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Der Auftakt: Der Kölner Ramadan-Friedensmarsch vom vergangenen Wochenende
© Meike Böschemeyer/ imago-pd

Demonstration von Muslimen in Berlin: „Wenn nicht im Ramadan, wann sonst?“

Muslime wollen am Freitag in Berlin für Frieden und gegen Terror und Gewalt demonstrieren. Mit Prognosen über Teilnehmerzahlen halten sich die Veranstalter diesmal zurück.

Eine Demonstration im Fastenmonat Ramadan, wenn gläubige Muslime schon Berufstätigkeit und Gottesdienste mit leerem Magen durchstehen müssen? Unzumutbar findet das der Generalsekretär des türkisch-islamischen Verbands Ditib. „Darüber musste ich schmunzeln“, sagt Fereshta Ludin. Die Berliner Grundschullehrerin ist eine der Organisatorinnen des Friedensmarschs an diesem Freitag (18 Uhr) in Berlin. Der Marsch soll vom Gendarmenmarkt über den Bebelplatz und die Linden zum Pariser Platz führen und dort gegen 20 Uhr mit einer Mahnwache und Friedensgebeten enden. Gerade jetzt sei doch die Zeit dafür, sagt Ludin. „Im Ramadan sind wir besonders empfindlich für das, was um uns herum geschieht, man ist in dieser Zeit damit beschäftigt, was man verändern will, für sich und die Gesellschaft.“ Dem Satz Bekir Albogas setzt Ludin einen ganz anderen entgegen: „Wenn nicht im Ramadan, wann sonst?“

"Keine Erwartungen, was Zahlen angeht"

In Berlin wird an diesem letzten Freitag des Fastenmonats der Faden aufgenommen. Am letzten Samstag lief in Köln unter dem Motto „Nicht mit uns“ ein erster „Ramadan-Friedensmarsch“. Statt der erwarteten 10.000 Menschen kamen lediglich etwa tausend. Fereshta Ludin prognostiziert erst gar nichts: „Ich habe keinerlei Erwartungen, was Zahlen angeht. Ich bin froh, wenn wir Menschen aus der Zivilbevölkerung erreichen, wenn durch das gemeinsame Auftreten von Menschen gleich welchen Hintergrundes Zusammenhalt entsteht, der uns oft fehlt. Wir sind die Gesellschaft, Muslime wie Nichtmuslime. Wir wollen jetzt etwas tun, uns einsetzen und hoffen, dass andere sich anschließen oder auch auf neue Ideen kommen.“

Das Berliner Organisationsteam setzt nicht auf den einen Paukenschlag, sondern auf einen Prozess. Man wolle jetzt einen Anfang machen und hoffe, „dass das ausstrahlt, in die Stadt und darüber hinaus.“ Dies ohne den Anlass eines islamistischen Terroranschlags: Muslime wollten „zeigen, dass wir immer und in jeder Situation da sind. Wir probieren das jetzt“. Und zwar nicht zum letzten Mal: „Wir wollen das womöglich im nächsten Ramadan fortführen.“

Druck auf Ditib wächst

Alle etablierten muslimischen Verbände haben Ludin und ihre Mitstreiter nach ihrer Aussage angeschrieben, auch außerhalb der muslimischen Community sei der Aufruf „breit gestreut“. Aber weder die Verbände will man in der ersten Reihe sehen noch Politiker oder Prominente. Ludin hat selbst keine Vorbehalte gegen den organisierten Islam, dort werde viel geleistet. Nicht viel davon erreiche aber die Nichtorganisierten oder die könnten sich damit nicht identifizieren. Das sei auch der Anstoß für die Initiative gewesen: „Die Entscheidung kam aus dem Gefühl heraus, dass etwas getan werden muss. Wir können nicht immer warten, bis das die Verbände tun.“

Von den vier großen Verbänden hat sich bereits am vergangenen Wochenende nur der Zentralrat der Muslime unter seinem Vorsitzenden Aiman Mazyek für die Kölner Demonstration engagiert. Ditib, der größte und vermutlich mobilisierungsfähigste Verband – er brachte 2004 mehr als 20 000 Muslime zu einem Friedensmarsch auf die Straße –, sagte nach anfänglicher Zustimmung ab. Als Gründe wurden der Ramadan und die angebliche Stigmatisierung des Islam durch Anti-Terror- Demonstrationen genannt.

Das brachte Ditib heftige Kritik ein. Inzwischen wächst der Druck aus anderem Grund: Es geht erneut um die enge Bindung des Verbands an die türkische Religionsbehörde Diyanet, die viele Imame in die deutschen Gemeinden entsendet und sie auch bezahlt. Vor Monaten wurde bekannt, dass Ditib-Imame Gemeindemitglieder ausspioniert und Berichte für Ankara verfasst hatten.

Türkische Religionsbehörde attackiert liberale Moscheegründung

Nun hat der Direktor der Diyanet in Ankara die neue liberale Ibn-Rushd-Goethe-Moschee in Berlin und ihre Gründerin Seyran Ates angegriffen: Das Projekt gehöre zur Gülen-Bewegung und sei „unvereinbar mit den grundlegenden Quellen des Islam“. Ankara wirft der Bewegung vor, hinter dem Putsch im Sommer letzten Jahres zu stehen. Nicht nur Seyran Ates, sondern auch der Berliner Vertreter von Gülens Hizmet-Bewegung, Ercan Karakoyun, hatten das energisch dementiert.

Im Tagesspiegel hatte am Mittwoch SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz die Angriffe aus Ankara als „unerträglich“ bezeichnet. In jeder Religion gebe es unterschiedliche Strömungen, das werde in Deutschland respektiert. Der Bezirksbürgermeister von Berlin-Mitte, Stephan von Dassel, äußerte „Entsetzen und Empörung“ über die Attacke aus der Türkei.

Der designierte Ministerpräsident Nordrhein-Westfalens, Armin Laschet (CDU), kündigte erhöhten Druck auf Ditib an, sich von der Türkei unabhängig zu machen. „Unser Ziel ist es, dass die Gemeinden auf Dauer zu einer deutschen Institution werden, die organisatorisch von einem fremden Staat unabhängig sind“, sagte Laschet dem „Kölner Stadtanzeiger“. Ditib müsse sich auf die seelsorgerische Betreuung konzentrieren und nicht etwa auf innertürkische politische Diskussionen.

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