Streit um Daten von AfD-Abgeordneten: Was steckt hinter der Versetzung von Sachsens Verfassungsschutzchef?
Es heißt, Meyer-Plath musste gehen, weil er sich weigerte, Daten von AfD-Abgeordneten zu löschen. Doch die Sache ist kompliziert.
Der Vorgang schien ins Bild zu passen: Am Mittwoch machte die Meldung die Runde, dass der sächsische Verfassungsschutzchef Gordian Meyer-Plath abgelöst wurde, weil er sich weigerte, Daten über AfD-Abgeordnete zu löschen. Es schien so, als habe Meyer-Plath den Extremismus bekämpfen wollen – und sei vom sächsischen Innenministerium ausgebremst worden. Einige sahen bereits eine typische Sachsen-Geschichte darin.
Doch die ganze Sache ist offenbar deutlich komplizierter – und zieht jetzt weite Kreise. Das zeigte sich bereits am Donnerstag. Da gaben der sächsische Innenminister Roland Wöller von der CDU und der neue Chef des Verfassungsschutzes, Dirk-Martin Christian, eine Pressekonferenz. Christian war vorher im Innenministerium für die Fachaufsicht des sächsischen Verfassungsschutzes zuständig.
In der Pressekonferenz zeichnet Wöller ein anderes Bild von dem Vorgang um die Datenlöschung – eines nämlich, das den den bisherigen Verfassungsschutzchef Meyer-Plath in einem sehr schlechten Licht dastehen lässt. Wenn der Verfassungsschutz Daten von Abgeordneten sammeln und speichern wolle, sagte Wöller vor den Journalisten, dann unterliege das besonders strengen Anforderungen.
Die Anforderungen sind sehr hoch
Wöller bezog sich auf die sogenannte Ramelow-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts. 2013 hatte dieses geurteilt, dass die Beobachtung des damaligen Linken-Abgeordneten Bodo Ramelow rechtswidrig war. Abgeordnete dürften zwar prinzipiell auch vom Verfassungsschutz beobachtet werden. Doch die Anforderungen dafür sah das Gericht damals bei Ramelow nicht erfüllt. Eine Beobachtung und Speicherung von Abgeordneten komme „insbesondere dann in Betracht, wenn klare Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Abgeordnete sein Mandat zum Kampf gegen die Freiheitlich-Demokratische Grundordnung missbraucht oder diese aktiv und aggressiv bekämpft“, zitierte Wöller. Eine bloße Parteimitgliedschaft reiche zur Begründung aber nicht aus.
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Mehrfach habe die Fachaufsicht das Landesamt für Verfassungsschutz nach entsprechenden Belegen gefragt, diese seien aber vom Landesamt nicht geliefert worden. „Die Löschung der Daten ist zwingende Rechtsfolge“, sagte Wöller.
Laut „Sächsischer Zeitung“ geht es konkret um die Daten von vier Abgeordneten des Sächsischen Landtags, eines EU-Parlamentariers sowie drei Bundestagsabgeordneten, darunter AfD-Chef Tino Chrupalla. Unklar ist, welche Daten genau gesammelt wurden. Das Bundesamt für Verfassungsschutz beobachtet seit diesem Jahr mehrere AfD-Abgeordnete des mittlerweile aufgelösten „Flügels“ – allerdings nur bei deren außerparlamentarischen Aktivitäten.
Zu „dämlich“ für eine Begründung?
Im Innenausschuss des sächsischen Landtages äußerte sich Innenminister Wöller am Donnerstag ebenfalls zu dem Vorgang. Abgeordnete waren erstaunt, wie scharf er sein Landesamt für Verfassungsschutz kritisierte und diesem rechtswidriges Verhalten vorwarf. Den Abgeordneten drängt sich jetzt der Eindruck auf, dass der sächsische Verfassungsschutz zu „dämlich“ war, zu begründen, weshalb er Daten von AfD-Abgeordneten speichern muss – so drückte es zumindest die Linken-Politikerin Kerstin Köditz aus.
Der Grünen-Abgeordnete Valentin Lippmann, dessen Partei in Sachsen an der Regierung beteiligt ist, sagte dem Tagesspiegel: „Die Anforderungen für die Speicherung von Abgeordnetendaten durch den Verfassungsschutz sind sehr hoch. Es ist aber nicht so, dass dies generell nicht möglich ist.“ Offenbar sei man beim sächsischen Verfassungsschutz nicht in der Lage gewesen, das rechtssicher umzusetzen. Lippmann wirft dem sächsischen Verfassungsschutz zudem vor, unter Meyer-Plath über Jahre hinweg die Gefahr durch den Rechtsextremismus unterschätzt zu haben. Die Analysefähigkeit im Bereich der Neuen Rechten habe „eher gegen Null“ tendiert, monierte Lippmann.
Im Verfassungsschutz-Verbund wittert man eine Intrige
Immer wieder war Meyer-Plath in der Vergangenheit in die Kritik geraten. 2014 war bekannt geworden, dass er Alter Herr in der Burschenschaft Marchia Bonn ist. Die Opposition im Sächsischen Landtag warf ihm damals vor, Rechtsextremismus von Burschenschaften zu ignorieren.
Meyer-Plath äußerte sich in dieser Woche selbst nicht zu den Vorwürfen gegen ihn. Unter Kollegen gilt er durchaus als einer, der die Gefahr durch den Rechtsextremismus richtig einzuschätzen wusste. Im Verfassungsschutz-Verbund ist aber schon länger bekannt, dass es zwischen Innenminister Wöller und Meyer-Plath große Unstimmigkeiten gab. Hier hat man den Verdacht, dass es sich bei dem ganzen Vorgang um eine Intrige handelt, mit der man Meyer-Plath loswerden wollte. Der Beamte wurde ins Staatsministerium für Wissenschaft, Kultur und Tourismus versetzt.
Es gibt also keine einfache Wahrheit bei dieser Geschichte. Eines ist aber klar: Für die AfD ist die Affäre ein gefundenes Fressen. AfD-Chef Chrupalla kündigte bereits an, den sächsischen Verfassungsschutz verklagen zu wollen.