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Sigmar Gabriel (SPD) bei der Vorstellung seines Buches.
© Jörg Carstensen/dpa

Buchvorstellung in Berlin: Wenn Heraushalten keine Option mehr ist

Sigmar Gabriel stellt sein neues Buch vor - und plaudert mit Laudator Wolfgang Kubicki über Deutschlands Rolle in der Welt. Dabei setzt er auch neue Akzente.

In einem Punkt ist sich Wolfgang Kubicki sicher: „Sigmar Gabriel wird mit der eigenen Partei mächtig Ärger bekommen.“ Für den früheren SPD-Chef und ehemaligen Außenminister wäre das keineswegs eine neue Erfahrung. Genau das verbindet ihn auch mit dem FDP-Politiker Kubicki, der ebenfalls den Konflikt mit den eigenen Leuten nicht scheut. So scheint es beinahe folgerichtig, dass Kubicki bei der Vorstellung von Gabriels neuem Buch als Laudator auftritt. Er sei „ein absoluter Fan von Sigmar Gabriel, als Mensch und als Außenminister“, beteuert Kubicki gleich zu Beginn.

Was der SPD an diesem Buch  („Zeitenwende in der Weltpolitik. Mehr Verantwortung in ungewissen Zeiten“, Herder-Verlag) nicht gefallen könnte? Gabriel befürworte Waffenlieferungen in Länder wie Ägypten und die Türkei und fordere von Deutschland einen stärkeren Beitrag für die militärische Infrastruktur Europas, sagt Kubicki.

Raushalten ist keine Option

Der Ex-Außenminister sieht die Welt derzeit an einem Wendepunkt – und sein eigenes Land dafür schlecht vorbereitet. „Was Deutschland fehlt, ist eine strategische Diskussion über unsere Rolle in der Welt und was da auf uns zukommt“, sagt Gabriel bei der Buchvorstellung im Berliner Pfefferberg-Theater. Er erinnert an die erste Bundestagsdebatte in dieser Legislaturperiode, in der es um die Verlängerung von Auslandseinsätzen der Bundeswehr ging und in der sowohl die AfD als auch die Linke dafür plädierten, „sich rauszuhalten“. Doch genau das ist aus Gabriels Sicht in der heutigen Welt keine Option mehr. Er glaubt auch nicht, dass man sich aus Konflikten heraushalten kann, indem man keine Waffen in bestimmte Länder exportiert. Man könne sich schuldig machen, wenn man Waffen liefere, und auch, wenn man keine liefere, sagt der frühere Wirtschafts- und Außenminister.

Beim Schreiben des Buches sei ihm das Kapitel über Russland am schwersten gefallen, berichtet Gabriel. Dieses Kapitel sei auch das emotionalste, findet Kubicki. Nach Russland reiste Gabriel 1980 zum ersten Mal. Die Herzlichkeit und Wärme, mit der er dort empfangen wurde, hat er bis heute nicht vergessen.

Gabriel warnt davor, dass Deutschland und Russland „allein reden“

Von der deutschen Politik fordert Gabriel nun, „alles, aber auch alles zu tun“, um über den russischen Vorschlag einer Blauhelmmission in der Ostukraine zu verhandeln „und zu gucken, ob es geht, die russische und die europäische Position zusammenzubringen“. Wenn das gelinge, und wenn der Waffenstillstand im Donbass halte, könne man auch mit dem Abbau der Russland-Sanktionen beginnen. So weit ist das Gabriels altbekannte Position, mit der er als Minister von der Linie der Bundesregierung abwich.

Es ist verständlich, dass Gabriel mit seiner Partei stellenweise im Clinch liegt. Er passt eigentlich nirgendwo so richtig rein. Seine Positionen muss man nicht teilen, sie sind aber immer bedacht und überlegenswert.

schreibt NutzerIn gophi

Doch an diesem Abend in Berlin setzt Gabriel auch andere Akzente, die sonst von ihm kaum zu hören waren: Er warnt davor, dass Deutschland und Russland „allein reden“, weil dies bei den Polen und den Balten schlecht ankomme. Zugleich erinnert er daran, dass die Ukraine „vermutlich die meisten Toten im Zweiten Weltkrieg und in der Hungerkatastrophe unter Stalin“ zu beklagen hatte. „Wir reden nur über Russland, vergessen aber die Ukraine und auch Weißrussland.“ Schließlich setzt sich Gabriel dafür ein, Deutschland müsse auf europäischer Ebene die Sicherheitsinteressen Polens und der baltischen Staaten stärker berücksichtigen.

Am Ende seiner Laudatio fragt Kubicki den Autor: „Bei den vielen guten Forderungen in diesem Buch – was hast du eigentlich in den letzten Jahren als Minister in der Regierung gemacht?“ Gabriel wiederum verspricht seinem Bundestagskollegen, die Laudatio zu halten, falls Kubicki ein Buch schreibt.

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