Türkischer Präsident: Emre Can schlug Erdogans Einladung offenbar aus
Einem Bericht zufolge wollte der türkische Präsident Erdogan neben Özil und Gündogan auch Emre Can einladen – doch der sagte ab. Das Treffen in London sorgt weiter für heftige Kritik.
Auch der deutsch-türkische Fußballspieler Emre Can hat einem Bericht der "Welt" zufolge eine Einladung von Recep Tayyip Erdogan erhalten - er blieb dem Treffen aber fern. Die beiden deutsch-türkischen Nationalmannschaftsspieler Mesut Özil und Ilkay Gündogan hingegen übergaben dem türkischen Präsidenten am Sonntag bei einem Fototermin in einem Londoner Hotel handsignierte Trikots. Wie der Sport-Informationsdienst (SID) berichtete, war Gündogans Trikot vom Spieler mit den Worten signiert: "Mit großem Respekt für meinen Präsidenten."
Der Besuch sorgt in Deutschland für heftige Kritik. In der Türkei wird am 24. Juni gewählt. Der Fototermin mit Staatschef Erdogan mutet als Wahlkampfaktion an.
Kritik an Özil und Gündogan
Noch am Montag erklärte der Präsident des Deutschen Fußballbundes (DFB), Reinhard Grindel, auf Twitter: "Der Fußball und der DFB stehen für Werte, die von Herrn Erdogan nicht hinreichend beachtet werden. Deshalb ist es nicht gut, dass sich unsere Nationalspieler für seine Wahlkampfmanöver missbrauchen lassen." Am Dienstag, dem Tag der vorläufigen Nominierung des WM-Kaders, übte auch Bundestrainer Joachim Löw Kritik. Özil und Gündogan sind dennoch nominiert.
Damit sind nicht alle Fans einverstanden. Auf der Online-Petitionsplattform Change.org forderten bereits am Dienstagnachmittag rund 30.000 Unterzeichnende, dass der DFB Özil und Gündogan nicht an die Fußball-Weltmeisterschaft nach Russland mitnehmen soll. Es könne nicht sein, dass sich die Fußballer neben einer politischen Kraft ablichten ließen, die aktuell massiv gegen das Völkerrecht verstoße, Terroristen unterstütze und dabei sei, einen Unrechtsstaat zu formen. "Wer diesen Mann in der Öffentlichkeit auch noch unterstützt, kann das gerne tun, aber er kann und DARF nicht im Trikot der deutschen Nationalmannschaft auflaufen", schreiben die Petitionäre.
Kritik gab es für die beiden Fußballer auch von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). Über ihren Sprecher kommentierte sie am Dienstag das Treffen mit Erdogan. Es sei eine Situation gewesen, „die Fragen aufwarf und zu Missverständnissen einlud“, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert. Als Nationalspieler hätten die beiden Vorbildfunktion.
Man sollte die Moschee im Dorf lassen. [...] Der DFB hat kein Problem damit autoritäre Regimes mit seinen Turnierteilnahmen zu unterstützen. Wer Putin und dem Emir von Qatar die Hand schüttelt, der kann auch Erdogan die Hand schütteln.
schreibt NutzerIn lionfood
Der frühere Grünen-Parteichef Cem Özdemir sagte, der Bundespräsident eines deutschen Fußball-Nationalspielers heiße Frank-Walter Steinmeier, die Bundeskanzlerin Angela Merkel und das Parlament heiße Deutscher Bundestag. Anstatt "dieser geschmacklosen Wahlkampfhilfe" für Erdogan wünsche er sich von den Spielern, "dass sie sich aufs Fußballspielen konzentrieren und noch einmal die Begriffe Rechtsstaatlichkeit und Demokratie nachschlagen", fügte Özdemir hinzu.
"Schiefe Verbeugung vor Herrn Erdogan"
Die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Annette Widmann-Mauz (CDU), warf den beiden Fußballern in der "Passauer Neuen Presse" vom Dienstag eine "schiefe Verbeugung vor Herrn Erdogan" vor. Diese sei "das Gegenteil" der DFB-Kampagne "Wir sind Vielfalt", die für mehr Toleranz und Respekt werbe. Und der innenpolitische Experte ihrer Partei, Wolfgang Bosbach, erklärte gegenüber der "Heilbronner Stimme", es sei mehr als nur befremdlich, dass beide auf diese Weise einem "antidemokratischen, autoritären Herrscher" huldigten.
Die Vorsitzende des Bundestags-Sportausschusses, Dagmar Freitag (SPD), schloss sich der Kritik an. "Diese Fotos lassen viele Interpretationen zu, auch solche, die von Özil und Gündogan möglicherweise nicht beabsichtigt waren", sagte sie der "Berliner Zeitung" vom Dienstag. "Mitglieder unserer Nationalmannschaften müssen sich jedoch jederzeit über ihre Vorbildfunktion im Klaren sein." Derartige Aktionen passten "weder zu unserem Wertesystem noch zu den Grundwerten des Sports in unserem Land".
Und selbst die Türkische Gemeinde in Deutschland übte Kritik. "Fußballspieler sollten sich aus der Politik raushalten - vor allem wenn sie Nationalspieler sind", sagte der Vorsitzende Gökay Sofuoglu der in Halle erscheinenden "Mitteldeutschen Zeitung" (Online-Ausgabe). Zugleich erklärte er, die beiden Sportler seien mündige Bürger und könnten sich treffen, "mit wem sie wollen".
Gündogan und Özil erklären sich
Auf die scharfe Kritik von allen Seiten reagierte Ilkay Gündogan bereits am Montag mit einer Stellungnahme. Der Respekt vor dem Heimatland der Eltern gebiete es ihm, dem türkischen Präsidenten öffentlich die Hand zu schütteln, schrieb er: "Bei aller berechtigten Kritik haben wir uns aus Respekt vor dem Amt des Präsidenten und unseren türkischen Wurzeln – auch als deutsche Staatsbürger - für die Geste der Höflichkeit entschieden.“ (mit Agenturen)
Florian Niedermann
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