Nach Treffen mit Erdogan: Weiter Kritik an Özil und Gündogan
„Geht gar nicht", "absolutes Eigentor“, "schlechte Vorbilder": Die Kritik an den Nationalspielern Özil und Gündogan wegen des Treffens mit dem türkischen Präsidenten dauert an.
Mesut Özil und Ilkay Gündogan stehen weiter unter Druck. Die Kritik an den umstrittenen Bildern der Fußball-Nationalspieler mit dem türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan reißt nicht ab - und wird teilweise sogar heftiger. Vor allem der deutsch-türkische Fußballer Deniz Naki machte den beiden Profis wegen der Fotos heftige Vorwürfe. „Was Özil und Gündogan da mit dem Trikot für Erdogan machen, geht gar nicht“, wird der frühere Profi des FC St. Pauli und des SC Paderborn vom Internetportal sportbild.de zitiert. „Özil und Gündogan beteiligen sich an Erdogans Wahlkampf.“
Özil und Gündogan hatten Erdogan bei einem Termin in London am Sonntag Trikots ihrer Vereine FC Arsenal und Manchester City überreicht. Die von Erdogans Partei veröffentlichten Bilder hatten schnell ein harsches Echo ausgelöst. „Wenn das ihr Präsident sein soll, warum spielen sie dann für Deutschland? Ich finde das nicht in Ordnung“, sagte Naki. „Man kann einem Präsidenten ein Trikot überreichen, wenn der für Frieden und Demokratie ist. Die ganze Welt aber weiß, dass Erdogan das nicht ist.“ Gündogan zufolge soll mit dem Auftritt keine politische Botschaft verbunden gewesen sein.
DFB-Integrationsbeauftragter Cacau: "Absolutes Eigentor"
Der DFB-Integrationsbeauftragte Cacau bezeichnete die Fotos als „absolutes Eigentor“. „Ich kann sehr gut verstehen, dass sich hier viele Menschen aufgeregt haben. Mesut Özil und Ilkay Gündogan haben sich aus meiner Sicht leider für den Wahlkampf von Recep Erdogan instrumentalisieren lassen“, sagte der Ex-Nationalspieler der „Stuttgarter Zeitung“ und den „Stuttgarter Nachrichten“ (Mittwoch). „Erdogans Haltung etwa bei der Pressefreiheit verbietet es aus meiner Sicht, hier zu solch einem PR-Foto anzutreten.“
Das Treffen mit Erdogan werfe die Integration junger Menschen mit Migrationshintergrund in Deutschland zwar nicht zurück, erklärte der gebürtige Brasilianer mit deutschem Pass. „Aber es hilft der Integration auch nicht unbedingt weiter.“ Dennoch könnten Özil und Gündogan weiter Vorbilder sein, meinte der frühere Stürmer des VfB Stuttgart. „Beide sind überragende Fußballer. Durch diesen Fehler wird ja nicht alles gelöscht, was sie geleistet haben.“ Cacau sieht die Nationalelf weiterhin als Modell einer gelungenen Integration. „Da gibt es keine trennenden Grenzen im Team“, sagte der 37-Jährige.
Widmann-Maunz: Nationalspieler müssen sich ihrer Funktion bewusst sein
Nach Ansicht der Integrationsbeauftragten der Bundesregierung, Annette Widmann-Mauz, haben die Nationalspieler schlechte Vorbilder abgegeben. „Ich erwarte nicht, dass ein Fußballer von heute auf morgen Diplomat wird. Aber ich erwarte von einem Fußball-Nationalspieler, dass er sich seiner Funktion bewusst wird“, sagte die CDU-Politikerin am Mittwoch im Deutschlandfunk.
Viele Kritiker von Erdogan steckten in Gefängnissen, sagte Widmann-Mauz. Das passe nicht zum Leitbild der DFB-Kampagnen und zu den Werten, die die Nationalmannschaft nach außen vertrete - erst recht nicht vor einer Weltmeisterschaft und vor Wahlen in der Türkei.
FDP-Parteichef Christian Lindner sagte der „Passauer Neuen Presse“: „Als Sportidole haben Fußballstars eine Vorbildfunktion. Es ist sehr bedauerlich, dass sich Gündogan und Özil nun mit Erdogan zeigen, der die einst laizistische Türkei in eine islamistische Präsidialdiktatur verwandelt.“ Auf dem Trikot, das Gündogan an Erdogan überreicht hatte, stand handschriftlich über der Signatur auf Türkisch: „Für meinen verehrten Präsidenten - hochachtungsvoll“. (dpa)
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