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Ein Mann unter einer riesigen türkische Flagge in Istanbul
© AFP/Yasin Akgul

Deutscher in der Türkei festgenommen: Wenn Facebook-Beiträge zur Festnahme führen

Die Türkei wirft einem Deutschen „Terrorpropaganda“ vor. Das Auswärtige Amt warnt, schon ein „Like“ in den sozialen Medien könne für eine Festnahme ausreichen.

Die Warnung aus dem Auswärtigen Amt ist ungewöhnlich deutlich: In der Türkei seien deutsche Staatsangehörige in den vergangenen zwei Jahren willkürlich inhaftiert worden, heißt es in den Reisehinweisen für das Land. Solche Festnahmen stünden „vielfach in Zusammenhang mit regierungskritischen Stellungnahmen in den sozialen Medien“, warnen die deutschen Diplomaten. „Ausreichend ist im Einzelfall das Teilen oder ‚Liken‘ eines fremden Beitrags entsprechenden Inhalts.“ Es sei davon auszugehen, dass auch nichtöffentliche Beiträge in sozialen Medien an die türkischen Strafverfolgungsbehörden weitergeleitet würden, „etwa durch anonyme Denunziation“.

Einem deutschen Staatsbürger wurden nun offenbar ältere Facebook-Beiträge zum Verhängnis. Der 36-Jähriger mit türkischen Wurzeln, der seinen Urlaub in der Türkei verbringen wollte, wurde am 28. Juli bei der Einreise in Antalya unter dem Verdacht der „Terrorpropaganda“ festgenommen. Das Auswärtige Amt bestätigte am Mittwoch einen entsprechenden Bericht von NDR, WDR und „Süddeutscher Zeitung“.

Deutsche Diplomaten konnten den Mann noch nicht besuchen

Der in Hessen lebende Mann soll demnach bei seiner Anhörung zugegeben haben, vor einigen Jahren auf seinem Facebook-Account mehrere Beiträge geteilt zu haben, was er heute bereue. Über den genauen Inhalt der Beiträge, die nach Auffassung der türkischen Behörden den Vorwurf der „Terrorpropaganda“ begründen, wurde zunächst nichts bekannt. 

Zugleich soll der 36-Jährige die Verantwortung für einen weiteren Facebook-Account abgestritten haben, auf dem neben Fotos des inhaftierten Führers der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK, Abdullah Öcalan, auch Aufnahmen von PKK-nahen Veranstaltungen in Deutschland zu finden sein sollen. Die PKK wird sowohl von der Türkei als auch von der Europäischen Union als Terrororganisation eingestuft.

Mittlerweile wurde Haftbefehl gegen den 36-Jährigen erlassen. Im Falle einer Verurteilung drohen dem Mann mehrere Jahre Haft. Die deutsche Botschaft in Ankara und das Konsulat in Antalya konnten bisher noch keinen konsularischen Zugang zu ihm erhalten. „Wir haben den Betroffenen noch nicht sprechen können“, sagte die Sprecherin des Auswärtigen Amts.

Türkischer Innenminister hatte mit Festnahme von Urlaubern gedroht

Der Fall ist auch deshalb bemerkenswert, weil die türkische Regierung im März Festnahmen von Urlaubern angedroht hatte: Innenminister Süleyman Soylu hatte in einer Rede angekündigt, Touristen aus Deutschland und anderen europäischen Ländern bei der Einreise in die Türkei festnehmen zu lassen, wenn sie zuvor im Ausland an Kundgebungen von Terrororganisationen teilgenommen hatten. Damit spielte er auf Veranstaltungen der PKK an. Die Bundesregierung wies die Äußerungen des türkischen Innenministers damals als „nicht akzeptabel“ zurück.

Dem Auswärtigen Amt blieb allerdings nichts anderes übrig, als die Ankündigung aus Ankara in seine Sicherheitshinweise aufzunehmen – wie bereits die Warnung, dass Beiträge in sozialen Medien eine Festnahme in der Türkei zur Folge haben könnten. Man müsse leider davon ausgehen, dass auch Aktivitäten in sozialen Medien, die aus deutscher Sicht von der Meinungsfreiheit gedeckt seien, in der Türkei zu Problemen führen könnten, betonte die Sprecherin des Auswärtigen Amtes am Mittwoch.

Anwalt hofft, dass der Fall "nicht Teil der großen Politik wird"

Derzeit sind in der Türkei noch sieben Deutsche aus politischen Gründen hinter Gittern. Die Festnahme des Journalisten Deniz Yücel und anderer Deutscher im Jahr 2017 hatte das Verhältnis zwischen Berlin und Ankara massiv belastet. Yücel war im Februar vergangenen Jahres nach fast einem Jahr aus der Haft entlassen worden.

Der von der Familie des in Antalya Festgenommenen eingeschaltete deutsche Anwalt Berthold Fresenius sagte dem Tagesspiegel, er hoffe, „dass dieser Fall nicht Teil der großen Politik wird“.

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