realo-Flügel der Grünen.
Antje Kapek hat seit 2011 ein Parlamentsmandat und führt seit Oktober 2012 mit Pop zusammen als Doppelspitze die Grünen-Fraktion. Sie ist Stadtentwicklungsexpertin und gehört dem linken Parteiflügel an. Landeschef Wesener, auch ein Parteilinker, war gemeinsam mit Kapek Sprecher der Grünen in der Bezirksverordnetenversammlung von Friedrichshain-Kreuzberg. Seit 2011 führt er gemeinsam mit Bettina Jarasch den Berliner Landesverband. Bei den gescheiterten Koalitionsgesprächen mit der SPD vor fünf Jahren saßen beide schon einmal im Verhandlungsteam. Wesener und Jarasch wurden beide ins Abgeordnetenhaus gewählt und werden ihre Parteiämter abgeben, denn bei den Grünen gilt immer die Trennung von Amt und Mandat.
Wer könnte eine rot-rot-grüne Koalition prägen?
Sollte es zu dieser Koalition kommen, werden Linke und Grüne jeweils drei Senatsposten beanspruchen – entsprechend dem Stärkeverhältnis zwischen den potentiellen Regierungsparteien. Der SPD blieben vier Senatsressorts, und natürlich das Amts des Regierenden Bürgermeisters. Müller will den Finanzsenator Matthias Kollatz-Ahnen und den Stadtentwicklungssenator Andreas Geisel behalten. Die beiden anderen Ämter werden weiblich besetzt. Bildungssenatorin Sandra Scheeres und Arbeitssenatorin Dilek Kolat haben auch noch nicht gehört, dass sie sich einen neuen Job suchen sollen.
Das heißt aber noch nichts. Am Ende entscheidet auch die Ressortverteilung über die personelle Besetzung. Es liegt nahe, dass manche Verwaltungen neu zugeschnitten werden. Ein bisschen erleichtert werden die Verhandlungen dadurch, dass der Berliner Senat gemäß Verfassung um zwei Ressorts (10 plus 1) aufgestockt wird.
Bei den Linken würde wohl das gesamte Verhandlungs-Quartett unter Rot-Rot-Grün Verantwortung übernehmen. Carola Bluhm wird dem Vernehmen nach nicht mehr in einem rot-rot-grünen Senat sitzen, aber sie könnte eine wichtige Rolle in der Fraktion spielen. Schon von 2006 bis 2009 war sie Fraktionschefin. Klaus Lederer wird wohl in den Senat gehen. Er hat schon deutlich Interesse am Kulturressort bekundet.
Udo Wolf wird wohl Fraktionschef bleiben. Ministrabel ist auch Katrin Lompscher, die frühere Senatorin für Umwelt und Gesundheit. Sie gilt als Anwärterin für das Ressort Stadtentwicklung. Ob der frühere Wirtschaftssenator Harald Wolf wieder in den Senat geht, ist sehr fraglich. Er hatte das Amt von Gregor Gysi 2002 übernommen und führte es bis zum Ende der rot-roten Koalition 2011. Er kennt die Arbeitsbelastung, die einen Senatorenposten mit sich bringt.
Bei den Grünen ist Ramona Pop für den Senat gesetzt. Sie käme für das Finanzressort infrage, aber auch Arbeit und Soziales sind ihr nicht fremd. Pop hat gute Kontakte zur Berliner Wirtschaft und könnte sich deshalb auch für das Wirtschaftsressort empfehlen. Antje Kapek würde wohl in der Fraktion bleiben, da die Grünen mit sieben neuen Mitgliedern in der Abgeordnetenhaus-Fraktion eine erfahrene Führung brauchen. Auch Daniel Wesener wird voraussichtlich eine führende Position in der Fraktion erhalten.
Bettina Jarasch könnte in den Senat wechseln – je nach Ressortzuschnitt. Allerdings werden ihr auch Ambitionen nachgesagt, 2017 in den Bundestag zu wechseln. Ein anderer Grüner wäre für den Fachbereich Umweltpolitik geeignet: der bisherige Stadtrat in Pankow, Jens-Holger Kirchner. Anja Schillhaneck wäre als Senatorin für den Wissenschaftsbereich vorstellbar.
Was kam bei der Sondierungsrunde zwischen SPD und CDU heraus?
SPD und CDU betonten beide, dass die erste Sondierung sehr sachlich und in einer guten Atmosphäre verlief. Aber es war den Gesichtern anzusehen, dass es nicht sehr realistisch ist, über eine Koalition unter Einbeziehung der CDU nachzudenken. Die Bereiche Infrastruktur und Wohnungsbau sind zwischen SPD und CDU keine unüberwindbaren Knackpunkte.
Schwieriger wird es in den Bereichen Energie- und Bildungspolitik. Michael Müller betonte immerhin, dass die Gespräche „so verlaufen sind, dass man sich schnell wieder zusammensetzen kann“.
Was haben sich Sozialdemokraten und Linke zu sagen?
Zunächst einmal lässt sich feststellen, dass die Chemie zwischen den Entscheidungsträgern beider Parteien stimmt. Man kennt sich noch gut aus zehn Jahren gemeinsamer Regierung. Die Linke legt aber großen Wert darauf, dass eine neue politische Kultur auf Augenhöhe in einem rot-rot-grünen Bündnis Einzug hält: „Sozialdemokratie plus X“ kommt nicht in Frage. Bei den Sondierungen am Dienstag kam dies schon zur Sprache.
Schwierig dürfte es bei Verhandlungen über die Haushalts- und Finanzpolitik werden. So ist der weitere Abbau von Schulden für die Linken kein vorrangiges Ziel. Die Stadt sollte sich aber „nicht harakirimäßig“ neu verschulden, sagte Lederer. Die Stadt müsse auf einem „guten Pfad“ gehalten werden, sagte Müller.
Ein Herzensthema der Linken sind Transparenz und die Mitbestimmung der Bürger bei stadtweit relevanten Entscheidungen. Auch das wurde beim ersten Treffen angesprochen. „Da haben wir uns nicht gleich umarmt", sagte Lederer. Die direkte Demokratie müsse erleichtert werden. Müller betonte, dass er beispielsweise eine Absenkung von Beteiligungsquoren kritisch sieht. Die Verwaltung wollen SPD und Linke modernisieren und Entscheidungsstrukturen straffen. In einer weiteren Runde am Abend sprachen SPD und Linke noch über Bildung, Mieten und sozialen Zusammenhalt.
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