Türkei: Maas findet Drohungen gegen deutsche Touristen "nicht akzeptabel"
Hat der türkische Innenminister gedroht, deutsche Urlauber festzunehmen? Ankara bestreitet das. Der deutsche Außenminister weist die Äußerungen dennoch zurück
Außenminister Heiko Maas hat die Drohungen des türkischen Innenministers Süleyman Soylu gegen Touristen aus Deutschland zurückgewiesen. "Das sind Äußerungen, die nicht akzeptabel sind, die uns auch beunruhigen", sagte Maas am Donnerstag in Berlin. Soylu hatte am Wochenende bei einer Veranstaltung in Ankara gedroht, Touristen aus Deutschland und Europa nach der Einreise in die Türkei verhaften zu lassen, wenn sie im Ausland an Kundgebungen für die verbotene kurdische Arbeiterpartei PKK teilgenommen haben.
Diese wird in der Türkei als Terrororganisation eingestuft und ist auch in Deutschland verboten. Es werde nicht mehr einfach sein, im Ausland ein "Verräter" zu sein und dann in der Türkei Vorteile genießen zu wollen, hatte Soylu gewarnt. Die Drohungen dürften vor allem kurdische und türkischstämmige Reisende aus Europa betreffen.
Ein Sprecher des türkischen Außenministeriums hatte sich danach bemüht, die Bemerkung zu relativieren. Die Worte des Innenministers zum Anti-Terror-Kampf seien aus dem Kontext gerissen worden. Der Türkei seien Touristen weiter willkommen.
Vor der Äußerung von Minister Maas hatte bereits eine Sprecherin des Auswärtigen Amtes die Drohungen Ankaras gegenüber deutschen Türkei-Reisenden zurückgewiesen. Die Äußerungen des türkischen Innenministers Süleyman Soylu seien "nicht hilfreich in der aktuellen Situation", sagte die Außenamtssprecherin Maria Adebahr.
Türkische Regierung erhebt Vorwürfe gegen deutsche Medien
Ankara hatte hingegen deutschen Medien vorgeworfen, Soylus Äußerungen bewusst verzerrt zu haben, und zugleich versichert, deutsche Urlauber seien in der Türkei weiterhin willkommen. Soylu hatte bei einem Wahlkampfauftritt am Sonntag gesagt, wer in Deutschland oder anderen europäischen Ländern an Kundgebungen von "Terrororganisationen" teilnehme und danach in die Türkei zum Urlaub komme, werde bei der Einreise festgenommen.
Soylu bezog sich dabei speziell auf die Arbeiterpartei Kurdistans (PKK), die in der Türkei wie in Deutschland als Terrororganisation verboten ist. Allerdings gelten in der Türkei auch die islamische Gülen-Bewegung und diverse weitere in Deutschland legale Oppositionsgruppen als Terrororganisation.
In den vergangenen Jahren wurden wiederholt Deutsche oder Deutsch-Türken bei Reisen in die Türkei unter dem Vorwurf der Propaganda oder der Unterstützung einer solchen Organisation festgenommen, wobei sich die Vorwürfe oft auf Äußerungen in den Online-Netzwerken stützten. "Äußerungen, die in Deutschland durch die Meinungsfreiheit gedeckt sind, können in der Türkei zu strafrechtlicher Verfolgung führen", warnte Adebahr nun.
Sie empfehle allen Urlaubern, sich die Reise- und Sicherheitshinweise für die Türkei genau anzuschauen. Diese wiesen "deutlich auf ein Festnahmerisiko hin", besonders wenn "nach türkischer Lesart Verbindungen zu einer Terrororganisation" bestünden, sagte die Sprecherin. Sie verwies auf laufende Gespräche mit der Türkei wegen der jüngsten Äußerungen Soylus.
Angesichts des Unmuts in Deutschland über die Äußerungen Soylus warf die türkische Regierung deutschen Medien vor, diese falsch wiedergegeben zu haben. Es sei offensichtlich, dass die Äußerungen "bewusst aus dem Zusammenhang gerissen und verzerrt wurden", erklärte ein Außenamtssprecher. Zugleich versicherte er, die Türkei werde deutsche Touristen weiterhin "mit traditioneller türkischer Gastfreundschaft empfangen". Allerdings belegen Video-Aufnahmen mindestens zweier Reden Soylus die Äußerungen, über die auch der Tagesspiegel berichtet hatte.
Die Linken-Abgeordnete Sevim Dagdelen forderte das Außenministerium auf, eine Reisewarnung für die Türkei zu verkünden. Der SPD-Politiker Dietmar Nietan sagte dem Tagesspiegel, leider wiederhole Soylu aus anderen Wahlkämpfen bekannte Muster. Es gehöre zum Repertoire autokratischer Politiker und Parteien, imaginären äußeren Feinden zu drohen. "Trotzdem müssen wir demokratischen Politikern solchen Drohungen klar widersprechen", fügte Nietan hinzu: "Wer wie der Hardliner Soylu verbal Öl uns Feuer gießt, fördert Ausgrenzung und schürt Gewalt gegen Andersdenkende."
Türkische Gemeinde: "Sache nicht hochputschen"
Der Ko-Vorsitzende der Türkischen Gemeinde in Deutschland, Atila Karabörklü, warnte davor, die Auswirkungen der Soylu-Rede auf den Tourismus zu übeschätzen. "Man sollte diese Sache nicht hochputschen", sagte er dem Tagesspiegel. Die AKP versuche, Probleme im Inneren vergessen zu machen, indem sie im Kommunalwahlkampf eine äußere Gefahr beschwöre. "Man möchte die Menschen einschüchtern", kritisierte er.
Auch Abgeordnete der Grünen, der CDU und der FDP äußerten Kritik. Die Deutschen waren 2018 nach den Russen die zweitgrößte Urlaubergruppe in der Türkei. Die Tourismusbranche ist ein wichtiger Wirtschaftszweig in dem Land. Nach einer Reihe von Anschlägen und dem Putschversuch vom Juli 2016 waren die Urlauberzahlen aber stark eingebrochen. Erst im vergangenen Jahr erholte sich der türkische Tourismussektor wieder, wobei 4,5 Millionen Urlauber aus Deutschland gezählt wurden.
Die deutsch-türkischen Beziehungen sind seit Jahren angespannt. Für Unverständnis in Berlin sorgte zuletzt die Entscheidung Ankaras, drei deutschen Journalisten die Akkreditierung zu entziehen. Regierungssprecher Steffen Seibert sagte dazu am Mittwoch, die Bundesregierung erwarte, "dass die Türkei rasch eine Lösung in dieser Frage findet". "Journalisten müssen in der Türkei frei ihre Arbeit machen können", mahnte er. (Tsp/AFP)